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30.07.2023 | 11:34 | Wahre Lebensmittelpreise 
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Discounter-Experiment: Wie teuer Lebensmittel eigentlich sein müssten

Köln - Es ist ein gewaltiger Preisaufschlag: Wiener Würstchen kosten plötzlich 6,01 Euro statt 3,19 Euro. Der Preis für Mozzarella erhöht sich von 89 Cent auf 1,55 Euro und für Fruchtjoghurt muss 1,56 Euro statt 1,19 Euro bezahlt werden.

Wahre Lebensmittelpreise Penny
Penny sorgt ab Montag für einen Preisschock der eigenen Art. Für neun Produkte kassiert das Unternehmen die «wahren Preise». Dabei werden auch verdeckte Kosten etwa für Umweltverschmutzung bei der Produktion berücksichtigt. (c) proplanta
In einem ungewöhnlichen Experiment verlangt der Discounter Penny ab Montag eine Woche lang für 9 seiner mehr als 3.000 Produkte die «wahren Preise» - also den Betrag, der bei Berücksichtigung aller durch die Produktion verursachten Umwelt- und Gesundheitsschäden eigentlich berechnet werden müsste. Es ist ein gewagter Schritt in Zeiten, in denen viele Haushalte ohnehin unter der Explosion der Lebensmittelkosten leiden. Denn die Produkte vom Käse bis zum Wiener Würstchen werden dadurch um bis zu 94 Prozent teurer, wie die Handelskette am Sonntag mitteilte.

Dem Händler ist das durchaus bewusst, er will aber trotzdem ein Zeichen setzten. «Wir sehen, dass viele unserer Kundinnen und Kunden unter den unverändert hohen Lebensmittelpreisen leiden. Dennoch müssen wir uns der unbequemen Botschaft stellen, dass die Preise unserer Lebensmittel, die entlang der Lieferkette anfallen, die Umweltfolgekosten nicht widerspiegeln», sagt Penny-Manager Stefan Görgens. Mit der einwöchigen Aktion in allen 2150 Filialen wolle das Unternehmen Problembewusstsein bei den Kunden schaffen.

Die Mehreinnahmen will die zur Rewe-Gruppe gehörende Kette nicht behalten, sondern für ein Projekt zum Klimaschutz und zum Erhalt familiengeführter Bauernhöfe im Alpenraum spenden. Berechnet wurden die «wahren Preise», bei denen neben den üblichen Herstellungskosten auch die Auswirkungen der Lebensmittelproduktion auf Boden, Klima, Wasser und Gesundheit einbezogen wurden, von Wissenschaftlern der Technischen Hochschule Nürnberg und der Universität Greifswald.

«Wir lügen uns in die Tasche, wenn wir so tun, als hätte die heutige Lebensmittelproduktion keine versteckten Umweltfolgekosten», sagt Amelie Michalke, die an der Universität Greifswald die ökologischen und sozialen Effekte der landwirtschaftlichen Produktion untersucht. Diese Kosten spiegelten sich zwar nicht im Ladenpreis wieder, doch fielen sie der Allgemeinheit und künftigen Generationen zur Last.

Die Berücksichtigung dieser versteckten Kosten erhöht den Produktpreis häufig beträchtlich. Die 300-Gramm-Packung Maasdamer Käse etwa verteuert sich dadurch um 94 Prozent von 2,49 auf 4,84 Euro. Nach den Berechnungen der Wissenschaftler kommen zum «normalen» Preis noch versteckte Kosten in Höhe von 2,35 Euro hinzu: Allein 85 Cent für klimaschädliche Emissionen der Landwirtschaft wie Methan oder CO2. Außerdem 76 Cent für die Bodenbelastungen durch die intensive Landwirtschaft zur Futterproduktion. Weitere 63 Cent für die Auswirkungen des Pestizideinsatzes und anderer Faktoren auf die Gesundheit der Landwirte. Und noch einmal etwas mehr als 10 Cent für die Belastung des Grundwassers etwa durch Düngemittel.

Doch ist der Preisaufschlag durch Einbeziehung der versteckten Umweltkosten nicht überall gleich. Deutlich geringer als bei Wiener Würstchen oder Joghurt fällt die Steigerung mit nur 5 Prozent bei einem veganen Schnitzel aus. Generell sei der notwendige Aufschlag bei rein pflanzlichen Produkten wegen der geringeren Umweltbelastung am niedrigsten, berichtet der Umweltökonom Tobias Gaugler von der Technischen Hochschule Nürnberg, der das Projekt begleitet. Deutlich höher sei er bei Milchprodukten und am höchsten bei Fleisch.

Auch eine Studie der Universität Oxford kam im vergangenen Jahr zu dem Ergebnis, dass insbesondere die Preise für Fleisch bei Berücksichtigung der Treibhausgasemissionen und anderer Umweltschäden deutlich höher sein müssten.

Fragt sich nur, ob die Verbraucherinnen und Verbraucher angesichts der allgemeinen Preissteigerungen Verständnis für das Experiment haben. «Das ist ein mutiger Schritt - gerade in Inflationszeiten», meint der Marketing-Experte Martin Fassnacht von der Wirtschaftshochschule WHU in Düsseldorf. Er prognostiziert: «Penny wird aller Voraussicht nach nicht viel von diesen Produkten verkaufen.» Aber darum gehe es dem Unternehmen auch gar nicht. Es wolle Bewusstsein für Nachhaltigkeit schaffen und gleichzeitig die eigene Marke aufwerten, ist der Branchenkenner überzeugt.

