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08.04.2013 | 11:40 | Urzeit-Fische 

Langzeitversuch: Bald wieder Störe in der Oder

Hohensaaten/Born - Störe sind lebende Fossilien. Der Mensch hat es geschafft, die Urzeit-Fische fast auszurotten. Nun soll der Stör wieder in Oder und Ostsee heimisch werden - wie eine späte Wiedergutmachung.

Stör
(c) thomas hasenberger - fotolia.com
Der Stör hat nicht nur wegen seines edlen Kaviars eine besondere Bedeutung für den Menschen. Der bis zu vier Meter lange Fisch ist auch ein «lebendes Fossil», das bereits vor 200 Millionen Jahren die Gewässer bevölkert hat. Doch von den weltweit 27 bekannten Arten des Störs sind vor allem wegen Umweltverschmutzung und Überfischung alle gefährdet oder vom Aussterben bedroht. Das soll sich ändern - zum Beispiel mit einem aufwendigen Wiederansiedlungs-Programm an der Oder.

Seit 1994 kümmert sich die Rostocker Gesellschaft zur Rettung des Störs um die Wiederansiedlung des Wanderfisches. Bereits 2012 wurden in der Oder und ihren Zuflüssen bis zu 230.000 Jungstöre ausgesetzt. Es sind Baltische Störe, bei denen es nicht um Kaviar geht - und auch noch nicht um einen Nutzen für die Fischerei. Es geht darum, den Fisch in Oder und Ostsee langsam wieder heimisch zu machen. Denn Störe sind Meeresfische, die zum Laichen in Süßgewässer aufsteigen - gern in Flüsse.

Nun geht es weiter im Programm. An diesem Montag werden bei Hohensaaten (Brandenburg) erneut 200 rund 60 Zentimeter lange und ein Jahr alte Störe in die Oder ausgesetzt. «Die Fische wiegen bis zu einem Kilo und sind im Sommer doppelt so schwer», prognostiziert Carsten Kühn von der Landesforschungsanstalt für Landwirtschaft und Fischerei in Born auf dem Darß.

Kühn und seine Kollegen hoffen, dass sie ein paar der Störe nochmals zu Gesicht bekommen. Denn die Fische tragen an der Rückenflosse eine gelbe Plastikmarke mit einer Nummer. Wenn ein Fischer einen Stör fängt, soll er ihn vermessen, fotografieren und zurück ins Wasser werfen. «Als Anreiz gibt es eine Fangprämie zwischen 10 und 25 Euro», sagt Kühn. Für andere Tiere, die einen Sender tragen, kann es sogar bis zu 100 Euro geben. Dass sich das Projekt zur Erhaltung des Störs zumindest gut entwickelt, zeigen die häufigen Fangmeldungen bis hin zur Ostsee. Einzelne Fische seien schon mehrmals in einem Netz gelandet, berichtet Kühn.

Auf dem Darß tummeln sich in zwei ehemaligen Hafenbecken 30 Laichstöre. Sie sind etwa 2,50 Meter groß und wiegen bis zu 100 Kilo. In den vergangenen Jahren wurden bereits Millionen Dottersacklarven in Gewässern ausgesetzt, kleine, nicht schwimmfähige Larven mit einem Dotter-Nährstoffdepot. Sie können in diesem Alter an ein Gewässer gewöhnt werden (Prägung) und kommen im besten Fall später zum Laichen dorthin zurück. «Wir hoffen, dass es ein paar Prozent wirklich schaffen», sagt Kühn.

Denn die Wissenschaft ist sich uneins, ob es für die Prägung reicht, heranwachsende Fische auszusetzen. Sie schwämmen in die Ostsee und streunten dort herum, bis sie alt genug seien, zu ihren Laichgründen zurückzukehren, sagt Kühn. Die Frage ist nur, ob sie dann wirklich wieder in die Oder schwimmen. Es wird dauern, das zu klären. Denn die Tiere haben - aus Sicht des Menschen - einen gravierenden Nachteil: Sie brauchen rund 20 Jahre, bis sie sich fortpflanzen können.

Kühn rechnet deshalb damit, dass es noch 20 bis 30 Jahre dauert, bis in der Oder ein Stör-Bestand entsteht, der sich selbst reproduzieren kann. Es ist ein Langzeit-Versuch. Christopher Zimmermann vom Rostocker Thünen-Institut für Ostseefischerei hält die Bemühungen zur Wiederansiedlung aber für aussichtsreich. Anders als Aale ließen sich Störe in Gefangenschaft vermehren. Sie unternähmen auch nicht notwendigerweise so weite Wanderungen in Süßgewässern, bei denen die Routen nicht selten auch noch vom Menschen verbaut sind.

«Vielleicht ist der Stör irgendwann sogar wieder als fischereiliche Ressource interessant - das dürfte aber noch dauern, auch wenn weiterhin viele Störe ausgesetzt werden», sagt Zimmermann. Baltischen Störe sind aber nicht wegen ihres Kaviars interessant. Wenn es überhaupt um eine künftige wirtschaftliche Bedeutung gehen sollte, dann wegen ihres Fleisches. Denn im Unterschied zum Europäischen Stör sind bei Baltischen Stör die Eier kleiner und uneinheitlich schwarz-grau gefärbt.

Der Geschäftsführer des Landesanglerverbandes Mecklenburg-Vorpommern, Axel Pipping, freut sich, dass der Stör möglicherweise bald wieder heimisch wird. «Er gehört als Raubfisch ins Ökosystem», betont er. Er bereichere die Artenvielfalt und zeige auch, dass die Bemühungen zur Verbesserung der Umwelt Erfolge zeigen. Er rechnet damit, dass Störe die durch die Verringerung der Artenvielfalt in Massen auftretenden Brachsen oder Plötzen zurückdrängen. Er geht davon aus, dass es noch sehr lange dauern wird, bis das Fangverbot für Störe aufgehoben wird. «Bis dahin kann man nur hoffen, dass sich alle dran halten.»
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