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07.03.2012 | 13:20 | Biokraftstoffe 

Das ignorierte E10-Problem

Berlin - Vor einem Jahr gipfelte das Chaos bei der Einführung des Biosprits E10 im «Benzingipfel». Inzwischen wird weniger über die «Bioplörre» gestritten - der Absatz bleibt aber gering. Pünktlich zum «Jubiläum» klettert der E10-Preis auf ein Allzeithoch von 1,638 Euro je Liter.

E10
(c) proplanta
Als die überraschende Nachricht kommt, dass die weitere E10-Einführung gestoppt wird, rauscht der Börsenkurs des Bioethanolherstellers Cropenergies in den Keller. Der damalige Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) beruft Minuten später am zuständigen Umweltminister Norbert Röttgen (CDU) vorbei einen «Benzingipfel» ein, um etwas gegen den Käuferstreik zu tun. Die Biospritstrategie der Regierung und E10 stehen vor dem Scheitern.

Teilnehmer sagen später, beim Gipfeltreffen am 8. März 2011 von Bundesregierung, ADAC, Mineralöl- und Biokraftstoffbranche sei es wie beim Hornberger Schießen zugegangen. Jeder wies jedem die Schuld zu, mit großem Getöse angekündigt, kam kaum etwas Zählbares heraus. Außer einem Bekenntnis zu mehr Informationen schon an der Tankstelle, welches Auto E10 verträgt. Ein Jahr später haben sich viele Sorgen als unbegründet bewiesen, es sind keine Motorschäden bekannt. Zunächst hatte selbst die Bundespolizei E10 wegen Zweifeln gemieden.

Aber gelöst ist das Problem nicht, es wird ignoriert. Und der einst so gelobte Preisvorteil gegenüber anderen Benzinsorten zieht auch nicht - der E10-Preis ist diese Woche auf ein Allzeithoch von 1,638 Euro je Liter geklettert. So teuer war Benzin laut ADAC noch nie. Die E10-Absatzzahlen sind seit dem letzten Jahr nur minimal besser geworden: Der Anteil am Benzinverkauf beträgt 11,8 Prozent. Geplant waren 90 Prozent, um die Bioquote zu schaffen - demnach muss 6,25 Prozent der fossilen Energie durch Bioenergie ersetzt werden.

So soll das Klima geschont und die Abhängigkeit vom Öl verringert werden, gerade in Zeiten hoher Preise. Biokraftstoffe müssen 35 Prozent weniger Treibhausgase ausstoßen als fossile Kraftstoffe. Und zwar gemessen am gesamten Prozess - vom Mais-, Rüben- oder Weizenanbau auf dem Acker über alle Transporte und die Produktion.

Doch viele Bürger zweifeln am Nutzen und bevorzugen das alte Super  mit fünf Prozent Ethanol. Stiege der E10-Absatz im derzeitigen Tempo weiter, wäre das 90-Prozent Absatzziel nach Branchenangaben erst in rund 47 Jahren erreicht. «Für viele Autofahrer ist E10 bisher keine Alternative, obwohl es etwas billiger ist», sagt Klaus Picard, Hauptgeschäftsführer beim Mineralölwirtschaftsverband.

Die Quote wurde 2011 deutlich verfehlt. Millionen-Strafzahlungen wären eigentlich die Folge. Diese würden womöglich auf den ohnehin schon in Rekordhöhen gestiegenen Spritpreis aufgeschlagen. Aber: Es gibt durch eine Quoten-Übererfüllung in den Vorjahren Spielraum, weil damals vor allem mehr Biodiesel verkauft worden ist.

Daher fallen Strafen wohl aus, Klarheit gibt es bis April. Ein weiterer Grund dafür: Es gibt einen trickreichen Handel, um die Quote auf Umwegen zu erfüllen. So kaufen Mineralölunternehmen Biodiesel-, Pflanzenöl- oder Biogas-Zertifikate, müssen aber die entsprechende Menge voll versteuern, damit sie auf die Quote angerechnet wird.

Das kostet viel Geld - ob und wie sich das in den Benzinpreisen niederschlägt, ist schwer zu ermitteln. Die Mineralölbranche gilt vielen Bürgern nicht gerade als Vorbild in Sachen Preistransparenz. Um die Quote zu schaffen, wurden allein im Dezember 32.900 Tonnen reiner Biodiesel (B100) zugekauft, ein Plus von 498 Prozent gegenüber dem November 2011. Dennoch liegt der Markt für das früher in der Landwirtschaft beliebte B100 nach dem Wegfall von Steuerprivilegien am Boden, für die Mineralölbranche ist B100 eine Art Notnagel, um wegen der E10-Probleme hohe Millionenstrafen zu vermeiden.

Die günstigste Variante wäre für Autofahrer in jedem Fall, wenn der E10-Absatz anziehen würde. «Aufgabe der Politik ist es, die gesamtgesellschaftliche Akzeptanz sicherzustellen, denn die Politik wollte Biokraftstoffe», so Picard. Röttgen hatte betont, E10 sei eine Entscheidung der Mineralölbranche gewesen, um durch die Beimischung die Quote zu schaffen. «Das ist kein Staatsbenzin», sagte Röttgen.

Die Regierung verfolgt seit dem «Benzingipfel» weitgehend eine Augen-zu-und durch-Strategie. Frank Brühning vom Verband der Deutschen Biokraftstoffindustrie setzt auf das Prinzip Hoffnung, denn der Gesamtabsatz der Biobranche sank 2011 um rund zwei Prozent: «Ich kann mir nicht vorstellen, dass es bei der E10-Flaute bleibt.»

Da der Quoten-Übertrag nun wohl aufgebraucht ist, dürfte es ohne einen stärkeren E10-Absatz in diesem Jahr sehr schwierig werden, saftige Strafzahlungen zu vermeiden. 93 Prozent aller Benzin-Autos vertragen den Biosprit, aber nur rund drei Millionen Autos werden damit derzeit betankt. Obwohl das Superbenzin inzwischen an fast allen der 14 723 Tankstellen in Deutschland zu bekommen ist.

Im Regierungskreisen weiß man aber auch: Angesichts des möglichen Konfliktes zwischen Anbauflächen für Biosprit und für Nahrungsmittel könnten die Biospritpotenziale langfristig begrenzt sein. Letztlich könnte E10 daher eher eine Zwischenlösung sein auf dem Weg hin zu hocheffizienten Autos und einem Durchbruch der Elektromobilität. (dpa)
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