Die Risiken der Aktion für den Discounter hält der Marketing-Fachmann für überschaubar - nicht zuletzt weil sie zeitlich befristet und auf wenige Produkte begrenzt ist. «Auch wenn die hohe Inflation zu großer Verunsicherung bei den Verbrauchern geführt hat: Ich glaube nicht, dass das die Aktion die Kunden vor den Kopf stößt - solange sie die Wahl haben, zu anderen Produkten zu greifen.»
dpa
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Kommentare 
Arnold Krämer schrieb am 01.08.2023 09:04 Uhrzustimmen(12) widersprechen(6)
Ergänzung zu meiner Überschlagskalkulation zu den Umweltkosten/versteckten Kosten :

Der Umweltökonom Tobias Gaugler, früher Uni Augsburg jetzt TH Nürnberg, der mit früheren Mitarbeitern hinter den Kalkulationen und der Aktion von Penny steht, wird von der deutschen Presseagentur überall zitiert mit der Aussage, der Aufschlag (durch verdeckte Umweltkosten) falle mit 5 % bei rein pflanzlichen Produkten am niedrigsten aus. Wie recht er hat!! Warum?? Er verwendet nämlich für seine Argumentation den Endverbraucherpreis (lt. Internet rund 15 Euro/kg veganes Schnitzel bei großer Bandbreite). Und das ist unsauber!
Die Umweltkosten der pflanzlichen Rohstoffe müssen überall gleich hoch sein, egal wofür man sie letztlich verwendet, ob in der Rinderfütterung (eingeschränkt wg. natürlicher Grünlandnutzung), der Schweinefütterung, der Geflügelfütterung oder ohne den (veredelnden) Umweg über den Tiermagen in der menschlichen Ernährung.
Wenn diese „Umweltkosten“ aber bei tierischen Erzeugnissen den Endverbraucherpreis nahezu verdoppeln, aber bei veganen Produkten nur um 5% anheben, ist das ein klarer Beweis für gewaltige Handelsspannen (Stückgewinne) bei veganen Produkten. Dazu wieder ein kurzer Rechengang: 5% von 15 €/kg =0,75 Euro/ kg = „Umweltkosten“. Wenn diese genauso hoch sind wie die (an die Landwirte) gezahlten Rohstoffpreise kann man erahnen, welche Gewinnmargen in der industriellen Herstellung der veganen Schnitzel, dem Vertrieb und Verkauf solcher Produkte stecken. Jedenfalls sind sie viel, viel höher als bei klassischen Milch- und Fleischprodukten.
Die Argumentation mit „wahren Kosten“ sind also nichts anderes als ein Marketing-Instrument, wofür sich Wissenschaft hergibt, die eigentlich unabhängig zu sein hat.
Arnold Krämer schrieb am 31.07.2023 16:21 Uhrzustimmen(19) widersprechen(3)
Es widerstrebt mir sehr hier zu schreiben: Wissenschaft lügt!
Wenn sie aber behauptet, der Preisaufschlag durch Einbeziehung der versteckten Umweltkosten betrage bei einem veganen Schnitzel nur 5 %, bleibt mir aber nichts anderes übrig. "Generell sei der notwendige Aufschlag bei rein pflanzlichen Produkten wegen der geringeren Umweltbelastung am niedrigsten, berichtet der Umweltökonom Tobias Gaugler von der Technischen Hochschule Nürnberg, der das Projekt begleitet. Deutlich höher sei er bei Milchprodukten und am höchsten bei Fleisch".

Dazu folgender (überschlägiger) Rechengang: 2 Kühe pro ha mit je 10.000 kg Milch/Kuh/Jahr = 20.000 kg Milch pro ha. Daraus lassen sich rund 2.000 kg Käse herstellen. Zum Grundfutter von 1 ha (Gras und Mais) kommen noch einmal 25 dt Kraftfutter/Kuh und Jahr. Das heißt: Es werden noch einmal rund 0,5 ha Ackerfläche für 2.000 kg Käse benötigt, also insgesamt 1,5 ha. Die versteckten Kosten hier nur für Bodenbelastungen und Pestizide (76 Ct +73 Ct = 1,39 €) betragen also 1.853 €/ha.
Diese versteckten Kosten je ha müssen für pflanzliche Rohstoffe zur Verarbeitung zu veganen Schnitzeln mindestens genauso hoch wenn nicht sogar höher anfallen, weil Grünland und Mais (die Hauptfutterstoffe der Milchviehhaltung) relativ wenig Pflanzenschutz erfordern im Vergleich zu Getreide und gleichzeitig im Rinderkraftfutter überwiegend Mühlennachprodukte zu finden sind. Wenn der Marktwert von 1 ha Getreide mit 2.500 € beziffert werden kann und die externen Kosten mit rund 1.853 € zu beziffern sind , kann der Preisaufschlag für ein veganes Schnitzel nicht nur 5 % betragen. Wissenschaft lügt, aber warum?
Thorsten Holtmeier schrieb am 30.07.2023 17:30 Uhrzustimmen(23) widersprechen(8)
Zutatenverzeichnis::
Trinkwasser, WEIZENMEHL, 11% SOJAPROTEIN, Rapsöl, WEIZENGLUTEN, HAFERFASERN, Kochsalz, Verdickungsmittel: Methylcellulose, Maismehl, natürliches Aroma, WEIZENSTÄRKE, Branntweinessig, Gewürze, Zucker, Flohsamenschalen, Hefe.
Das ist die Zutatenliste der veganen Schnitzel von Rügenwalder.
Es handelt sich also um ein hochverarbeitetes Industrie Produkt und das hat natürlich die geringste Umwelt Auswirkung!!! muss in unseren heutigen Mainstream passen, wer das wohl finanziert hat muss Vegetarier sein und wollte auch so ein Ergebnis haben wollte immer schön gegen die Tierhaltung
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