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27.02.2011 | 05:31 | Pflanzenzüchtung 
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Gezielter züchten: Pflanzengene unter der Lupe

Monheim - Die Erde muss künftig immer mehr Menschen ernähren. Aber die weltweiten Ernteerträge können mit der wachsenden Erdbevölkerung kaum mithalten: Die Folgen des Klimawandels setzen Getreide, Obst und Gemüse immer mehr zu.

Biotechnologie
(c) Shawn Hempel - fotolia.com
Zudem verschärfen knapper werdende Ressourcen die Situation. Zur Lösung des Problems könnte die Biotechnologie in Kombination mit modernen Züchtungsmethoden beitragen. Denn so lassen sich Pflanzeneigenschaften gezielt auswählen und kreuzen - das schafft robustere und zugleich ertragreichere Sorten.

Die wachsende Weltbevölkerung stellt die Landwirtschaft vor enorme Herausforderungen: Bereits in diesem Jahr wird nach Schätzungen der UN voraussichtlich die 7-Milliarden-Grenze überschritten. 2050 werden mehr als neun Milliarden Menschen auf der Erde leben - und alle wollen satt werden. Zudem droht der Klimawandel die Situation noch zu verschärfen. So schätzt die Weltbank, dass jedes Jahr fünf bis zehn Millionen Hektar Land durch Bodendegradation verloren gehen. Zum Vergleich: Die gesamte landwirtschaftlich genutzte Fläche in Deutschland beträgt knapp 17 Millionen Hektar.

Um die Ernährung in Zukunft zu sichern und die globalen Herausforderungen zu bewältigen, brauchen Landwirte weltweit neue Ansätze. Die Agrarforscher von Bayer CropScience setzen deshalb auf die Pflanzenbiotechnologie. Mittlerweile ergänzen Molekularbiologen mit neuen Methoden die Arbeit der Züchter entscheidend. In den kommenden Jahren wollen sie die Pflanzenzüchtung weiter beschleunigen und Obst-, Getreide- und Gemüsesorten mit neuen Merkmalen entwickeln: „Mit Hilfe der Biotechnologie können wir einen Blick tief ins Innere der Pflanzen werfen – durch die Blätter, Stängel und Wurzeln bis in das Erbgut im Zellkern“, erklärt Dr. Johan Botterman, Leiter der Produktforschung im Bereich BioScience von Bayer CropScience in Gent, Belgien. Denn die Ansprüche an die Pflanzen der Zukunft sind hoch und mit klassischer Züchtung, die allein auf Selektion und Kreuzung beruht, kaum zu erreichen. Bis eine neue Tomaten- oder Reissorte entstanden ist, dauert es viele Jahre. Bevor die Nachkommen einer Kreuzung für den nächsten Auswahl- und Kreuzungszyklus bereitstehen, müssen die Pflanzen gedeihen und Früchte bilden. Die Züchter müssen zudem tausende Nachkommen analysieren und testen, ob die gewünschten Eigenschaften vererbt wurden.


Vom Züchter zum Pflanzendesigner

Biotechnologische Methoden beschleunigen die Pflanzenzucht erheblich und ergänzen die langjährigen Erfahrungen der Züchter. Was mit konventioneller Züchtung etwa zehn Jahre dauerte, lässt sich jetzt auf knapp die Hälfte der Zeit verkürzen. Um neue Sorten zu entwickeln, arbeiten Biotechnologen von Bayer CropScience in Gent mit ihren Kollegen von Nunhems - den Gemüsesaatgut-Spezialisten von Bayer CropScience - in interdisziplinären Teams eng zusammen: Sie verbessern Geschmack, Lagerfähigkeit und Verarbeitungsmöglichkeiten von Obst und Gemüse oder machen tolerant gegen Stressfaktoren wie Dürre, aber auch gegen Schädlinge und Krankheiten.


Suche nach dem genetischen Fingerabdruck

Ein Werkzeug aus dem Repertoire der Pflanzenexperten ist die molekulare Analyse: Im Labor können die BioScience-Forscher anhand des Erbguts genau erkennen, wie sich die einzelnen Setzlinge einer Neuzüchtung unterscheiden: „Dank der Fortschritte in der Molekularbiologie ist es möglich, Pflanzeneigenschaften auf Basis ihrer Gene zu beschreiben. Je mehr wir mit Hilfe der Biotechnologie über die Pflanzen erfahren, desto besser können wir Mechanismen und Gen-Netzwerke erkennen, die bestimmten Merkmalen zugrunde liegen“, erklärt Botterman. Denn Eigenschaften wie eine bessere Photosynthese-Leistung oder Nährstoffaufnahme setzen sich meist aus einem komplexen Geflecht mehrerer Gene zusammen. Sind solche Netzwerke erst einmal identifiziert, können sie auch bei anderen Pflanzen diagnostiziert werden - und wertvolle Züchtungshinweise geben. „Mit der molekularen Markeranalyse können wir zudem nach mehreren Genen und damit Eigenschaften in einer Pflanze fahnden“, so Benjamin Laga, einer der Gruppenleiter des Genetik-Teams von Bayer CropScience in Gent. Dadurch erhalten die Pflanzenforscher einen genetischen Fingerabdruck, der die Merkmale einer Pflanze individuell charakterisiert - so wie ein Barcode ein Produkt kennzeichnet.

