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04.06.2013 | 19:57 | Hochwasserschutz 

Flutpolder sollen Hochwasserwellen dämpfen

Mainz - Mit der Flutung des Polders bei Ingelheim kann die Hochwasserwelle am Mittelrhein nach Darstellung des Fachmanns Thomas Bettmann ein wenig gestreckt und gemindert werden.

Polderflutung
(c) proplanta
«Die Bürger haben dann ein bis zwei Stunden mehr Zeit, ihr Hab und Gut in Sicherheit zu bringen», sagte der Ingenieur der Struktur- und Genehmigungsdirektion (SGD) Süd im Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa. Ein Hochwasser könne nie vermieden werden, betonte der Fachmann. Polder könnten aber helfen, die Folgen zu mildern und Hochwasserschäden zu reduzieren.

Das Rückhaltebecken bei Ingelheim wird nach 2011 an diesem Dienstag ein weiteres Mal genutzt. «Damals konnten wir durch die Flutung verhindern, dass das Wasser in Städte wie St. Goar und St. Goarshausen vordringt», sagte Bettmann. Es war das erste Mal überhaupt, dass ein Polder in Rheinland-Pfalz geflutet wurde.

«Durch die Flutung des Ingelheimer Polders können wir den Pegel um einige Zentimeter absenken», erklärte der Ingenieur. Jeder Polder für sich sei nur ein kleiner Baustein. Alle Polder am Oberrhein zusammen könnten mit einem Fassungsvermögen von 288 Millionen Kubikmetern Wasser den Pegel schon um 50 Zentimeter senken.

Der Polder ist ein Gebiet hinter dem Deich, das bei Bedarf genutzt werden kann. «Dazu öffnen wir die sogenannten Fischbauchklappen im Deich», sagte der Experte. Die Klappen seien wie ein Fischbauch gewölbt, damit das Wasser besser in die Polder geleitet werde. Bis zu 100 Kubikmeter werden dann pro Sekunde in den Ingelheimer Polder fließen. Der kann insgesamt 4,5 Millionen Kubikmeter Wasser aufnehmen.

Wann die Polder geflutet werden, ist genau geregelt. «Wir haben bestimmte Pegelstände festgelegt, bei denen wir die Tore öffnen», erläuterte Bettmann. Für den Ingelheimer Polder sei ein Pegelstand von mindestens 6,9 Metern am Pegel Kaub erforderlich, für den Polder Bodenheim/Laubenheim ein Wasserstand von mindestens sieben Metern am Pegel Mainz. Dieser Polder kommt aller Wahrscheinlichkeit nach aber nicht zum Einsatz, weil sich die Lage nach Ansicht der Experten etwas entspannt hat.

«Bei den Poldern handelt es sich um ganz normale, öffentlich zugängliche Räume, in denen zum Teil auch Landwirtschaft betrieben wird», sagte Bettmann. Das gilt auch für den Polder Ingelheim. Werde er geflutet, könne es deshalb zu Ernteausfällen kommen.


Stichwort: Polder

Polder sind von Deichen umgebene Gebiete, die bei Hochwasser absichtlich geflutet werden. Die Rückhalteräume an Flüssen sollen Wohn- und Industriegebiete schützen. Wenn eine Überschwemmung droht, werden die Poldertore geöffnet. Ein Teil des Hochwassers fließt dann wie jetzt bei Ingelheim in das Becken und der Wasserstand auf dem Fluss sinkt. Ein Polder funktioniert wie eine Art Badewanne: Es gibt einen Ein- und einen Ablauf. Der Einlauf wird bei großen Fluten geöffnet. Das Wasser bleibt einige Tage oder Wochen im Polder stehen und wird nach Abklingen der Gefahr wieder in den Fluss geleitet. Der Begriff stammt aus dem Niederländischen.


Hochwasserschutz zwischen Beton und Natur

Für den Hochwasserschutz an Flüssen werden in der Regel verschiedene Maßnahmen kombiniert. Neben dem natürlichen Schutz durch Überflutungsgebiete ist der technische Hochwasserschutz unverzichtbar.

Künstliche Hochwasserschutzanlagen entlang der Ufer sind meist aus aufgeschüttetem Erdreich gebaute Dämme und Schutzwände aus Stein oder Beton in Spundbauweise. Stein- und Betonmauern werden oft im Zentrum von Städten errichtet, wo wenig Platz für Flutschutzbauten ist. Droht eine Überschwemmung, werden vorübergehend an einigen Stellen auch mobile Flutschutzsysteme wie Spundwände aus Metall aufgebaut.

Neben dem Ausbau des in seinen Möglichkeiten begrenzten technischen Hochwasserschutzes gewinnt in vielen Regionen die Wiedergewinnung und Erhaltung von Überschwemmungsgebieten an Bedeutung. Nach einer Renaturierung mit Deichrückverlegungen hat ein Fluss in einem flacheren Gewässerbett mit breiteren Uferstreifen und neuen Flussbiegungen mehr Flächen zur Verfügung. Dadurch verringert sich auch die Wucht einer Hochwasserwelle.

Zudem werden Flutpolder angelegt. Diese eingedeichten Senken oder Flussniederungen werden gezielt geflutet, um extreme Überschwemmungen abzumildern. Die Polder sind unbesiedelte landwirtschaftliche Flächen wie Flusswiesen sowie natürliche alte oder neu angelegte Auwälder. Der Wald kann von allen Vegetationsformen am besten Wasser zurückhalten. Eine ähnlich wichtige Schutzfunktion zur Dämpfung einer Hochwasserwelle haben Talsperren und Hochwasserrückhaltebecken.
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