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12.06.2010 | 16:25 | Jahrestagung Junge DLG  

Welchen Weg einschlagen als Junglandwirt?

Soest - Jungen, gut ausgebildeten Landwirten stehen viele Wege offen. Insbesondere wenn sie einen bestehenden landwirtschaftlichen Betrieb übernehmen, werden sie jedoch rasch mit der Frage konfrontiert: Weiter so wie bisher oder den Betrieb neu ausrichten?

Grüne Berufe
(c) proplanta
Weil das Thema nicht nur fast jeden angehenden, sondern auch viele bereits aktive Junglandwirte betrifft, hat die Junge DLG das Leitmotiv ihrer diesjährigen Jahrestagung an der Fachhochschule Südwestfalen in Soest unter das Thema „Welchen Weg einschlagen? - Bestehende Betriebszweige weiterentwickeln oder auf neue Geschäftszweige setzen?“ gestellt. Am vergangenen Wochenende beschäftigten sich knapp 200 junge Frauen und Männer mit der Thematik. Welche Aspekte bei einer nachhaltigen Betriebsentwicklung eine Rolle spielen, zeigte am Samstag im Audimax der FH Soest Prof. Dr. Enno Bahrs von der Fakultät für Agrarwissenschaften an der Universität Hohenheim auf. „Sie sind der Architekt ihrer Entscheidung“, gab er den jungen Menschen mit auf den Weg. Er motivierte sie aber auch, beim Bau ihres „Entscheidungshauses“ Bausteine, wie Familie und Gesundheit, zu berücksichtigen. Mit neun Thesen zeigte Prof. Bahrs den jungen DLGisten auf, was sie künftig im Agrarbereich erwarten wird. Landwirtschaft werde gebraucht, und Biomasse für Nahrung, Futter und Energie werde eine noch größere Rolle spielen, so Bahrs.

 
Besser sein als der Durchschnitt

Als Herausforderung müsse der Landwirt von morgen aber auch damit klar kommen, dass sich etwa Landwirtschaft und Gesellschaft künftig noch mehr entfremden, dass es mehr Markt bei gleichzeitig „mehr Staat durch die Hintertür“ wie beim Erneuerbaren Energien-Gesetz (EEG) geben werde und Märkte noch schwieriger zu prognostizieren sein werden als bisher. Inflationsbedingt und wegen starker Marktmacht der von der Agrarwirtschaft partizipierenden Unternehmen würden die Gewinne pro Hektar zumindest kurz- bis mittelfristig nicht steigen, sodass es zwangsläufig zu einem weiteren Betriebsgrößenwachstum kommen werde. „Erfolgreiche Landwirte sind künftig diejenigen, die besser sind als der Durchschnitt“, erklärte Bahrs, der es verstand, auch diese oft gehörte Floskel mit Leben zu füllen: Was es bedeute, zu den Besten oder den Schlechtesten zu gehören, machte er an einem 100-Hektar-Betrieb im von Extremen geprägten Wirtschaftsjahr 2007/08 deutlich. Zwischen dem günstigsten und teuersten Düngemittelpreis lag bei gleichem Dünger und gleicher Menge ein Betrag von 100 Euro pro Hektar. Und bei der Vermarktung zum besten und zum schlechtesten Getreidepreis des Jahres sogar ein Betrag von 600 Euro pro Hektar, was bei vollkommen gleicher Intensität, Lage, Ertrag und Bewirtschaftung zu einem Unterschied von 750 Euro pro Hektar oder 75.000 Euro insgesamt führe. Der Landwirt von morgen müsse lernen, mit solchen Situationen, die künftig verschärft auftreten werden, umzugehen. Eine besondere Bedeutung erhalte daher künftig für ihn die Kommunikation und Information, die Liquidität, die Flexibilität und die Frage nach der Spezialisierung oder Diversifikation. Er ermunterte die Landwirte zudem, mehr „Mut zu Fremdarbeitskraft“ zu haben, um mehr eigene Freiräume zu gewinnen und kreativ im Hinblick auf die Betriebsentwicklung sein zu können.