Der Vorteil der Markeranalyse: Sie funktioniert bereits an jungen Keimlingen. Um beispielsweise zu erkennen, ob die Fasern einer Baumwollpflanze besonders stark, lang und fein sein werden, genügt es, ein Stück vom Stängel oder ein Blatt mit ins Labor zu nehmen. „Eine derart gezielte Selektion spart enorm viel Entwicklungszeit, Platz im Gewächshaus und auf den Versuchsfeldern - und damit auch Geld“, erklärt Dr. Jan van den Berg, Globaler Leiter Molekulare Züchtung bei Nunhems, einen ökonomischen Aspekt der molekularbiologischen Pflanzenzüchtung. Die molekularen Marker ermöglichen eine enorme Vielfalt an neuen Sorten. So hat Nunhems mehr als die Hälfte seiner 2.500 Sorten an Gemüsesaatgut allein in den vergangenen sechs Jahren entwickelt: „Die Nachfrage nach mehr Ertrag, aber auch nach Qualitätsmerkmalen wie neuen Geschmacksrichtungen oder mehr Aroma steigt“, sagt Paul Degreef, Globaler Leiter Züchtung bei Nunhems.


Gezielte Evolution im Erbgut

Damit die Biotechnologen gezielt nach Genen suchen können, müssen sie das Erbgut genau verstehen. Mittlerweile ist der genetische Code von vielen Nutzpflanzen bereits bekannt. Ein Beispiel: Das Erbgut von Raps, das ein Team um Dr. Bart Lambert, Produktforscher für Ölsaaten,bei Bayer CropScience, gemeinsam mit mehreren Partnern entschlüsselt hat. Auf Basis der 30.000 Pflanzengene und mit Hilfe einer weiteren biotechnologischen Methode - dem so genannten „reverse genetics“ - entwickeln die Bayer-Forscher jetzt verbesserte Rapssorten.

Reverse - also rückwärts - heißt diese Methode, weil die Forscher nicht wie bisher vom äußeren Erscheinungsbild einer Pflanze auf verantwortliche Gene schließen. Die Wissenschaftler verändern ein Gen oder Gen-Netzwerk ganz gezielt so, dass die Pflanze ein neues Merkmal erhält. Dazu behandeln sie das Saatgut mit einer Substanz, die Mutationen auslöst, die zufällig über das Erbgut verteilt sind. „Solche Veränderungen passieren auch in der Natur. Aber wir beschleunigen diesen Evolutionsprozess gezielt“, schildert Lambert. Aus Tausenden von mutierten Saatgut-Proben wählen die Wissenschaftler diejenigen aus, die eine vielversprechende Mutation in ihrem Erbgut tragen. Dafür haben die BioScience-Forscher eine schnelle und treffsichere Fahndungsmethode etabliert. Diese vervielfältigt und bestimmt die Abfolge der Erbgutbausteine in einem genau definierten Gen-Abschnitt.


Reißfeste Rapsschoten

Mit „reverse genetics“ möchte Bayer CropScience ein Problem lösen, das viele Landwirte im Rapsanbau beschäftigt: Die Saatkörner fallen oft schon vor der Ernte aus den reifen Rapsschoten auf den Boden und sind damit für die weitere Verarbeitung unbrauchbar. Deshalb entwickeln die BioScience-Forscher Pflanzen, deren Schoten nicht so leicht aufreißen. Sie identifizierten im Erbgut ein bestimmtes Gen. Dieses ist an der Entstehung des Gewebes in der Schote beteiligt und hält die „Verpackung“ der Körner fest zusammen. Wird die Frucht reif, zerfällt dieses Gewebe. Aber unter ungünstigen Bedingungen geschieht das zu früh - und die Saatkörner fallen vorzeitig aus der Schote. Die Pflanzenforscher veränderten die Aktivität des Gens und entwickelten so Rapspflanzen mit reißfesten Schoten.

Die Genforschung hat die moderne Züchtung revolutioniert: Molekulare Marker und die Fortschritte bei der Erbgut-Entschlüsselung helfen, Pflanzen mit verbesserten Eigenschaften deutlich schneller zu züchten. Der Einsatz der Biotechnologie zur Entwicklung von Sorten mit größerer Widerstandsfähigkeit gegen Krankheiten, Schädlinge oder Klimastress hat auch einen großen Einfluss auf die Entwicklung einer nachhaltigen Landwirtschaft. Der Rohstoff- und Energiebedarf lässt sich erheblich verringern, weil weniger Dünge- und Pflanzenschutzmittel mit Maschinen auf die Felder gebracht werden müssen oder die Pflanzen selbst mit weniger Wasser auskommen. (Bayer CropScience)
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Kommentare 
JSchilling schrieb am 27.02.2011 14:08 Uhrzustimmen(44) widersprechen(50)
Es erstaunt mich sehr, dass Bayer-CropScience Pflanzen entwickeln will, die weniger Pflanzenschutzmittel benötigen sollen. Die Gentechniker aller Firmen versprechen dies allerdings auch seit mehr als 20 Jahren. In der Praxis hat sich aber gezeigt, dass genau das Gegenteil der Fall ist und der Einsatz von PS-Mitteln in GVO-Kulturen stark zugenommen hat. Auch die Ankündigung von Pflanzen, die gegen Frost, Dürre, Krankheiten usw widerstandsfähig sein sollen sind bis jetzt Ankündigungen geblieben. Das Zusammenspiel der verschiedenen Gene ist doch reichlich kompliziert und bei weitem noch nicht entschlüsselt. Wer allerdings glaubt, dass die Mehrproduktion der Schlüssel zu einer funktionierenden Welternährung ist, der sollte schleunigst mal den Weltagrarbericht lesen, der im Auftrag der UNO von zahlreichen Wissenschaftlern erstellt wurde.
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