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01.08.2023 | 06:08 | Bedrohte Tierwelt 

Stress im Gewässer - Ideen gegen Hitze, Wasser- und Sauerstoffmangel

Würzburg/Regensburg - Die Menschen ächzen in diesem Sommer mal wieder unter der Hitze, doch wie es den Lebewesen in Main, Donau, Isar und Co. geht, bleibt den meisten Landbewohnern verborgen.

Karpfen
Tropenhitze, kaum Regen, immer weniger Wasser in den Flüssen: Den heimischen Tieren in den Gewässern geht es peu à peu schlechter. Die Suche nach Rückzugsräumen kommt zunehmend einem Überlebenskampf gleich. Ohne Eingreifen werden bestimmte Arten verschwinden. (c) proplanta
Nicht nur die steigenden Temperaturen und der damit abnehmende Sauerstoffgehalt in Bayerns großen Flüssen sind ein Problem. Hinzu kommt das stetig weniger werdende Wasser, das auch noch durch Staustufen gebremst mit immer geringerer Geschwindigkeit flussabwärts fließt. Landwirte, Winzer, Sportplatzbetreiber und Kommunen brauchen Flusswasser zum Gießen, die Industrie zur Kühlung. Und dann ist da noch die Binnenschifffahrt - alles zusammen ein gefährliches Potpourri für Tiere und Pflanzen.

«Erfahrungsgemäß ist ab Mitte Juli bis Mitte August die schlimmste Zeit», sagt Gewässerökologin Eva-Barbara Meidl von der Wasserwirtschaft der Regierung von Unterfranken. «Die Niedrigwasserphasen gehen zum Teil bis in den November rein.» Daher heißt es: beobachten, überwachen etwa durch im Wasser versenkte Forschungskörbe, bei Bedarf dann handeln.

Über Wassertemperatur und Sauerstoffgehalt von Main und Donau wissen die zuständigen Bezirksregierungen von Unterfranken und der Oberpfalz dank vieler Messstationen relativ gut Bescheid. Spitzt sich die Lage zu, erlauben Alarmpläne konkrete Maßnahmen. Das betrifft etwa das Einleiten von Kühlwasser durch die Industrie oder das Betreiben von Kläranlagen durch die Kommunen, wie ein Sprecher der Regierung der Oberpfalz in Regensburg erläutert. Auf sauerstoffzehrende Baggerarbeiten soll möglichst verzichtet werden. Wasserkraftanlagen könnten zudem ihre Turbinenbelüftungen anschalten und dadurch Sauerstoff eintragen.

Für Andreas Gugel, Obmann der Berufs- und Nebenerwerbsfischer am Main im Fischereiverband Unterfranken, ist vor allem die unkontrollierte Wasserentnahme aus den Flüssen ein großes Problem, denn weniger Wasser bedeute schnellere Erwärmung und damit weniger Sauerstoff - ein Problem für viele Fische und andere Tiere wie Muscheln.

«Wir wissen nicht, wie viel Wasser entnommen wird», kritisiert Gugel. Da die Ressource aber immer knapper werde, müsse priorisiert werden, welche Wasserwünsche vorrangig bedient werden könnten: «Ist es der Luxus, sprich der grüne Rasen? Ist es der Genuss, sprich der Wein, möglicherweise der preiswerte Wein? Oder ist es das Lebensmittel, das hier in dieser Region einfach ansässig ist?» Auch der Mais, der letztlich in einer Biogasanlage lande, brauche Wasser. «Teil der Strategie muss sein, zu überlegen, was die Gesellschaft will», sagt Gugel.

Franken zählt zu den trockensten Regionen Deutschlands. Um negative Auswirkungen auf den Wasserhaushalt zu minimieren, appelliert der Landkreis Würzburg an die Bürger, Wasser zu sparen. «Entnahmen von Grundwasser sind zudem erlaubnispflichtig», heißt es. Dennoch sollte jeder überlegen, ob es nicht auch andere Möglichkeiten gebe wie Zisternen zur Gartenbewässerung, wassersparende Duschköpfe oder stets vollständig befüllte Waschmaschinen und Geschirrspüler - all dies spare Wasser.

