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28.08.2008 | 13:37 | Maisschädlinge 

Ein neuer Schädling im Maisanbau: Bekämpfung mit Nebenwirkungen

Darmstadt - Noch sind es erst einzelne Tiere, doch es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis er auch in Deutschland zu einem Problem für den Maisanbau wird: der Maiswurzelbohrer. In Nordamerika, aber auch in vielen Ländern Süd- und Osteuropas breitet sich der Käfer rasant aus.

Maiswurzelbohrer
(c) JKI/Peter Baufeld
Wenn er sich erst einmal etabliert hat, ist er nicht einfach zu bekämpfen. Im Frühjahr starben in Südwestdeutschland zahlreiche Bienenvölker. Die Ursache: Eine unsachgemäße Beizung des Maissaatguts. Die Behörden hatten die Maßnahme angeordnet, um die weitere Ausbreitung des Maiswurzelbohrers (Diabrotica virgifera) aufzuhalten.

Zwischen Juli und September, der Hauptflugzeit des Maiswurzelbohrers, werden in vielen deutschen Maisanbaugebieten Lockstofffallen aufgestellt. Nach den ersten Funden 2007 in der Nähe von Freiburg wurden im Juli dieses Jahres in Bayern, Baden-Württemberg und dem benachbarten Elsass zahlreiche Käfer gefangen. Um der befürchteten schnellen Ausbreitung des neuen Schädlings in Südbaden und weiten Teilen Deutschlands entgegen zu wirken, leiteten die Behörden sofortige Bekämpfungsmaßnahmen ein: Neben einer Insektizidbehandlung gegen die erwachsenen Käfer wurden um die Fundorte Befalls- und Sicherheitszonen ausgewiesen. Je nach Anzahl der beobachteten Käfer müssen die Landwirte verschiedene Auflagen einhalten, die bis zu einem ein- bis zweijährigen Verzicht auf den Maisanbau in der Fruchtfolge reichen.

Sollte Diabrotica sich in Deutschland ausbreiten, wären nach Schätzungen des Julius-Kühn-Instituts (Braunschweig) etwa 350.000 der inzwischen auf 1,8 Millionen Hektar angewachsenen Maisanbaufläche gefährdet. Ohne Gegenmaßnahmen wird ein möglicher Schaden auf jährlich mindestens  25 Millionen € geschätzt.

In den USA zählt Diabrotica zu den bedeutendsten Maisschädlingen.  Die Kosten für die durch ihn verursachten Schäden und seine Bekämpfung summieren sich jährlich auf etwa eine Milliarde US-Dollar. Weltweit wird eine Anbaufläche von etwa 20 Millionen Hektar durch den Maiswurzelbohrer befallen, davon allein 13,5 in den USA. Diabrotica ist der Schädling, gegen den sich die meisten Insektizidanwendungen weltweit richten. Jährlich werden auf 5,2 Millionen Hektar Insektizide gegen den Maiswurzelbohrer eingesetzt.


Schlecht gebeizt - Bienenverluste durch insektizide Maisbeize

Um ein weiteres Vordringen oder gar eine Ansiedlung des Schädlings in Deutschland zu verhindern, wurde 2008 auf der gesamten Maisanbaufläche in der Befalls- und Sicherheitszone nur noch Maissaatgut ausgebracht, das zum Schutz gegen den Fraß der Diabrotica-Larven mit einem bestimmten insektiziden Wirkstoffs gebeizt war. Man folgte damit einer Empfehlung der Fachbehörden, die angeregt hatten, die Aufwandmenge des Wirkstoffs vorsorglich zu erhöhen.

