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10.02.2010 | 05:01 | Energiepolitik  

Röttgen bringt Industrie und CSU gegen sich auf

Berlin - Trotz der Rückendeckung von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) für Umweltminister Norbert Röttgen (CDU) wird die Kritik an seinem Vorstoß für Öko- statt Atomenergie immer lauter.

Röttgen bringt Industrie und CSU gegen sich auf
Industrie, Opposition und Regierungspartner CSU äußerten sich am Dienstag aufgebracht. CSU-Landesgruppenchef Hans-Peter Friedrich hielt Röttgen mehrere falsche Ansätze in seinen Überlegungen vor. Die SPD nannte den Minister einen «Atomlobbyisten im grünen Mäntelchen», die Grünen warfen ihm Inkonsequenz vor. Röttgen selbst verteidigte sich, er habe im Kern die Positionen des Koalitionsvertrages vorgetragen.

Röttgen hatte in dem Interview unter anderem 40 Jahre als Laufzeit der Atommeiler erwähnt. Der rot-grüne Vertrag zum Atomausstieg sieht etwa 32 Jahre Laufzeit vor. Heftige Kritik hatte es auch aus der FDP gegeben. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte sich am Montag grundsätzlich hinter Röttgen gestellt und über einen Regierungssprecher erklärt, der Minister bewege sich auf der Grundlage des Koalitionsvertrages.

Der Umweltminister sagte am Dienstag auf dpa-Anfrage, er habe nur darauf hingewiesen, dass die Kernkraftwerke auf 40 Jahre ausgelegt seien. «Ich habe im Kern die Position vorgetragen, die im Koalitionsvertrag genauso steht, regenerative Energien aufzubauen und umzustellen auf regenerative Energieerzeugung. Das haben ja auch alle unterschrieben.» Dies müsse im Energiekonzept umgesetzt werden. «Das Entscheidende ist die Ersetzung der Kernenergie durch die erneuerbaren» Energien.

Der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI), Werner Schnappauf, sagte dem Berliner «Tagesspiegel» (Dienstag): «Die Rechnung von Umweltminister Röttgen geht nicht auf.» Die erneuerbaren Energien seien als Ersatz für die Atomenergie noch zu unzuverlässig. Ähnlich argumentierte der Chef der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Hans-Peter Friedrich. Mehrere Punkte der Argumentation Röttgens zur Ablösung von Atomkraft durch regenerative Energien seien falsch. Zudem weckten die Äußerungen des Ministers «bei dem einen oder anderen den Verdacht, es könnte der Ausstieg vom Ausstieg (aus der Atomenergie) konterkariert werden».

Friedrich sagte, der Umweltminister habe unter anderem nicht berücksichtigt, dass mit dem Ersatz der Atomenergie durch eine andere CO2-freie Energieform kein klimaschädliches Kohlendioxid eingespart werde. Zudem sei die von Röttgen genannte Zahl von 40 Jahren willkürlich. «Wo er die her hat, weiß auch kein Mensch.» Regenerative Energieformen müssten vielmehr dazu genutzt werden, den Import von Energie zurückzufahren und fossile Energieträger wie Kohle oder Öl zu ersetzen, um das Klima zu schützen. Ziel müsse eine «starke Unabhängigkeit von den Ölscheichs und vom Russengas» sein.

Während auch Bayerns Umweltminister Markus Söder (CSU) Röttgens Äußerungen «wenig seriös» nannte, bezeichnete der CSU-Umweltexperte Josef Göppel die Kritik als unberechtigt. Die von Röttgen erwogene Verlängerung der AKW-Laufzeiten um höchstens acht Jahre werde aus heutiger Sicht ausreichen, um die erneuerbaren Energien auszubauen, sagte Göppel der «Berliner Zeitung» (Dienstag).

Röttgens Amtsvorgänger, der heutige SPD-Chef Sigmar Gabriel, sagte: «Röttgen ist ein Atomlobbyist im grünen Mäntelchen.» Das Gerede über Kernenergie als Brückentechnologie könne nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Minister «den Wiedereinstieg in die Hochrisiko-Technologie Atomkraft» betreibe. Grünen-Chef Cem Özdemir sagte dem Sender Deutschlandradio Kultur: «Wenn Röttgen seinen Vorschlag zu Ende denken würde, müsste er eigentlich bei dem landen, was Rot-Grün damals beschlossen hat, nämlich beim Atomausstieg.» Diesen Kompromiss mit der Atomwirtschaft wieder aufzumachen, sei eine «Kriegserklärung an die Gesellschaft». (dpa)
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