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12.01.2008 | 03:27 | Atomkraft 

Atomindustrie glaubt an Trendwende

Brüssel - Die europäische Atomindustrie reibt sich die Hände: Großbritannien will im großen Stil neue Atomkraftwerke errichten.

Atomindustrie 2008
(c) proplanta
In Finnland und Frankreich werden bereits Reaktoren der neuen Generation gebaut. Und auch osteuropäische Staaten wie Bulgarien, Rumänien und die Slowakei planen eigene Meiler. Der französische Atomkonzern Areva spricht von einer Trendwende auf dem Energiemarkt. Umweltexperten warnen jedoch vor immensen Kosten und hohen Risiken.

«Die Renaissance der Nukleartechnologie hat begonnen», sagt Jürgen Krellmann, Chef der Recycling-Anlage für Brennelemente von Areva bei Avignon. Früher leitete der Deutsche eine ähnliche Anlage im hessischen Hanau, die aber in den 90er Jahren stillgelegt wurde.

Danach ging er nach Frankreich. Den Atomausstieg in Deutschland hält er für einen großen Fehler: «Deutschland kann es sich gar nicht leisten, die Kraftwerke stillzulegen.» Atomstrom mache 15 bis 20 Prozent der deutschen Energieerzeugung aus. Der Ausstieg vom Atom-Ausstieg sei nur noch eine Frage der Zeit, erwartet auch der Vize-Präsident der Areva-Abteilung International und Marketing, Arthur de Montalembert. «Am Ende wird der Sinn für Realismus in Deutschland siegen.» Allerdings sei ein Wiedereinstieg unter einer Regierung mit SPD-Beteiligung ausgeschlossen. Deshalb blickt die Atomindustrie hoffnungsvoll auf die Bundestagswahl im kommenden Jahr.

«Die Wahl wird eine Weichenstellung», glaubt auch die Energieexpertin der Grünen im Europa-Parlament, Rebecca Harms. Aber selbst mit einer CDU-FDP-Koalition werde es keine neuen Reaktoren in Deutschland geben, sondern höchstens Laufzeitverlängerungen. Nach Ansicht von Harms ist es falsch, von einer Renaissance der Atomenergie zu sprechen. «Das Gegenteil ist der Fall.»

Fachleute errechneten im Auftrag der Grünen, dass die Zahl der Atomkraftwerke in Zukunft sinken wird: Da der Bau eines Meilers etwa zehn Jahre dauert, werden in den nächsten Jahren mehr alte vom Netz gehen als neue dazu kommen. Wenn die Zahl der weltweit 439 Reaktoren gleich bleiben solle, müsste der Studie zufolge bis zum Jahr 2015 alle sechs Wochen ein neuer Meiler in Betrieb gehen.

Zur Reduzierung der Treibhausgase würde das nach Ansicht der Umweltorganisation Greenpeace wenig beitragen. «Selbst wenn sich die Zahl der Kraftwerke bis 2030 verdoppelt, würde der Ausstoß von Kohlendioxid nur um drei Prozent sinken», erklärt Atomfachmann Jan Haverkamp eine Berechnung, die auf Zahlen der Internationalen Energie Agentur in Paris beruht. «Das ist zu wenig, es kommt zu spät und kostet zu viel.» 1,5 bis 3 Trillionen Euro würden die Baukosten betragen - eine Summe, die Haverkamp zufolge viel effektiver in erneuerbare Energien investiert werden könnte.

Dass Energie aus Biomasse, Wind, Wasser, Sonne und Erdwärme ein lohnendes Geschäft ist, hat auch Areva entdeckt. Mittlerweile hat der Konzern eine eigene Abteilung für erneuerbare Energien. Doch ohne Atomstrom wird es nach Ansicht der Areva-Manager nicht gehen. Sie erwarten, dass bis 2030 weltweit Reaktoren mit einer Leistung von insgesamt 200 bis 500 Gigawatt gebaut werden. Das entspräche 125 bis 313 Kraftwerken der neuen Generation. Das französische Staatsunternehmen will davon knapp ein Drittel errichten.

Auch in Deutschland könnten erneuerbare Energien den Atomstrom nicht völlig ersetzen, meint Krellmann. Halte die Regierung weiter am Ausstieg fest, bleibe eigentlich nur noch eins: Energie sparen. Was für Krellmann persönlich aber nicht infrage kommt. «Ich will kaltes Bier trinken, wenn ich in Deutschland bin. Ich werde doch nicht meinen Kühlschrank runterfahren, um Energie zu sparen und dann lauwarmes Bier trinken.» (dpa)
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