Vorsprung durch Wissen
schließen x
Suchbegriff
Rubrik
 Suchen
Das Informationszentrum für die Landwirtschaft
24.05.2014 | 15:45 | Energiekonzern 

Alstom-Übernahmepoker geht in Verlängerung

München/Paris - Der Übernahmepoker um den französischen Industriekonzern Alstom wird zur Geduldsprobe.

Alstom
(c) proplanta
Eigentlich sollte die Siemens-Führung bis Ende kommender Woche beschlossen haben, ob sie das vorliegende Milliarden-Angebot des US-Rivalen General Electric (GE) kontert. Nun gibt es allerdings vonseiten der Amerikaner eine Fristverlängerung um drei Wochen mit noch unklaren Konsequenzen.

Aber haben die Münchner überhaupt eine Chance? Fragen und Antworten zum Verhandlungskrimi im Überblick:

Welche Ziele verfolgen die Konkurrenten Siemens und GE?



Beide Unternehmen sind vor allem an der Energietechnik-Sparte von Alstom interessiert und erhoffen sich durch eine Übernahme mittel- und langfristig eine stärkere Stellung auf den Weltmärkten. Die Münchner haben zudem vorgeschlagen, im Bahn-Geschäft ein von französischer Seite kontrolliertes Gemeinschaftsunternehmen zu gründen.

So könnten in den Bereichen Transport und Energie zwei starke «europäische Champions» entstehen. Siemens würde bei dieser Variante seine Geschäfte mit Hochgeschwindigkeitszügen, Lokomotiven und Metros abgeben, Alstom unter anderem seine Aktivitäten im Bereich Turbinenbau, Wasser- und Windkraft sowie Energieübertragungstechnik.

Was tut sich aktuell in dem Übernahmepoker?



Derzeit wird auf allen Seiten analysiert und abgewogen. Der Alstom-Verwaltungsrat hat ein Sondergremium damit beauftragt, die GE-Offerte bis Ende dieses Monats noch einmal gründlich zu prüfen. Siemens macht unterdessen das, was GE bereits vor einigen Monaten nach Geheimverhandlungen mit Alstom-Chef Patrick Kron tun konnte: Um auch ein konkretes Angebot abgeben zu können, müssen die Bücher von Alstom unter die Lupe genommen und Management-Interviews geführt werden.

Gleichzeitig sprechen Spitzenmanager von GE und Siemens regelmäßig bei der französischen Regierung vor. Sie stärkte in der vergangenen Woche per Dekret ihre Interventionsrechte bei Übernahmen und will keine für den Industriestandort Frankreich nachteilige Entscheidung des Alstom-Verwaltungsrats akzeptieren.

Warum soll Alstom überhaupt seine Unabhängigkeit verlieren?



Das Unternehmen wird für zu klein gehalten, um langfristig auf dem Weltmarkt bestehen zu können. Aktuell gibt es keine großen Probleme, aber bereits für das vergangene Geschäftsjahr musste der Konzern einen Gewinneinbruch um mehr als ein Viertel auf 556 Millionen Euro verbuchen. Weiter schwächen könnte Alstom ein Korruptionsverfahren in den USA, das mit einer Rekordstrafe enden könnte. Dieser Punkt spielt auch bei der laufenden Risikoprüfung durch Siemens eine Rolle.

Warum scheint sich die Alstom-Führung nicht für das Angebot aus München zu interessieren?



Konzernchef Kron wird eine hartnäckige Abneigung gegen Siemens nachgesagt. Angeblich nimmt er dem deutschen Unternehmen bis heute Ereignisse aus dem Alstom-Krisenjahr 2004 übel. Die Münchner hatten über Einflussnahme in Brüssel versucht, einen mit Staatsgeldern finanzierten Rettungsplan für Alstom zu stoppen, weil sie schon damals Teile des Konzerns übernehmen wollten. Kron ist zudem der Ansicht, dass Siemens und Alstom in zu vielen Bereichen direkte Konkurrenten sind. Für die letztlich entscheidenden Großaktionäre könnte eine Rolle spielen, dass GE die Alstom-Energietechnik etwas höher bewertet, als Siemens es in einer ersten Schätzung getan hat.

Hat Siemens denn dann überhaupt noch eine Chance?



Die französische Regierung sagt ja. Sie hat mehrfach zu verstehen gegeben, dass sie eine europäische Lösung für Alstom favorisieren würde - wenn sich nicht doch noch eine französische Option eröffnen sollte. Druck bei den Verhandlungen kann die Politik nicht nur über ihr Vetorecht, sondern auch als Großkunde ausüben: Alstom ist sowohl im Transport- als auch im Energiebereich extrem von Aufträgen von Staatsunternehmen anhängig.

Siemens scheint sich in den Verhandlungen zudem sehr flexibel zu geben. Nach Angaben aus Industriekreisen haben die Münchner unter anderem angeboten, ihre Geschäfte in der Wasserkraft und Energieübertragung künftig von Frankreich aus zu steuern. Sie sollen auch bereit sein, auf Teile des Alstom-Geschäfts zu verzichten. Ein Beispiel könnte der Bau großer Dampfturbinen sein, die in französischen Atomkraftwerken zum Einsatz kommen.

Welche Schritte stehen als nächstes an?



Sobald Siemens seine Karten auf den Tisch gelegt hat, ist wieder der Alstom-Verwaltungsrat am Zug. Sollten die Münchner ein Angebot machen, würde die GE-Führung noch einmal einige Tage Zeit bekommen, um ihre Offerte nachzubessern. Eine schnelle Entscheidung ist allerdings nicht zu erwarten. Die Amerikaner ließen am Donnerstag mitteilen, dass sie auf Wunsch der französischen Regierung die Laufzeit ihres ersten Angebots um knapp drei Wochen bis zum 23. Juni verlängert haben.

Für die IG Metall ist klar, dass ein Geschäft zwischen Siemens und Alstom für die deutschen Beschäftigten keinen Nachteil bringen darf. Auf einem bundesweiten Aktionstag am Freitag demonstrierten bundesweit tausende Beschäftigte - eigentlich gegen mögliche Folgen eines neuen Umbauprogramms bei Siemens, aber auch, um die eigene Position im Alstom-Poker deutlich zu machen. (dpa)
Kommentieren
weitere Artikel

Status:
Name / Pseudonym:
Kommentar:
Bitte Sicherheitsabfrage lösen:


  Weitere Artikel zum Thema

 Siemens Energy mit Zuwächsen

 Siemens Energy startet besser als erwartet ins neue Jahr

  Kommentierte Artikel

 Söder setzt sich gegen Verbrenner-Aus ab 2035 ein

 2023 war Jahr der Wetterextreme in Europa

 Wind- und Freiflächen-Solaranlagen: Niedersachsen führt Abgabe ein

 Keine Reduzierung beim Fleischkonsum durch Aufklärung

 Größter Solarpark von Rheinland-Pfalz eröffnet

 Gipfelerklärung der EU setzt auf Lockerungen für Landwirte

 Grundwasser in Bayern wird weniger

 Lindnerbräu - Hoch die Krüge!

 Mutmaßlicher Wolfsangriff - mehrere Schafe in Aurich getötet

 Weniger Schadholz - Holzeinschlag deutlich gesunken