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25.02.2012 | 07:15 | Genpflanzen-Anbau 

Politisches Tauziehen um Gentechnik-Mais: Frankreich will neues Anbauverbot

Aachen - Die französische Regierung verlangt von der EU-Kommission, das Verfahren für die Neu-Zulassung des gentechnisch veränderten MON810-Maises solange auszusetzen, bis neue wissenschaftliche Zweifel an seiner Umweltsicherheit ausgeräumt sind.

Maisfeld
(c) proplanta
Mit einem politischen Schachzug versucht die französische Regierung, das 2008 verhängte Anbauverbot aufrecht zu erhalten, obwohl es der Europäische Gerichtshof und das oberste französische Verwaltungsgericht für unrechtmäßig halten. Bereits Ende Januar hatte Monsanto erklärt, den Verkauf von MON810-Saatgut in Frankreich unabhängig vom Fortbestand des Anbauverbots einzustellen.

Derzeit bereitet die EU-Kommission die Entscheidung über die nach zehn Jahren für alle GVO-Produkte fällige Wieder-Zulassung für den Anbau von MON810-Mais vor. Die neue, auf Basis aktueller wissenschaftlicher Untersuchungen durchgeführte Sicherheitsbewertung schloss die dafür zuständige Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) bereits 2009 ab. Die Behörde kann keine wissenschaftlichen Gründe erkennen, um eine Zulassung zu verweigern.

Dennoch verlangt die französische Regierung nun, das Zulassungsverfahren auszusetzen und vorerst keine Entscheidung zu treffen. Es gebe neue wissenschaftliche Untersuchungen, so Umweltministerin Nathalie Kosciusko-Morizet, die auf "signifikante Umweltrisiken" hindeuteten. Dazu verweist sie auf die EFSA-Stellungnahme zum Bt11-Mais, in der bisher nicht entkräftete Risiken für Schmetterlinge erwähnt würden. Bt11 und MON810 produzieren ein gegen Schadinsekten wie den Maiszünsler gerichtetes Bt‑Protein.

Doch tatsächlich sagt der EFSA-Bericht etwas anderes aus: Zwar ist die in den beiden gv-Maissorten verwendete Variante des Bt-Proteins erwartungsgemäß auch für andere Schmetterlingsarten schädlich. Doch, so der EFSA-Bericht weiter, kommen unter natürlichen Bedingungen die Schmetterlingslarven mit dem Bt-Protein kaum in Kontakt. Die Pollenmenge und damit die Menge an Bt-Protein, die sie aufnehmen ist viel zu gering, um bei ihnen Schäden hervorrufen zu können. Außerdem fällt das besonders empfindliche Larvenstadium meist nicht in die Zeit der Maisblüte. Nach den Modellrechnungen, auf die sich auch die EFSA-Bewertung stützt, ist etwa bei Kohlmotten mit einer erhöhten Sterblichkeit von 0,3 bis 0,8 Prozent zu rechnen, wenn in einer Region Bt-Mais angebaut würde. Die Kohlmotte ist eine Schmetterlingsart, die im Laborversuch besonders empfindlich auf Bt-Protein reagiert.

Trotz der wissenschaftlich dünnen Begründung fordert die französische Regierung die EU-Kommission auf, das Zulassungsverfahren für MON810-Mais zu unterbrechen. Andersfalls werde Frankreich sich auf den Safeguard-Clause berufen und ein nationales Anbauverbot für MON810 verhängen.

Die EU-Verträge räumen den Mitgliedsstaaten dieses Mittel ein, wenn es notwendig sein sollte, aufgrund neuer Erkenntnisse rasch wirksame Maßnahmen zum Schutz von Mensch und Umwelt zu ergreifen. Doch dafür hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) strenge Maßstäbe angelegt. Allein ein "hypothetisches Risiko einer Schädigung" reiche nicht aus, um eine Sofortmaßnahme zu begründen, so der EUGH in seinem Urteil, mit dem er das 2009 erlassene Anbauverbot für MON810-Mais in Frankreich als unrechtmäßig zurückwies. Es müsse vielmehr "eine nicht unbedeutende Wahrscheinlichkeit des Eintritts dieser Schäden bestehen". Außerdem sei ein Mitgliedsstaat zunächst verpflichtet, die EU-Kommission anzurufen. Erst wenn diese untätig sei, dürften nationale Sofortmaßnahmen ergriffen werden.

Genau das macht nun Frankreich. Denn folgt die Kommission der Aufforderung nicht, wird Frankreich die Safeguard-Karte ziehen und erneut ein nationales Anbauverbot aussprechen.

In jedem Fall bleibt der Anbau von MON810 in Frankreich auch 2012 verboten. Präsident Nicolas Sarkozy hat damit ein für seinen Wahlkampf brisantes Thema rechtzeitig entschärft.

Dabei hat Monsanto an der Vermarktung von MON810-Saatgut längst kein Interesse mehr. Ende Januar hatte das Agro-Biotech-Unternehmen öffentlich erklärt, den Verkauf in Frankreich unabgängig vom Fortbestand des Anbauverbots einzustellen. (TransGen)
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