Um die Flüsse und ihre Nebengewässer zu unterstützen, könnten nach Worten von Gewässerökologin Meidl auch die Landwirte und Grundstücksbesitzer, deren Flächen an die Flussufer reichten, etwas tun. Ufernahe Bereiche nicht mähen, Galeriegehölze wie Weiden, Erlen und Eschen zur Beschattung des Wassers pflanzen. «Das würde den Gewässern sehr helfen.» Aufforsten gehe natürlich nicht von heute auf morgen, schnelle Lösungen gebe es nicht.

Einig sind sich Fachleute, dass das Wasser, wenn es denn mal regnet oder schneit, in der Fläche gehalten werden muss - denn nur so kann der Bedarf nach Wasser aus den Flüssen gesenkt werden. Im Landkreis Kitzingen etwa nutzen einige Winzer bereits das Wasser aus Speicherbecken, das jenseits des Sommers dort gesammelt wird. Im Landkreis Neustadt an der Aisch-Bad Windsheim werden Entwässerungsgräben am Feldrand - immerhin 560 Kilometer - derzeit versuchsweise zum Wasserrückhalt in der Fläche erprobt. Dafür gibt es verschließbare Staubauwerke, die Niederschläge zurückgehalten.

Das wiederum soll dem Wasserwirtschaftsamt Ansbach zufolge den Sedimenteintrag in die Bäche und Flüsse verringern - denn diese mit Nährstoffen behafteten Sedimente lassen Bakterien und Pilze im Wasser tüchtig arbeiten. Das verbraucht viel Sauerstoff, das den Fischen und Mikroorganismen dann fehlt. Wasserstand und Bodenfeuchte etwa werden bei dem Projekt kontinuierlich gemessen. In zwei Jahren soll feststehen, ob sich die Erkenntnisse auf weitere Regionen Bayerns übertragen lassen.

Lösungen für alle wird es nach Meidls Worten nicht geben. «Das ist alles nicht einfach und wird uns auch ganz, ganz lange beschäftigen in der Wasserwirtschaft, im Naturschutz, in der Landwirtschaft. Das ist eine Generationenaufgabe, sich an die Klimafolgen anzupassen.»

Gerade das Thema Wasserentnahme aus Flüssen oder Brunnen sei nicht einfach, weil den Ämtern Personal zur Kontrolle fehle und sie deshalb priorisieren müssten, wo genau hingeschaut wird, erzählt Meidl. «Hinweise aus der Bevölkerung nehmen wir immer auf» - sprich Kontrollen fänden statt, wenn die Wasserwirtschaftsämter über mögliche Unregelmäßigkeiten informiert werden. «Der Main als Ressource weckt Begehrlichkeiten. Aber die Wasserentnahme ganzjährig, einfach so wie es jeder möchte, geht natürlich nicht.»

Nach einem Verdacht von einer manipulierten Wasseruhr an einem Brunnen im Gebiet der sogenannten Bergtheimer Mulde - das ist eine Geländesenke im nördlichen Landkreis Würzburg - sollen dort nun digitale Funkzähler die Wasserentnahme überwachen. Je nach Erfolg könnte das Pilotprojekt Vorbild für andere wasserarme Regionen sein. Andreas Gugel vom Fischereiverband Unterfranken befürchtet, dass die Ideen und Maßnahmen für viele der heutigen Fischarten schon zu spät kommen. «Die Tierwelt wird sich verändern.» Zander, Hecht und andere Fischarten, die kaltes Wasser bräuchten, wanderten deshalb ab oder stürben, erklärt der Hobby-Fischer.

«Eine Strategie dagegen wäre zum Beispiel konsequentes Ausbaggern von Nebenflächen der Flüsse auf eine Tiefe von vielleicht zwei Meter», schlägt Gugel vor. «Einfach um sicherzustellen, dass ein Fisch dort einen Rückzugsort hätte.» Tieferes Wasser sei zudem kühler. Wenn dann in bestimmten Bereichen Schutzzonen eingerichtet würden, wo noch Baden, Paddeln oder Bootfahren verboten wäre, könnte das den Fischen beim Überleben helfen.
dpa/lby
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