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01.05.2021 | 01:20 | Wolfsmanagement 

Wolf weiter Reizthema in Hessen

Wiesbaden - Mit einem Wolfsmanagementplan und einem neu gegründeten Wolfszentrum will Hessen die Konflikte rund um das Raubtier künftig stärker vermeiden.

Wölfe in Hessen
Die Zahl der nachgewiesenen Wolfsrisse im laufenden Jahr ist nicht sehr hoch. Der Widerstand gegen das Raubtier wegen seiner zunehmenden Ansiedlung im Land bleibt bei den Weidetierhaltern und Bauern stark. (c) proplanta
«Wir sind überzeugt, dass ein konfliktarmes Zusammenleben von Mensch und Wolf gelingen kann und schaffen mit dem neuen Wolfsmanagementplan die Rahmenbedingungen dafür», erklärte Umweltministerin Priska Hinz (Grüne) am Freitag in Wiesbaden. Ziel sei, mit größtmöglicher Aufklärung und Unterstützung der Weidetierhaltung «die Rückkehr des Wolfes transparent und tragbar für alle zu gestalten».

Deutliche Skepsis am Handeln der Landesregierung wird von Hessens Schafzüchtern und dem Bauernverband geäußert. «Wir brauchen ein möglichst frühzeitiges und konsequentes Eingreifen gegen den Wolf, damit er sich von Siedlungen und Weidetieren fernhält, bevor Tiere oder gar Menschen zu Schaden kommen», erklärte der Präsident des Hessischen Bauernverbandes, Karsten Schmal. Der Bestand an Wölfen habe ein Ausmaß erreicht, dass praktikable Regelungen zur Entnahme auffälliger Wölfe längst überfällig seien.

Der Wolf sollte sowohl auf Bundes- wie auch auf Landesebene in das Jagdrecht aufgenommen werden. Sollte es zu Wolfsrissen kommen, seien diese adäquat und vollständig zu entschädigen, mahnte Schmal. Die grundsätzliche Unterstützung der Weidetierhalter durch die Landesregierung sei positiv zu bewerten, allerdings unzureichend.

Die Weidetierhaltung könne nur die Ansiedlung von nicht übergriffigen Wölfen akzeptieren, betonte der Sprecher des hessischen Verbands für Schafzucht und -haltung die Position der Weidetierhalter. Wenn Wölfe übergriffig seien, es ein einmaliges Überwinden des Grundschutzes gebe, müsse das Tier zeitnah entnommen und nicht von der Weidetierhaltung erhöhte Schutzmaßnahmen gefordert werden.

Der aktuell als Grundschutz definierte Herdenschutz sei für die Weidetierhaltung der maximal zumutbare Herdenschutz, erklärte der Verbandssprecher. Die Einrichtung dieses Grundschutzes müsse für jeden Weidetierhalter kostenneutral durch öffentliche Gelder finanziert werden. Derzeit bleibe der Großteil der Schaf- und Ziegenhaltern auf den Kosten des Grundschutzes sitzen.

Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) in Hessen erklärte, dass angesichts der zu erwartenden weiteren Zunahme territorialer Wölfe in Hessen der Managementplan gerade noch rechtzeitig komme. Nun müsse sich in der Praxis zeigen, ob die darin angekündigten umfangreichen personellen und finanziellen Hilfen des Landes von den Weidetierhaltern möglichst unbürokratisch abgerufen werden können.

Beim Herdenschutz geht Prävention vor Reaktion, erklärte BUND-Naturschutzreferent Thomas Norgall. Wölfe müssten möglichst überall lernen, dass Weidezäune Strom führen und Schmerzen verursachen sowie Weidetiere keine leichte Beute sind. Eine Jagdzeit nach dem Jagdgesetz für den Wolf sei dagegen keine Lösung, weil dann wahllos irgendwelche Wölfe erlegt würden. Mittelfristig sollten Herdenschutzmaßnahmen und die finanziellen Hilfen für die Weidetierhaltung bundesweit einheitlich erfolgen.

Im Mittelpunkt des hessischen Wolfsmanagements steht nach den Worten der Ministerin ein Wolfszentrum, das im Hessischen Landesamt für Naturschutz, Umwelt und Geologie (HLNUG) angesiedelt ist. Seit dem Frühjahr 2020 sind inzwischen fünf Wölfe in Hessen sesshaft geworden, vier Wölfinnen und ein Rüde, wie die Ministerin erläuterte. Als sesshaft wird ein Tier bezeichnet, wenn es über einen Zeitraum von sechs Monaten durch genetische Untersuchungen wiederholt in einer Region nachgewiesen wurde. Vorher waren nur einzelne Tiere durch Hessen gestreift.

Die Herausforderungen für die Weidetierhaltung nähmen zu, sagte Ministerin Hinz. Ganz ohne Konflikte werde es nicht gehen. Wichtig sei, dass der Wolf lernt, dass Weidetiere keine leichte Beute seien. Darum sei ein guter Grundschutz für die Herden wichtig, betonte die Ministerin. «Die aktuell fünf Wolfsterritorien in Hessen stellen die dort ansässigen Weidetierhaltungen vor die Herausforderung, ihre Herden bestmöglich zu schützen.»

Das Land unterstütze die Halter in diesen sogenannten Wolfspräventionsgebieten mit einer Million Euro zusätzlich im Jahr - etwa für höhere und stärker elektrifizierte Zäune oder bei der Anschaffung von Herdenschutzhunden.

«Der Wolf ist eines der seltensten Säugetiere in Hessen», sagte HLNUG-Präsident Thomas Schmid. «Es ist gut, dass Wölfe hierher zurückkehren und die Lebensräume wieder besiedeln, in denen sie einst ausgerottet waren.» Er sei davon überzeugt, dass ein friedliches Zusammenleben zwischen Menschen und Wölfen möglich sei - ebenso wie der Interessensausgleich zwischen Weidetierhaltung und Naturschutz, erklärte Schmid.

Das Wolfszentrum ist nach seinen Worten ab sofort zentraler Ansprechpartner für alle fachlichen Fragen rund um den Wolf. Unter anderem gebe es eine Hotline, bei der unter anderem mögliche Sichtungen gemeldet werden können. Außerdem sei ein Online-Meldesystem per Web und App geplant. Laut Schmid wurden im vergangenen Jahr 20 Nutztiere nachweislich von Wölfen gerissen. In diesem Jahr gab es nach Angaben des HLNUG bislang einen Fall mit zwei gerissenen Tieren.

Wolfsichtungen



dpa/lhe
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