Vorsprung durch Wissen
Das Informationszentrum für die Landwirtschaft
02.06.2022 | 09:03 | Getreidemarkt 

Ukraine-Krise lässt Getreidepreise in die Höhe schnellen

Schwäbisch Gmünd - Nach mehreren aufeinander folgenden Jahren mit überwiegend positiven Bilanzen (Ausnahme 2018/19) waren die globalen Getreideendbestände zum 30.6.2020 auf ein Niveau von 635,4 Mio. t angewachsen.

Getreidemarkt 2022
(c) proplanta
Die Welt-Getreidebilanz 2020/21 fiel nach einer anfänglichen Überschussprognose deutlich ins Negative und zeigte sich zum 30.6.2021 mit einem Bestandsabbau von 22 Mio. t auf 614 Mio. t defizitär. Das noch laufende Getreidewirtschaftsjahr 2021/22 soll nach der aktuellen Einschätzung des USDA dagegen knapp ausgeglichen enden.

In der ersten Einschätzung für 2022/23 zeigt sich allerdings bereits von Beginn an ein deutliches Defizit von -17 Mio. t. Die Erwartung eines vom Krieg geprägten schwachen Ernteergebnisses in der Ukraine ist der Hauptauslöser dieser Entwicklung. Aber auch die Erwartung einer etwas kleineren Getreidefläche weltweit zugunsten des Ölsaatenanbaus macht sich in der Schätzung bemerkbar.

Die Erzeugung taxiert das USDA auf 2.251 Mio. t, rund 30 Mio. t weniger als im Vorjahr. Der Verbrauch soll mit 2.257 Mio. t über der Produktion liegen. Die Endbestände werden mit 597 Mio. t deutlich rückläufig gesehen. Große Ungewissheit herrscht derzeit im Markt bezüglich der Ernten und Exportmöglichkeiten aus der Ukraine und Russland. Der nahezu vollständige Wegfall des Schiffstransports aufgrund der Verminung des Schwarzen Meeres wirft die Frage auf, ob das erzeugte Getreide einen Transportweg auf den Weltmarkt finden kann.

Erste Überlegungen zur Einrichtung leistungsstarker Schienentransportwege über die Türkei oder die Verschiffung von Ware über die Häfen der benachbarten Länder Rumänien und Bulgarien werden derzeit diskutiert. Noch ist aber unklar, ob und in welchem Umfang diese Alternativen den Weg zum Weltmarkt öffnen können.

Ende April 2022 taxierte die EU-Kommission die EU-Getreideernte 2021/22 auf 293,1 Mio. t, der Binnenverbrauch soll unverändert bei 260,5 Mio. t liegen. Nach einer unterdurchschnittlichen Ernte von 281,3 Mio. t im Vorjahr, zeigt sich die Ernte der Saison 2021/22 gut zufriedenstellend. Der Selbstversorgungsgrad soll mit 112,5 % in Relation zum Durchschnitt der letzten 10 Jahre (107,8) überdurchschnittlich ausfallen.

Bei im Vergleich zum Vorjahr höheren Exporten (48,1 Mio. t, Vorjahr 42,9) und vergleichsweise niedrigen Importzahlen (19,6 Mio. t, Vorjahr 21,1) sollen die Endbestände zum 30.6.2022 auf 45,9 Mio. t (Vorjahr: 41,8) anwachsen. In ihrer zweiten Einschätzung der Ernte 2022/23 geht die Kommission von einer nochmals größeren Ernte in Höhe von 295,8 Mio. t aus.

Kennzeichnen für die neue Saison sollen die außerordentlich hohen Exporte von 55,5 Mio. t sein, die man derzeit aufgrund des Ukrainekonflikts erwartet. Europa wird voraussichtlich einen Teil der möglicherweise durch den Konflikt fehlenden Exporte vom Schwarzen Meer durch zusätzliche Exporte ausgleichen müssen, so schätzen die Experten der Kommission.