Vermeidbare Fehler können selbst dem besten Betrieb das Rückgrat brechen

Einen Einblick in die Ziele und Risiken bei einem Wachstum in neuen Dimensionen gab Cort Brinkmann, landwirtschaftlicher Berater beim Betriebswirtschaftlichen Büro in Göttingen. Er nahm die Tagungsteilnehmer mit auf eine Reise: Von der Ermittlung des Status quo des eigenen Hofes und verbunden mit der Frage, ob der Betrieb zukunftsfähig ist und wachsen kann/muss, über die Überlegung, ob bestehende Betriebszweige ausgebaut oder neue etabliert werden sollen bis hin zu den häufig gemachten Fehlern. Dieses Thema lag Brinkmann besonders am Herzen, da vermeidbare Fehler selbst den besten Betrieben das Rückgrat brechen können. Neben der fehlenden Analyse und des fehlenden Betriebsvergleiches („Wo stehe ich im Vergleich zu den anderen?“) nannte er unter anderem die falsche Ermittlung des Kapitalbedarfs und fehlende Liquiditätsreserven bei Investitionen, den falschen Investitionszeitpunkt in zyklischen Märkten, ein nicht vorhandenes Risikomanagement sowie eine fehlende Zusammenarbeit mit der Bank. „Reichen Sie bei Ihrer Bank unaufgefordert Ihren Jahresabschluss ein und überziehen Sie Ihren Kontokorrentkredit nie ohne Absprache“, riet Brinkmann den jungen Landwirten. Denn von der Einstufung der Kreditwürdigkeit des Landwirtes durch die Bank hänge es unter anderem ab, ob der Kredit zu 3,5 oder zu 6,35 Prozent abgegeben werde. Brinkmanns Fazit: Wachsen kann derjenige, der es sich leisten kann, wenn er genügend Produktionsfaktoren sein Eigen nennt, ein ausreichendes Vermögen zum Verzehren besitzt oder einen Partner mit ausreichendem alternativen Einkommen hat. Wachsen sollte hingegen derjenige, der es kann, wenn er ein erfolgreicher Unternehmer mit entsprechenden persönlichen und wirtschaftlichen Eigenschaften ist.

In drei Arbeitskreisen (Marktfruchtbau, Milcherzeugung und Veredelung) vertieften die Tagungsteilnehmer am Nachmittag die Impulse des Vormittags. Dabei standen in drei Referaten jeweils die Perspektiven und Potenziale des jeweiligen Bereiches, das Wachstum in bestehenden Betriebszweigen sowie das Betreten neuer Pfade im Fokus. Neben Praktikern, die offen aus ihren Betrieben berichteten, traten auch branchenweit bekannte Fachleute ans Rednerpult, etwa der Veredelungsexperte Dr. Albert Hortmann-Scholten von der Landwirtschaftskammer Niedersachsen sowie der Landwirt und Vorstandsvorsitzende der KTG Agrar, Siegfried Hofreiter. Den Abschluss des Programms bildeten am Sonntag Betriebsbesichtigungen: besucht wurden eine Forellenzuchtanlage, ein Marktfruchtbetrieb mit Brennerei, ein Schweinemastbetrieb mit Biogasanlage sowie eine Brauerei.

Vorausgegangen war am Freitagnachmittag eine Karriereveranstaltung für Studenten unter dem Thema „Agrarstudium - und was dann?“. Dabei zeigten Johannes Ritz, bei der DLG verantwortlich für das Trainee Programm und die Unternehmerseminare, sowie Johannes Schwerdtle vom Betriebswirtschaftlichen Büro Göttingen auf, worauf es bei der Jobsuche ankommt, auf was künftige Arbeitgeber besonders achten und in welchen Bereichen der Agrarwirtschaft künftig ein besonders großer Personalbedarf besteht. (dlg)
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