Die ostdeutschen Küstenfischer setzten im vergangenen Jahr 6,1 Millionen Euro um, im Jahr davor waren es noch 8,3 Millionen Euro. Zwar stiegen die Preise pro Kilogramm Hering. Doch durch die extrem zusammengestrichenen Fangmengen beim «Brotfisch» Hering blieb für jeden Einzelnen nur wenig übrig.
Allein seit 2007 haben sich die Fänge halbiert
Doch es könnte noch schlimmer kommen. Einen Tag vor dem Verbandstag, an dem sich die Fischer erfahrungsgemäß mit deftigen Worten ihren Frust von der Seele reden, fordern Wissenschaftler für weitere drei Jahre drastische Einschnitte bei den Fangmengen. Zwar seien 2009 im Greifswalder Bodden, der Kinderstube des westlichen Heringsbestandes, erstmals seit fünf Jahren wieder mehr Jungtiere registriert worden. Diese müssten jedoch erst heranwachsen, um einen stabilen Heringsbestand garantieren zu können, sagt der Fischereibiologe Christopher Zimmermann vom Institut für Ostseefischerei in Rostock.
Er hält Kürzungen um weit über 20 Prozent für erforderlich
«Wir sind noch nicht über dem Berg», sagt er. Festgelegt werden die Fangquoten für 2011 von der EU-Kommission. Dass es zu erneuten Kürzungen kommen wird, scheint sicher. Grundlage für die Brüssler Festlegung sind die Empfehlungen des wissenschaftliches Rates ICES, der Ende Juni seinen Bericht veröffentlichen wird. In dem Gremium sitzen auch Biologen des Instituts für Ostseefischerei. «Für uns ist eine solche Kürzung fatal», sagt Kahlfuß fassungslos.
Seit Jahren spüren die Fischer die Folgen der rigiden EU-Fischereipolitik
Im politischen Gerangel um Quoten fühlen sie sich machtlos. Im Gegensatz zu den Umweltschützern hätten sie keine gleichwertige Lobby in Brüssel, beklagt Kahlfuß. Den wissenschaftlichen Untersuchungen der Biologen setzen die Fischer ihre Erfahrungen entgegen. Und die sagen: Es gibt ausreichend Hering an der Ostseeküste. Weil in diesem Jahr so viel Hering vor der Küste schwamm, habe man mit deutlich weniger Netzen mehr Fisch fangen können. «Unsere Beobachtungen stimmen einfach nicht mit den Ergebnissen der Wissenschaft überein», sagt Kahlfuß. Allein im vergangenen Jahr hängten an der mecklenburg-vorpommerschen Küste mehr als 20 Fischer ihre Netze an den Nagel - nicht nur aus Altersgründen.
«Von der Fischerei lässt sich immer schlechter leben», sagt Kahlfuß
Die Zahl der Berufsfischer schrumpfe immer schneller. «Viele haben sich von Jahr zu Jahr gehangelt und ziehen nun die Reißleine.» Denn von den Einnahmen blieben kaum Gewinne übrig: Die Jahreserlöse der landesweit noch 256 Küstenfischer lägen im Schnitt bei unter 24.000 Euro. Davon müssten die gesamten Betriebskosten wie Schiffsdiesel, Netze, Versicherungen, Reparaturen, Hafengebühren und Sozialbeiträge bezahlt werden. Viele Fischer haben inzwischen ein zweites Standbein, vermieten Ferienwohnungen oder vermarkten den Fisch direkt am Kutter, um überleben zu können.
Die Fischereiflotte, so nostalgisch sie auf Touristen wirken mag, ist überaltert
Weil den Fischern das Geld fehle, würden Investitionen so lange es die Sicherheit erlaubt hinausgeschoben, sagt Kahlfuß. Zudem stünden die Fischer bürokratischen Anforderungen gegenüber, die sie nicht bewältigen könnten. Kahlfuß verweist auf die Forderung, den Kutter mit einem speziellen Feuerschutzanzug ausrüsten. «Den setzt selbst die Feuerwehr nicht ein, weil er zu unhandlich ist.»
Eine offene Flanke für den Missmut der Fischer bieten die Biologen selbst. Noch immer ist unklar, warum es fünf Jahre lang zu den drastischen Einbrüchen bei der Jungheringspopulation kam. Im vergangenen Jahr favorisierten die Forscher die These, ein Pilz könnte zum Absterben des Laichs geführt haben. Doch gerade in jenem Jahr zählten die Biologen wieder mehr Heringsnachwuchs. Auch an der Nahrungsmenge kann es nicht liegen. Die blieb laut den Forschern nahezu unverändert. Möglicherweise stimme aber die Nahrungsqualität nicht, sagt Zimmermann. Die Fische fräßen zwar ausreichend, bekämen aber nicht die erforderlichen Nährstoffe. Inzwischen verfolgen die Wissenschaftler eine weitere These: Fressfeinde wie die Eisenten, denen es inzwischen im Bodden aufgrund der Schutzmaßnahmen gut geht, könnten sich an den kleinen Heringen laben. (dpa)
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