Vorsprung durch Wissen
Das Informationszentrum für die Landwirtschaft
06.02.2022 | 10:11 | Antibiotikaeinsatz 

Antibiotikaminimierung führt nicht auf null

Berlin - Gegen überzogene Erwartungen an die Reduzierung des Antibiotikaeinsatzes in der Tierhaltung spricht sich der Deutsche Bauernverband (DBV) aus.

Antibiotikaeinsatz
Bauernverband: Im Sinne des Tierschutzes und der Eindämmung eines Infektionsgeschehens ist Antibiotika-Abschaffung „weder hilfreich noch vertretbar“. (c) Peter Hermes Furian - fotolia.com
Bei einer Antibiotikaminimierung im Rahmen des One-Health-Ansatzes gehe es nicht darum, den Einsatz auf null zu reduzieren, so der DBV in seiner Stellungnahme zu den vom Bundeslandwirtschaftsministerium vorgelegten Eckpunkten für ein nationales Antibiotikaminimierungskonzept.

Dies sei im Sinne des Tierschutzes und der notwendigen Eindämmung eines Infektionsgeschehens „weder hilfreich noch vertretbar“. Der Bauernverband begrüßt, dass sich das Agrarressort weiter auf die Erhebung der bundesweiten Kennzahlen 1 und 2 stützt.

Eine vorgesehene zusätzliche Kennzahl 3 sei nur bei einem Strategiewechsel sinnvoll, wenn sich die Antibiotikaminimierung auf die oberhalb dieser Kennzahl liegenden Betriebe konzentriere. Anderenfalls führe die neue Kennzahl 3 zu einer weiteren unnötigen Dokumentationspflicht. Unbedingt erhalten bleiben sollte dem DBV zufolge die weitere Einbindung der QS Qualität und Sicherheit GmbH, die bislang als Schnittstelle zwischen Tierhalter, Tierarzt und staatlicher Antibiotika-Datenbank fungiert.

Gemäß dem Eckpunktepapier soll als neues Element neben dem mit der 16. AMG-Novelle eingeführten Benchmarksystem die „Beobachtung“ eingeführt werden. Zentraler Baustein ist die halbjährliche Erfassung von Daten zu jeder Behandlung von Rindern, Schweinen, Hühnern und Puten mit antimikrobiellen Arzneimitteln, und zwar unabhängig von deren Nutzung oder der Größe des Bestandes. Die Meldepflicht dieser Daten soll künftig beim Tierarzt liegen.

Insgesamt positiv

Trotz einer Reihe von Nachbesserungsforderungen wertet der Bauernverband das Eckpunktepapier insgesamt positiv. Er bescheinigt dem Bundeslandwirtschaftsministerium, es habe die Erkenntnisse aus der Evaluierung im Rahmen der 16. Novelle des Arzneimittelgesetzes (AMG) berücksichtigt. Gleichzeitig fordert der DBV Nachbesserungen.

Dazu zählt die Gewichtung von bestimmten Wirkstoffen, die für die Humanmedizin von besonderer Bedeutung sind, bei der Berechnung der betrieblichen Therapiehäufigkeit. Die vorgesehene Multiplizierung der Behandlungstage dieser kritischen Wirkstoffe mit dem Faktor 5 führe bei den tierhaltenden Betrieben zu einem deutlichen Anstieg der individuellen Therapiehäufigkeit, ohne dass die Auswahl der verabreichten Wirkstoffe von ihnen beeinflusst werden könne. Ohnehin sei die Anwendung dieser Antibiotika streng reglementiert.

Lückenhafte Dokumentationspflicht

Kritisch äußerten sich hingegen die Deutsche Umwelthilfe (DUH), Germanwatch und die Initiative „Ärzte gegen Massentierhaltung“. Ihrer Auffassung nach enthält das Eckpunktepapier „alte Fehler in neuem Gewand“. Insbesondere fehle es an konkreten Reduktionszielen für den Einsatz von Antibiotika und einem Verbot der besonders wichtigen Reserveantibiotika.

Stattdessen setze das Bundeslandwirtschaftsministerium auf bekannte Maßnahmen der alten Bundesregierung. „Solange Tierärzte und -halter nur angeben müssen, wie oft sie Antibiotika verabreichen, aber nicht in welcher Dosis, wird sich der Antibiotikaeinsatz nicht weiter reduzieren“, mahnte DUH-Agrarexpertin Reinhild Benning. Die vorgeschlagenen Maßnahmen basierten auf einer lückenhaften Dokumentationspflicht, die bereits 2020 versagt habe.

In Deutschland würden je Kilogramm Tiergewicht doppelt so viele Antibiotika verbraucht wie in Dänemark. Alle Antibiotikaeinsätze müssten in Dosis erfasst und ein zu hoher Einsatz geahndet werden. „Wer mehr als 50 mg Antibiotika je Kilogramm Tiergewicht verbraucht, sollte seine Tiere gesünder halten oder seine Tierzahl erheblich reduzieren müssen“, so Benning.
AgE
Kommentieren
weitere Artikel

Status:
Name / Pseudonym:
Kommentar:
Bitte Sicherheitsabfrage lösen:


  Weitere Artikel zum Thema

 In der Corona-Pandemie wurden zu oft Antibiotika verschrieben

 33 Rinder verendet - Zwei Jahre Bewährung für Landwirt

 Großbrand in Schweinemastanlage - Polizei schließt Brandstiftung aus

 Mehr Schweine geschlachtet in NRW

 Räumungsklage gegen Schlachthof Aschaffenburg Mitte Mai vor Gericht

  Kommentierte Artikel

 Tag des Wolfes - Bauern machen Druck für vereinfachten Abschuss

 Erleichterungen bei GAP-Anträgen und Hanfanbau

 In der Corona-Pandemie wurden zu oft Antibiotika verschrieben

 Jäger sehen dringenden Handlungsbedarf bei Umgang mit Wölfen

 Söder setzt sich gegen Verbrenner-Aus ab 2035 ein

 2023 war Jahr der Wetterextreme in Europa

 Wind- und Freiflächen-Solaranlagen: Niedersachsen führt Abgabe ein

 Keine Reduzierung beim Fleischkonsum durch Aufklärung

 Größter Solarpark von Rheinland-Pfalz eröffnet

 Gipfelerklärung der EU setzt auf Lockerungen für Landwirte