Die deutsche Getreideernte 2021 wird vom Statistischen Bundesamt auf 42,36 Mio. t geschätzt. Es handelt sich dabei um die drittschwächste Ernte der letzten 20 Jahre. Nur in den Trockenjahren 2003 und 2018 waren die Ernten noch schwächer ausgefallen. Die Getreidefläche war 2021 mit nur 6,05 Mio. ha auf das kleinste Maß im Rückblick des 20-Jahreszeitraums geschrumpft. Der Ertrag hingegen lag mit 70,0 dt/ha leicht über dem Durchschnitt der letzten 5 Jahre (69,1). 2021 war geprägt von nasskalter Witterung während des ganzen Sommers.

Schwache Hektolitergewichte bei praktisch allen Getreidearten (Ausnahme Mais) waren ein Kennzeichen, mit der Folge, dass die Erntemengen häufig eher nicht zufriedenstellend ausfielen. Die Druschergebnisse von Körnermais waren hingegen gut. Die Erträge werden mit 103,6 dt/ha als deutlich überdurchschnittlich beschrieben (5-Jahresmittel: 94,8). Die neue Ernte 2022 wird hingegen vom DRV leicht optimistischer gesehen.

Auf nahezu gleicher Anbaufläche von 6,03 Mio. ha werden 42,91 Mio. t erwartet. Allerdings musste der DRV die Schätzung gegenüber dem Vormonat aufgrund von Trockenheit in einigen Gebieten Deutschlands deutlich nach unten korrigieren. Insofern ist die deutsche Getreideernte noch nicht in „trockenen Tüchern“.

Der Markt für Bio-Speisegetreide zeigt sich mit Ausnahme von Hafer und Dinkel weiterhin unterversorgt, zum Teil kann der Bedarf mit Getreide aus Frankreich gedeckt werden. Die meisten Verarbeiter sind somit versorgt. Die Bio-Getreidepreise haben sich auf einem hohen Niveau eingependelt. So notierte frei Verarbeiter im März Brotweizen bei 53,50 €/dt, Roggen bei 41,32 €/dt, Dinkel bei 49,24 €/dt und Speisehafer bei 37,57 €/dt.

Bio-Futtergetreide und Bio-Eiweißfuttermittel sind weiterhin knapp und werden immer teurer. Das Angebot aus Deutschland ist so gut wie aufgebraucht, der Markt damit unterversorgt und Entspannung nicht in Sicht. Im europäischen Ausland stehen noch Partien zur Verfügung, die nun einige Lücken hierzulande füllen können. Frei Verarbeiter lagen die Preise im März für Futtergerste bei 42,93 €/dt, für Futterweizen bei 46,45€/dt, für Körnermais bei 45,13 €/dt, für Ackerbohnen bei 60,64 €/dt und für Futtererbsen bei 60,47 €/dt. Verbandsware erzielte gegenüber EU-Öko Aufpreise.

Den hohen Erzeugerpreisen stehen aber auch hohe Einkaufpreise der Erzeuger für (Misch-)Futtermittel gegenüber. Rohstoffknappheit sowie gestiegene Energie- und Transportkosten treiben hier die Preise weiter nach oben.
LEL Schwäbisch Gmünd
zurück
Seite:123
weiter
Kommentieren
weitere Artikel

Status:
Name / Pseudonym:
Kommentar:
Bitte Sicherheitsabfrage lösen:


  Weitere Artikel zum Thema

 Erntejahr 2023 war in Niedersachsen zu nass und zu warm

 Kleinere Getreideernte in Russland erwartet

 Ukraine darf auf Verlängerung des Agrarabkommens hoffen

 Internationaler Weizenmarkt: EU verliert Marktanteile an Russland

 Getreideproduktion: EU-Kommission erwartet mehr Mais und weniger Weizen

  Kommentierte Artikel

 Deutsche Verbraucher offen für abgelaufene Lebensmittel

 Brandenburger Dackel wohl von Wolf angegriffen

 Tag des Wolfes - Bauern machen Druck für vereinfachten Abschuss

 Erleichterungen bei GAP-Anträgen und Hanfanbau

 In der Corona-Pandemie wurden zu oft Antibiotika verschrieben

 Jäger sehen dringenden Handlungsbedarf bei Umgang mit Wölfen

 Söder setzt sich gegen Verbrenner-Aus ab 2035 ein

 2023 war Jahr der Wetterextreme in Europa

 Wind- und Freiflächen-Solaranlagen: Niedersachsen führt Abgabe ein

 Keine Reduzierung beim Fleischkonsum durch Aufklärung