Ende April und Anfang Mai 2008 kam es in einigen Regionen in Südwestdeutschland - genau dort, wo das gebeizte Saatgut ausgesät worden war - zu einem Bienensterben, bei dem nach den letzten Erhebungen etwa 11.000 Völker teilweise erheblich geschädigt wurden. Untersuchungen des Julius-Kühn-Instituts (JKI) und anderer Fachbehörden bestätigten, dass der in der Saatgutbeize vorhandene insektizide Wirkstoff Clothianidin für den Tod der Bienen verantwortlich war. Als Folge einer unsachgemäßen Beizung des Maissaatgutes entstanden während der Aussaat Stäube, so dass der Wirkstoff auf Blühpflanzen verfrachtet wurde. Dass Clothianidin für Bienen schädlich ist, war seit längerem bekannt.  Man war jedoch davon ausgegangen, dass es keinen Kontakt zwischen Bienen und den am Saatgut haftenden Wirkstoff gebe.

Mitte Mai ordnete deshalb das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) vorsorglich das Ruhen der Zulassung für verschiedene Beizwirkstoffe an. Ob Beizmittel mit dem Wirkstoff Clothianidin dem Maisanbau im kommenden Jahr wieder zur Verfügung stehen, entscheidet sich frühestens im Herbst. Möglicherweise werden verbesserte Verfahren für das Aufbringen der Beize und die Aussaat des Saatguts vorgeschrieben, bei denen die Entstehung von Stäuben weitgehend ausgeschlossen ist.


Gentechnisch veränderter Mais: In den USA das Mittel der Wahl gegen Maiswurzelbohrer

Seit 2003 sind auf dem amerikanischen Markt gentechnisch veränderte Maissorten verfügbar, die ähnlich wie bei dem bekannten Konzept gegen den Maiszünsler eine bestimmte Variante des Bt‑Toxins bilden, die spezifisch gegen die Larven des Wurzelbohrers wirkt. Mittlerweile sind zahlreiche Sorten erhältlich, die eine Kombination von Resistenzen gegen beide Schädlinge sowie eine Herbizidtoleranz besitzen. 2007 wiesen bereits 40 bis 45 Prozent der angebauten Maispflanzen solche Mehrfach-Resistenzen aus.

Die neuen gv-Linien zeigen vor allem gute Erfolge gegen die Larven des Käfers, die große Schäden an den Maiswurzeln verursachen. Der ausgewachsene Käfer frisst dagegen an den Blättern und vor allem an den Staubfäden und vermindert dadurch die Kornausbildung. Diese Schäden fallen dort weniger ins Gewicht.

In Europa finden erste Freisetzungen mit Diabrotica-resistenten Linien statt, so unter anderem in Spanien, Osteuropa und Deutschland. Mit einer Markteinführung solcher Sorten in Europa wird jedoch in den nächsten Jahren nicht zu rechnen sein.  


Maisanbau: Auf Diabrotica einstellen

Derzeit sind in Deutschland nur einzelne, zugeflogene Käfer beobachtet worden. Die bisher ergriffenen amtlichen Sofortmaßnahmen wie die Insektizidspritzung gegen den Käfer, die Ausweisung von Zonen mit zeitlich begrenzten Maisanbauverboten oder die Empfehlungen einer speziellen Beizung des Maissaatgutes zielen darauf ab, einer Ansiedlung und damit dem Populationsaufbau des Maiswurzelbohrers vorzubeugen.

Nach Aussagen von Fachleuten wird dessen Ausbreitung in Europa jedoch nicht aufgehalten werden können. Der Maisanbau wird sich auf den Schädling einstellen müssen und in naher Zukunft geeignete Bekämpfungsstrategien benötigen. Die Erfahrungen aus den USA zeigen, dass Diabrotica-resistente Maissorten ein wirkungsvolles Mittel sein können, die Larven direkt an der Wurzel zu bekämpfen. Solange solche gv-Sorten in Europa nicht zum Anbau zugelassen sind, kommen die Beizung des Maissaatgutes mit insektiziden Wirkstoffen oder die Ausbringung von Bodeninsektiziden als Alternativen in Frage.

Eine Auflockerung der Maisfruchtfolge mit Getreide oder Blattfrüchten würde zwar die Hauptfutterquelle des Diabrotica-Käfers unterbrechen, doch allein kann eine solche Maßnahme allenfalls den Schädlingsdruck mindern und die Ertragsausfälle reduzieren. Eine Ausrottung des Schädlings ist damit nicht möglich. (BioSicherheit.de)
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