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10.01.2010 | 04:08 | UN-Jahr der Artenvielfalt  

Der schwerfällige Kampf gegen das Artensterben

Berlin - Tiger, Eisbären, Pandas, Haie und Nashörner kämpfen um ihr Überleben, weil Menschen ihren Lebensraum zerstören.

Der schwerfällige Kampf gegen das Artensterben
(c) proplanta
In Deutschland gibt es nur noch wenige Feldhamster, Uhus, Kiebitze, Feldlerchen und Springfrösche. Weil das Artensterben zu einem immer dringlicheren Problem wird, hat die Vollversammlung der Vereinten Nationen (UN) das Jahr 2010 zum «Internationalen Jahr der biologischen Vielfalt» ausgerufen. Am Montag wollen Bundeskanzlerin Angela Merkel und der neue Umweltminister Norbert Röttgen (beide CDU) in Berlin den Auftakt feiern. Pläne für die Bekämpfung des Artensterbens in Deutschland liegen schon lange in der Schublade, doch die Regierung setzt sie nicht in die Tat um, kritisieren Umweltschützer.

«Der Verlust der biologischen Vielfalt zählt neben dem Klimawandel zu den zentralen Herausforderungen unserer Zeit», schreibt Röttgen auf der Internetseite seines Ministeriums. «Wir müssen weg vom Reden und hin zum Handeln», fordert Artenschutzexperte Magnus Wessel vom Naturschutzbund (NABU). «Das Problem ist seit einer halben Ewigkeit bekannt. Es ist höchste Eisenbahn.» Schon im Jahr 2007 schrieb Deutschland sich eine «Nationale Strategie zur biologischen Vielfalt» auf die Fahnen. «In der Strategie steht alles drin, aber die Bundesregierung macht nichts», bemängelt Ulrike Fokken, Sprecherin der Deutschen Umwelthilfe (DUH).

Mehr als ein Drittel aller überprüften Wirbeltierarten in Deutschland steht nach Angaben des Bundesamtes für Naturschutz (BfN) als akut gefährdet auf der Roten Liste, sieben Prozent der Arten sind bereits ausgestorben. Zwar hat sich der Bestand bei bedrohten Arten wie Luchsen stabilisiert, und nach fast 100 Jahren gibt es auch wieder einige wenige Wolfsrudel im Bundesgebiet, insgesamt bleibt die Situation aber kritisch. «Wir haben das EU-Ziel, den Artentod bis 2010 zu stoppen, nicht erreicht - und das liegt an der Untätigkeit der Regierungen», sagt Fokken. Weltweit sind nach Angaben der internationalen Umweltschutzorganisation IUCN rund 22 Prozent der bekannten und genauer untersuchten Wirbeltierarten bedroht, bei wirbellosen Tieren wie Insekten sind es sogar 35 Prozent.

Der Hauptgrund für diesen teils dramatischen Rückgang der Artenvielfalt ist hausgemacht. Der natürliche Lebensraum der Tiere - und auch vieler Pflanzen - wird zerstört. Der Klimawandel belastet die Fauna zusätzlich. Die Bundesregierung muss nach Ansicht der Umweltschützer zum Beispiel mehr Naturschutzgebiete ausweisen, weniger Wiesen zu Ackerflächen machen und Flüsse nicht mehr begradigen. Bei jedem neuen Bauprojekt von Straßen oder Häusern müsse auch der Artenschutz berücksichtigt werden, fordert Fokken.

Und auch die Rolle der Landwirtschaft wird von den Naturschützern überaus kritisch betrachtet. «Die Landwirtschaft ist der größte Artenkiller - das muss man sich bewusst machen», sagt WWF-Sprecher Jörn Ehlers. Der Feldhamster sei in Deutschland vor allem deshalb bedroht, weil dort, wo er sonst über Felder und Wiesen lief, heute Traktoren fahren und Mais angebaut wird. Im Vergleich zu 2008 gibt es nach DUH-Angaben mindestens 100.000 Feldlerchenpaare weniger, weil ihr Lebensraum durch die Produktion von Biosprit zerstört wurde.

Auch für die globale Artenvielfalt könne Deutschland sich nach WWF-Ansicht deutlich stärker einsetzen. «Ein erster Schritt wäre, den illegalen Holzhandel unter Kontrolle zu bringen und den Handel mit Tropenhölzern zu verbieten», fordert Ehlers. Außerdem solle der Handel mit Früchten oder Gemüse, die auf Plantagen auf einem abgeholzten Regenwaldgebiet angebaut wurden, unterbunden werden. Die tropischen Wälder sind das Zuhause unzähliger bedrohter Tiere wie des Orang-Utans.

Der Direktor des Internationalen Tierschutzfonds IFAW, Ralf Sonntag, macht sich vor allem Sorgen um die Meeresbewohner. Er kämpft für das Überleben der Schweinswale in der Nordsee. Die Tiere leiden unter Meereslärm, der vor allem von schweren Tankern verursacht wird. Haien, deren Bestand sich nach IFAW-Angaben um bis zu 90 Prozent reduziert hat, wird die asiatische Vorliebe für Haifischflossensuppe zum Verhängnis. Doch auch hierzulande solle jeder Einzelne sein Konsumverhalten überdenken, keine bedrohten Fischarten wie Aal essen und stärker zu heimischen Bio-Produkten greifen, fordert NABU-Experte Wessel.   

Wenn eine Art vom Erdboden verschwindet, bedeutet das eine Gefahr für das biologische Gleichgewicht. Das zeigt sich besonders deutlich am Beispiel des Bienensterbens. In Deutschland gingen im vergangenen Jahr ganze Bienenvölker auch deshalb zugrunde, weil verstärkt Pflanzenschutzmittel benutzt wurden. «Bienen bestäuben 60 - 70 Prozent aller Pflanzen. Das Bienensterben kann dann zu Kettenreaktionen führen», warnt Ehlers. «Das Artensterben ist eine genauso große Bedrohung wie der Klimawandel.» (dpa)
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