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05.03.2020 | 01:33 | Pandemie 

240 Coronavirus-Fälle in Deutschland

Berlin - Deutschland muss sich nach Einschätzung des Bundesgesundheitsministers auf weiter steigende Fallzahlen in der Coronavirus-Epidemie einstellen.

Virenforschung
Die Ausbreitung verlangsamen - das ist das wichtigste Ziel bei der Bekämpfung des Coronavirus, in Deutschland und weltweit. Das setzt die Akteure im Gesundheitswesen unter großen Druck. Neue Regeln sind gefragt - und manchmal auch Einfallsreichtum. (c) Darren Baker - fotolia.com
«Der Höhepunkt der Ausbreitung ist noch nicht erreicht», sagte Jens Spahn (CDU) am Mittwoch im Bundestag. Der Erreger Sars-CoV-2 ist mittlerweile in allen Bundesländern außer in Sachsen-Anhalt nachgewiesen worden. Die weltweite Epidemie wird nach Ansicht des Internationalen Währungsfonds das globale Wirtschaftswachstum bremsen.

Die Behörden in Deutschland zielten weiter darauf, die Ausbreitung zu verlangsamen und einzudämmen, sagte Spahn in einer Regierungserklärung. «Die Sicherheit der Bevölkerung geht im Zweifel vor, auch vor wirtschaftlichen Interessen.»

Der Bund will nun Schutzkleidung zentral für Arztpraxen, Krankenhäuser und Bundesbehörden beschaffen, wie nach Beratungen des Krisenstabs der Regierung mitgeteilt wurde. Der Export medizinischer Schutzausrüstung wie Atemmasken, Handschuhen und Schutzanzügen ins Ausland wird auf Anordnung des Wirtschaftsministeriums verboten.

Angesichts der Ausbreitung des Virus ist Schutzausrüstung weltweit knapp. Unter anderem die Kassenärzte hatten gewarnt, der Grundbestand der Praxen werde bundesweit nicht reichen, wenn die Zahl der Verdachtsfälle weiter steige.

Des Weiteren setzte Spahn die festen Personaluntergrenzen für bestimmte Stationen bis auf Weiteres außer Kraft. Kliniken dürfen damit angesichts der Covid-19-Fälle vorübergehend von Vorgaben zur Mindestbesetzung mit Pflegekräften abweichen. «Die Krankenhäuser müssen bei der Personalplanung flexibel auf die Ausbreitung des Coronavirus reagieren können», sagte Spahn.

Der Minister räumte auch Schwierigkeiten im Umgang mit dem Virus ein. «In den betroffenen Regionen stehen alle Akteure gerade unter großem Druck», sagte er. «Natürlich sind noch nicht alle Abläufe eingespielt.» Spahn weiter: «Es dauert teilweise noch zu lange, bis Verdachtsfälle getestet werden.» Aber: «Wir analysieren die Lage laufend und stellen auftretende Probleme so schnell wie möglich ab.»

In Südhessen beispielsweise nimmt eine Kreisklinik seit dem Wochenende auch Abstriche durch das Autofenster. «Der Drive-in für Corona-Tests wird als Alternative zur normalen Untersuchung in unserer MVZ-Praxis (Medizinisches Versorgungszentrum) angeboten», sagte Krankenhaussprecher Martin Wohlrabe. Die Möglichkeit werde bisher gut angenommen. Zuvor hatten mehrere Medien berichtet.

Für die Klinik bietet das Verfahren große Vorteile: Verdachtsfälle blieben sozusagen «in ihrer eigenen Quarantänestation», erklärte Geschäftsführerin Erika Raab. Die medizinische Fachkraft, die die Abstriche nimmt, trage Schutzkleidung. Andere Klinikbedienstete und Patienten kämen mit dem Patienten nicht in Berührung.

Ähnliche Drive-in-Testzentren richten auch immer mehr Städte in Südkorea ein. Die Zahl dieser Einrichtungen sei mittlerweile auf 48 gestiegen, berichtete der staatliche Sender Arirang. Auch der britische nationale Gesundheitsdienst (NHS) bietet nach eigenen Angaben im Westen von London zusätzlich solche «drive throughs» an.

Als weitere Belastung für das Gesundheitssystem in Deutschland könnte sich die Entscheidung Indiens herausstellen, den Export von 26 Medikamenten und Wirkstoffen einzuschränken. Aus dem Land kommen viele Nachahmerpräparate. Die Grundstoffe für deren Produktion kämen aus China und wegen der Epidemie würden sie inzwischen nicht mehr geliefert, sagte der Vorsitzende der indischen Exportförderungsbehörde für Arzneimittel, Dinesh Dua.

