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12.03.2011 | 18:17 | Nukleare Katastrophe 

Angst vor Strahlenkatastrophe in Japan

Tokio - Die Welt hat Angst vor einem zweiten Tschernobyl: Eine gewaltige Explosion zerstörte am Samstag Teile des japanischen Atomkraftwerks in Fukushima und verschärfte zusätzlich die Sorge vor einer nuklearen Katastrophe.

Atomunglück
(c) proplanta
Nach dem Erdbeben und dem Tsunami ist das ganze Ausmaß der humanitären Katastrophe in der Unglücksregion noch immer nicht abzusehen.

Offiziell geht die Regierung von rund 1.700 Toten aus. Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation WHO wurden bislang 621 Leichen geborgen, 645 Menschen gelten als vermisst. Etwa 210.000 Menschen verloren ihr Zuhause. Nach japanischen Behördenangaben fehlten allein in der schwer betroffenen Provinz Miyagi am Samstag von 9.500 Menschen jedes Lebenszeichen.

Die Bilder von der Explosion im Kraftwerk Fukushima Eins hatten die Angst vor einer Kernschmelze geschürt. Mit ungeheurer Wucht wurden Trümmer in die Luft geschleudert, große Rauchwolken breiteten sich über der Anlage aus. Nach Angaben des Kraftwerksbetreibers gab es jedoch keinen Schaden am Reaktorgehäuse. Es sei mit keinem großen radioaktiven Leck zu rechnen. Drei Anwohner wurden nach einem Bericht der Nachrichtenagentur Kyodo verstrahlt. Nach dem Beben und dem Tsunami vom Freitag hatte sich die Lage in den benachbarten Atommeilern Fukushima Eins und und Fukushima Zwei durch den Ausfall des Kühlsystems dramatisch zugespitzt.

Unklar war, wie groß die Gefahr einer Kernschmelze war. Japans Premierminister Naoto Kan zeigte sich zwar besorgt über die Lage, sprach aber nicht von einer Kernschmelze. Allerdings hatte die Atomsicherheitskommission schon vor der Explosion davon gesprochen, dass möglicherweise in dem Reaktor eine Kernschmelze ablaufe.

Ein Greenpeace-Sprecher sagte der dpa, dass neben der möglichen Kernschmelze in Block 1 in einem weiteren Kraftwerksblock ein solches Szenario drohe. «Fünf von zehn Reaktoren in Fukushima sind ohne Kühlung», sagte der Sprecher unter Verweis auf Informationen aus der Krisenregion. Angesichts der Verkettung unterschiedlicher Ereignisse sei die Lage womöglich außer Kontrolle. «Es ist dramatisch, weil derzeit scheinbar unkontrolliert Radioaktivität austritt.»

Nach der Explosion hatte die Regierung den Evakuierungsradius um die beschädigten Kernkraftwerke auf 20 Kilometer verdoppelt. Zu der Explosion war es während eines Nachbebens gekommen, wie der Betreiber der Anlage laut Nachrichtenagentur Kyodo berichtete. Der Problemreaktor stand nach Angaben aus einer internationalen AKW-Datenbank kurz vor der Stilllegung.

Aus aller Welt wurde der japanischen Regierung Hilfe angeboten. Bundeskanzlerin Angela Merkel und Bundespräsident Christian Wulff sagten Unterstützung zu. Das Auswärtige Amt riet von nicht erforderlichen Reisen in den Großraum Tokio und den Nordosten Japans ab. Merkel lud zu einem Krisentreffen. Außenminister Guido Westerwelle verließ das EU-Außenministertreffen im ungarischen Gödöllö vorzeitig.

Nach Angaben einer Sprecherin hat das Außenamt bislang keine Hinweise auf deutsche Opfer der Erdbebenkatastrophe. In Japan leben Schätzungen zufolge etwa 5.000 Deutsche, vor allem in den Ballungszentren Tokio, Osaka und Yokohama. Etwa 100 Deutsche befinden sich in der am schwersten von der Naturkatastrophe betroffenen Region im Nordosten der Hauptinsel Honshu.

