Die Betroffenen, ihre Rechtsanwälte und die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) e.V. stellen heute eine neue Broschüre vor, die brisante Hintergründe zu den Vorgängen um die Freisetzung ans Licht bringt. Die Broschüre: „Risiken und Nebenwirkungen – die Genbank Gatersleben und die Freisetzung von gentechnisch verändertem Weizen“ zeigt anhand umfangreicher Quellen, auch aus den Verwaltungs- und Prozessakten auf, dass die Genehmigung der Freisetzung für Gatersleben nie hätte erteilt werden dürfen.
Zur Erläuterung: Nach dem
Gentechnikgesetz müssen alle nach dem Stand von Wissenschaft und Technik erforderlichen Sicherheitsvorkehrungen getroffen werden, damit ein Freisetzungsversuch genehmigt werden darf. Dem geht in der Risikobewertung auch eine Prüfung des Ortes, an dem der Versuch durchgeführt werden soll, hier den Vermehrungsflächen der Genbank Gatersleben, voraus. Die zuständige Behörde, das Bundesamt für Verbraucherschutz und
Lebensmittelsicherheit (BVL), genehmigte die Freisetzung von gentechnisch verändertem Weizen in 500 Metern Abstand zu den alten
Weizensorten der Genbank.
Die Genbank Gatersleben ist eine der weltweit umfangreichsten Genbanken für alte Kultur- und Getreidesorten, eine „Schatztruhe der biologischen Vielfalt“. Die in der Genbank Gatersleben gesammelten und zu erhaltenden alten Getreidesorten und deren Genressourcen dienen u.a. der Sicherung der Nahrungsmittelqualität und Ernährungssouveränität weltweit. Das BVL nahm mit der Freisetzung die Gefahr einer gentechnischen Kontamination der Bestände der Genbank wissentlich in Kauf, anstatt Gefahrenvorsorge zu betreiben und das Risiko zu minimieren. Noch erstaunlicher: Der Genehmigung war ein Empfehlungsschreiben des Direktors des BVL, Dr. Hans-Jörg Buhk beigefügt, der es „aufgrund der vielen Einwendungen mit Bezug auf die räumliche Nähe zur Genbank für geboten [hielt], den Standort für die Vermehrung der Genbank-Akzessionen [Muster] zu verlagern“ (aus dem Anschreiben zum Genehmigungsbescheid des BVL, 23.11.2006).
Die Bundesregierung, in Kenntnis der Risiken, hätte den riskanten Freisetzungsversuch verbieten können, entzog sich aber ihrer Verantwortung. Die Freisetzung wird großzügig durch das Kultusministerium in Sachsen-Anhalt aus öffentlichen Steuergeldern gefördert, obwohl die Freisetzung vor allem der Produktforschung für ein privates Saatgutunternehmen diente.
Das IPK führte dann den Freisetzungsversuch durch. Bei den gesetzlich vorgeschriebenen Kontrollen während des Freisetzungszeitraumes wurden nicht einmal die vorliegenden Verstöße gegen die Sicherheitsauflagen festgestellt. Das IPK in seiner Doppelrolle als Antragsteller für die Freisetzung und Betreiber der Genbank, verstieß nicht nur gegen die Sicherheitsauflagen. Vielmehr verletzte das IPK mit der Durchführung der Freisetzung ihren öffentlichen Förderungsauftrag: Die sichere, gentechnikfreie Erhaltung der alten Genbanksorten und des freien Zugangs zu diesen Sorten. Einer vollständigen Untersuchung der Bestände auf gentechnische Kontaminationen will das IPK bis heute nicht nachkommen. Das IPK kennzeichnet noch nicht einmal diejenigen Muster, die in den Jahren der Freisetzung neben dem GV-Weizen vermehrt und dennoch an Landwirte und Züchter herausgegeben worden sind.
Gemeinsam fordern Gendreck-weg, das Weizennotkomitee und die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft: „In der Nähe der Genbank Gatersleben dürfen zukünftig keine gentechnisch veränderten Pflanzen freigesetzt werden, sondern die Genbank muss ihrer eigentlichen Aufgabe, der sicheren, gentechnikfreien Erhaltung der „Schatztruhe der biologischen Vielfalt“ nachkommen. Politik, Wissenschaft und Behörden müssen endlich dem Risiko der Agro-Gentechnik Rechnung tragen und dem Vorsorgeprinzip absoluten Vorrang geben. Anbau und Freisetzung von gentechnisch veränderten Pflanzen müssen in freier Natur verboten werden“. (AbL)