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20.01.2024 | 07:01 | Shrinkflation 

Vorsicht Preiserhöhung - Experten sehen Rekord bei Shrinkflation

Hamburg - Bis Ende des Jahres kostete der 1.000-Gramm-Beutel Milchreis im Supermarkt noch 2,29 Euro. Dann wurde die Packung kleiner und teurer.

Shrinkflation
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Verbraucherschützer beklagen so viele versteckte Preiserhöhungen wie nie in deutschen Supermärkten. Der Handel hält sich bedeckt und eine Kennzeichnung für überflüssig. Neue gesetzliche Vorgaben könnten Verbraucher künftig besser vor Täuschungen schützen. (c) proplanta
Kunden müssen seitdem für 800 Gramm 2,99 Euro berappen. Eine satte Erhöhung um mehr als 60 Prozent. Der Milchreis, hergestellt von der Euryza GmbH, ist nur ein Beispiel von vielen. Weniger Inhalt zum gleichen oder sogar zu einem höheren Preis, das Phänomen wird als «Shrinkflation» bezeichnet.

Der Trend weitet sich aus. Die Verbraucherzentrale Hamburg meldet einen Rekord, es gebe so viele «Mogelpackungen» wie noch nie. 2023 haben die Verbraucherschützer 104 Produkte neu aufgenommen, 2022 waren es 76. Insgesamt stehen mehr als 1.000 Artikel auf der Liste. Armin Valet, Lebensmittelexperte der Verbraucherzentrale, konzentriert sich bei der Suche auf Lebensmittel und Drogeriewaren. Im Laufes des Monats kürt er erneut die Mogelpackung des Jahres.

Valet berichtet von einem Domino-Effekt. So beginne ein Markenhersteller damit, ein Produkt zu schrumpfen, andere folgten dann dem Beispiel. Das Vorgehen ist bei Herstellern beliebt, weil Kunden die versteckte Preiserhöhung nicht so schnell bemerken.

Umfrage: 77 Prozent der Verbraucher für Kennzeichnung

Handelsexperten wie Martin Fassnacht und Kai Hudetz bestätigen den Trend. «Die Kosten sind für Hersteller und Händler gestiegen. Jetzt stellt sich die Frage, wie die gestiegenen Kosten von Herstellern an Händler und von Händlern an Verbraucher weitergegeben werden», sagt Fassnacht von der Wirtschaftshochschule WHU Düsseldorf.

Hudetz vom Institut für Handelsforschung verweist darauf, dass der Anteil der betroffenen Produkte bei fast 15.000 gelisteten Artikel in einem klassischen Supermarkt vergleichsweise gering sei. Viele Verbraucher ärgern sich dennoch. Laut einer Yougov-Umfrage achten gut 70 Prozent auf die Füllmenge eines Produktes, «um Mogelpackungen zu erkennen und dem Kauf möglicherweise vorzubeugen». 77 Prozent sind demnach dafür, dass Supermärkte entsprechende Hinweise anbringen, um «Mogelpackungen» zu kennzeichnen.

Die Euryza GmbH rechtfertigt die Preiserhöhung für Milchreis mit «signifikanten Kostensteigerungen entlang der gesamten Lieferkette». Auch das Oreo-Stieleis ist geschrumpft. Seit dem vergangenen Jahr enthält die Packung nicht mehr vier Portionen mit jeweils 110 Milliliter, sondern nur noch drei mit je 90, bei gleichem Preis. Hersteller Froneri gibt an, man sei gezwungen, «Mehrkosten weiterzugeben» und verweist auf einen «Trend hin zu kleineren Portionsgrößen». Katjes reduzierte den Inhalt seiner Yoghurt Gums und anderer Fruchtgummis von 200 auf 175 Gramm, der Preis blieb gleich. Das Unternehmen wollte sich auf Anfrage dazu nicht äußern.

Netto testet in einigen Filialen

Experten wie Fassnacht und Valet sehen die Verantwortung bei dem Thema auch beim Handel. Die französische Supermarktkette Carrefour warnt seit September mit Aufklebern vor versteckten Preiserhöhungen. «Das Gewicht dieses Produktes hat sich verringert, und der Preis unseres Lieferanten ist gestiegen», heißt es. Und: «Wir setzen uns dafür ein, den Preis neu zu verhandeln.» Carrefour griff damit einem Gesetzesentwurf vor, mit dem die französische Regierung die Industrie verpflichten will, auf Produkten kenntlich zu machen, wenn sich bei gleicher Packung der Inhalt verringert. Wenn die Kommission keinen Einwand hat, könnte der Erlass in Frankreich Ende März kommen.

Auch der zur Edeka-Gruppe gehörende Discounter Netto testet eine Kennzeichnung seit kurzem in einzelnen Filialen. Das Feedback der Kunden sei positiv, heißt es. Ob eine Ausweitung auf alle Märkte geplant ist, will das Unternehmen nicht beantworten. Die Markenindustrie versuche alles, «um ihre Margen zu maximieren. Dazu gehört neben unverhältnismäßig hohen Preissteigerungsforderungen eben auch der Trick der Shrinkflation», sagt eine Edeka-Sprecherin.

Edeka selbst hatte im Herbst ebenfalls angekündigt, entsprechende Produkte zu kennzeichnen. «Leider wissen wir nicht, wer von unseren selbstständigen Kaufleuten diese Vorlagen aufgegriffen hat», heißt es. Der Verbraucherorganisation Foodwatch zufolge ist dies bisher nicht geschehen.

Eine Umfrage in 50 Märkten habe ergeben, dass keiner der Händler davon Gebrauch mache. Die Edeka-Händler könnten selbst über alle unternehmerischen Fragen entscheiden. Die übrigen Handelsriesen äußern sich zurückhaltend. Einige verweisen auf Preissenkungen, die zuletzt vorgenommen worden seien.

Verbraucher sollen vor Täuschungen geschützt werden

Valet erwartet, dass die Zahl der neuen Fälle 2024 wegen der sich abschwächenden Inflation sinken wird. Dennoch fordert er eine Kennzeichnung und gesetzliche Vorgaben, um Verbraucher vor Täuschungen zu schützen. Hoffnung macht ihm ein Gesetzesentwurf des Bundesverbraucherschutzministeriums (BMUV). Dieser sieht vor, dass Verpackungen, deren Inhalt verringert wird, ohne dass die Größe der Verpackung im gleichen Verhältnis verringert wird, nicht mehr zulässig sein sollen. Das Gleiche soll für Verpackungen gelten, die größer werden, ohne dass sich der Inhalt mit vergrößert.

Der Handelsverband Deutschland (HDE) hält neue gesetzliche Regelungen für unnötig. Der Handel sorge gegenüber den Verbrauchern für maximale Preistransparenz, indem er am Regal den Grundpreis eines Produkts pro Kilogramm oder Liter auszeichne. Zusätzliche Informationen könnten die Verbraucher überfordern, heißt es.

Auf EU-Ebene wird zurzeit die neue Verpackungsverordnung verhandelt. Demnach sollen Verpackungen mit Eigenschaften, die nur darauf abzielen, das wahrgenommene Volumen des Produkts zu vergrößern, nicht mehr in Verkehr gebracht werden dürfen. Wann die Gesetze kommen, ist noch nicht absehbar. Bis dahin bleibt Verbrauchern nichts anderes übrig, als beim Einkaufen genau hinzuschauen.
dpa
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