Laut Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) geht für Deutschland keine Gefahr von dem beschädigte Atomkraftwerk aus. «Wir gehen davon aus, dass eine Gefährdung, eine Beeinträchtigung unseres Landes praktisch ausgeschlossen werden kann», sagte Röttgen in Siegen. Gründe dafür seien die sehr große Entfernung von Japan und die derzeitige Wind- und Wetterlage. Nach den Worten Röttgens mehren sich die Anzeichen für eine Kernschmelze in dem beschädigten Reaktor.

In Deutschland wird nach dem Reaktorunfall über Konsequenzen gestritten. SPD, Grüne und Linke erinnerten an die jüngste Laufzeitverlängerung für deutschen Atommeiler und betonten, die Kernkraft sei auch hierzulande nicht beherrschbar. Oppositionspolitiker, Verbände und Initiativen forderten, die deutschen Anlagen baldmöglichst abzuschalten. Zehntausende Atomkraftgegner demonstrierten mit einer Menschenkette von Stuttgart zum Kernkraftwerk Neckarwestheim für einen sofortigen Atomausstieg.

Einen Tag nach dem Beben der Stärke 8,9 und dem verheerenden Tsunami, der bis weit ins Land hinein Schiffe, Häuser, Autos und Menschen mitgerissen hatte, hielten Nachbeben die Bewohner selbst in weit vom Epizentrum entfernten Gegenden in Atem. Die US-Wissenschaftsbehörde United States Geological Survey (USGC) registrierte seit Freitag allein 25 Beben ab der Stärke 6. Hinzu kamen über 150 schwächere Nachbeben. Auch das Ausmaß der Schäden wurde sichtbar. Tausende Häuser waren zerstört, Raffinerien brannten.

Das japanische Fernsehen zeigte Bilder von großflächigen Überschwemmungen an der Küste. Viele Menschen verbrachten die eiskalte Nacht frierend im Freien auf den Dächern umfluteter Häuser. Rund 21.000 Menschen wurden auch am Samstag noch in Notunterkünften versorgt.

Das gewaltige Beben hatte Japan am Freitag gegen 14.45 Uhr Ortszeit (6.45 Uhr MEZ) erschüttert. Im gesamten Pazifikraum waren danach in etwa 50 Ländern zeitweise Tsunami-Warnungen ausgelöst worden. In Kalifornien wurde ein junger Mann von der Welle mitgerissen und ertrank. In Ecuador waren mehr als 260.000 Menschen aus küstennahen Regionen in Sicherheit gebracht worden, in Chile wurden ebenfalls Zehntausende Bewohner aus tief gelegenen Küstenstrichen in höheres Gelände gebracht. In Indonesien tötete der Tsunami einen Menschen und zerstörte etliche Häuser.

Die katholische Hilfsorganisation Caritas International rief ebenso wie die Diakonie Katastrophenhilfe zu Spenden auf und stellte zudem 50.000 Euro Soforthilfe zur Verfügung. Auch andere Hilfsorganisationen bereiten Einsätze in Japan vor.

Nach Angaben von Wissenschaftlern hat das Erdbeben mit seiner Wucht große Landmassen verschoben und den Lauf der Welt verändert. Die japanische Hauptinsel sei um 2,4 Meter verrückt worden, sagte Kenneth Hudnut von der US-Geologiebehörde dem Fernsehsender CNN. Das italienische Institut für Geophysik und Vulkanologie ermittelte nach eigenen Angaben außerdem, dass das Beben die Achse der Erdrotation um rund 10 Zentimeter verschoben hat. Das wäre wahrscheinlich die größte Verschiebung durch ein Erdbeben seit 1960, als Chile erschüttert wurde. (dpa)
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