Indien wolle mit der Einschränkung sicherstellen, dass wichtige Medikamente wie Paracetamol in ausreichender Menge für den eigenen Markt zur Verfügung stehen. Auch Deutschland sei als größter Abnehmer indischer Generika in der EU von den Exportbeschränkungen betreffen.

Der Internationale Währungsfonds (IWF) nimmt wegen des Virus seine Prognose für das globale Wirtschaftswachstum in diesem Jahr zurück. Das Wachstum werde 2020 niedriger ausfallen als im Vorjahr, sagte IWF-Chefin Kristalina Georgiewa. Wie stark die Konjunktur zurückgehen werde, sei momentan aber noch nicht absehbar. Im Januar hatte der IWF ein Plus von 3,3 Prozent für 2020 prognostiziert. Eine aktualisierte Prognose will der IWF voraussichtlich im kommenden Monat vorlegen.

In Deutschland zählte das Robert Koch-Institut (RKI) bis Mittwoch (10.00 Uhr) 240 nachgewiesene Infektionen. Ein Großteil der Fälle trat in Nordrhein-Westfalen auf, der stark betroffene Kreis Heinsberg meldete 104 Infektionen. Viele Patienten sind inzwischen wieder gesund.

Schwere Covid-19-Verläufe sind selten, ein darauf zurückgehender Todesfall wurde in Deutschland bisher nicht erfasst. Weltweit haben sich dem RKI zufolge inzwischen über 93.000 Menschen nachweislich mit dem neuen Coronavirus infiziert.

In der EU ist Italien mit über 2.500 dieser Infektionen am stärksten betroffen. Das Land erwägt wegen der Verbreitung des Erregers, die Schulen im ganzen Land zu schließen. Sie sollten von Donnerstag bis zum 15. März geschlossen bleiben, berichteten die Nachrichtenagenturen Ansa und Adnkronos am Mittwoch unter Berufung auf Regierungskreise. Schulministerin Lucia Azzolina erklärte jedoch, die Entscheidung sei noch nicht gefallen. Dies solle «in den kommenden Stunden» geschehen, hieß es am Nachmittag.

Israel hat aus Sorge vor einer Covid-19-Ausbreitung neue Einreisebestimmungen verhängt. Touristen aus Deutschland, Österreich, der Schweiz, Frankreich und Spanien dürften nicht mehr einreisen, berichtete der israelische Rundfunk am Mittwoch.

In China stieg die Zahl der Toten bis Mittwoch auf 2.981. Die Gesamtzahl der offiziell erfassten Ansteckungen in Festlandchina seit Beginn der Epidemie im Dezember kletterte auf mehr als 80.000. Von ihnen haben 50.000 die Krankenhäuser wieder verlassen. Experten gehen allerdings in China von einer hohen Dunkelziffer aus.

Inzwischen kehrt das Virus auf dem Umweg über das Ausland wieder nach China zurück. So sind bei der Ankunft in China innerhalb einer Woche bereits 75 infizierte Reisende entdeckt worden. Erstmals nachgewiesen wurde Sars-CoV-2 am Mittwoch in Polen. Und auch die kleinen Färöer-Inseln haben ihren ersten Fall.

Unterdessen werden weitere Großveranstaltungen abgesagt. So verschieben die Veranstalter der Hannover Messe die weltgrößte Industrieschau. Das Branchentreffen mit rund 6.000 Ausstellern, das im April geplant war, soll jetzt vom 13. bis 17. Juli stattfinden.

Nach der Buchmesse in Leipzig wurde auch die Londoner Buchmesse wegen des Coronavirus-Ausbruchs abgesagt. Der Branchentreff hätte vom 10. bis 12. März stattfinden sollen. Messebauer sehen sich aufgrund der zahlreichen Absagen in der Krise. «Die aktuelle Lage ist dramatisch», sagte Jan Kalbfleisch vom Fachverband Messe- und Ausstellungsbau (Famab).

In Italien rät der wissenschaftliche Beraterstab der Regierung den Bürgern im Land, auf das Küsschen zur Begrüßung zu verzichten. Nach Medienberichten empfahl das Expertenkomitee unter anderem auch den Verzicht auf Umarmungen und Händeschütteln. Stattdessen solle man einen Meter Abstand halten.

In Asien raten Experten zu traditionellen Begrüßungsritualen wie etwa einer Verbeugung statt dem Händeschütteln. Im Internet kursieren die ersten Videos, in denen sich Spaßvögel beim «Wuhan-Shake» zur Begrüßung mit den Füßen einen Kick geben oder sich die Hände in der Luft reichen - ohne Kontakt.
dpa
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