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20.07.2023 | 02:16 | Waldumbau 

Oben Licht und unten Jagd: Wie ein Waldbesitzer seinen Forst umbaut

Hirschfelde - Wer in den Wäldern von Mathias Graf von Schwerin bei Hirschfelde (Barnim) steht, kann meistens nicht weit hinein blicken. Zwischen den hohen Kiefern wachsen junge Eichen, Buchen, Birken, Ahorne und Ebereschen. Sie verwandeln den Forst in Sichthöhe in ein grünes Dickicht.

Waldumbau
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Der Waldumbau ist in Zeiten des Klimawandels ein großes Thema. Anfälligere Monokulturen wie Kiefernforsten sollen verschwinden. In Brandenburg zeigt der private Waldbesitzer Mathias Graf von Schwerin, wie es gehen kann. (c) proplanta
«Der Wald verjüngt sich natürlich. Das ist in der Regel erfolgreicher, als Nachpflanzungen durch den Menschen», erklärt der 57-Jährige. Der gebürtige Hesse, dessen adelige Vorfahren einst in Mecklenburg-Vorpommern zu Hause waren, kennt seine 1.000 Hektar Wald ganz genau. Ursprünglich hatte von Schwerin nach der Wende in die Heimat der Großeltern zurückkehren wollen. «Dort konnte ich jedoch keine größeren, zusammenhängenden Flächen kaufen», erzählt der Diplomkaufmann, der im hessischen Forstbetrieb der Familie aufgewachsen ist. 1997 kaufte er die Wälder bei Hirschfelde, zehn Jahre später zog von Schwerin ins frühere Forsthaus des Ortes. «Ich wollte von meinem Wald leben können, naturgemäß wirtschaften. Dazu musste ich direkt dort sein.»

Klassisch-brandenburgische Kiefern-Monokulturen auf märkischem Sand gehören ebenso zu seinen Flächen, wie hügelige Endmoränenareale mit deutlich besseren Böden. «Das Ökosystem Wald wird stabiler, je durchmischter die Baumarten dort sind. Wenn beispielsweise Buchen Trockenheit und Borkenkäfer zum Opfer fallen, gibt es genügend andere Gehölze, die weiterwachsen», erklärt der Wahl-Brandenburger, der sofort mit dem gezielten Umbau seiner Forsten begann.

Ausschlaggebend für die Klimastabilität des Waldes, der Dürrzeiten, Stürmen und Schädlingen standhalten soll, sei die Vielfalt der Baumarten, sagt von Schwerin. Damit diese sich natürlich ansiedeln könne, sei es wichtig, gezielt hohe, alte Bäume zu fällen, damit das Sonnenlicht bis zum Waldboden vordringen kann. «Der neue Bewuchs bremst dann wieder die Austrocknung des Bodens», beschreibt der Waldbesitzer.

Wälder auszulichten hält Waldexperte Pierre Ibisch, Wissenschaftler an der Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde (HNEE), hingegen für problematisch. «Dadurch erhöht sich das Waldinnenklima und damit die Gefahr der Austrocknung. Kühlung erreichen wir durch Schatten», warnt er. Dieses Mikroklima in den Forsten sei von zentraler Bedeutung, wirke wie ein Thermostat. «Wenn wir Bäume entnehmen, stressen wir den Wald zusätzlich, der aufgrund des Klimawandels ohnehin schon mit Hitze und Wassermangel klarkommen muss», stellt Ibisch dar.

Um einen Wasserrückhalt zu ermöglichen, müssten die speichernden Humusschichten im Waldboden erhalten werden, so Ibisch. «Dafür brauchen wir Totholz, statt Aufgeräumtheit in den Wäldern. Und eine Verdichtung des Bodens durch schwere Maschinen muss vermieden werden.» Dietrich Mehl, Landesgruppenvorsitzender Brandenburg-Berlin der Arbeitsgemeinschaft Naturgemäße Waldwirtschaft, plädiert für einen «vorsichtigen» Mittelweg. «Um einen Misch-Wald zu bekommen, brauchen wir mehr Licht für das natürliche Wachstum in den Forsten - aber immer angepasst an die jeweiligen Verhältnisse. Buchen sind schon jetzt durch die Trockenheit gestresst, da ist Vorsicht geboten. Bei Kiefern können wir da großzügiger agieren», sagt der Mitarbeiter des Landesforstbetriebes.

Von Schwerin sei vielen Waldbesitzern in Brandenburg «ein Stück voraus», urteilt Hanna von Versen, Vorstandsmitglied der AG-Landesgruppe Naturgemäße Waldwirtschaft. «Wir brauchen einen Klima angepassten Dauerwald - ein Mosaik alter Bäume unterschiedlicher Arten und lichtliebende Arten in der Verjüngung», beschreibt die Forstwirtin.

Die Natur sich selbst zu überlassen, davon hält von Schwerin nichts. «Die natürliche Verjüngung funktioniert nur, wenn der Wildbestand reguliert wird, so dass die neuen Keimlinge nicht gleich wieder verbissen werden». Eine konsequente Bejagung sei effektiver, als um Neupflanzungen teure Zäune zu ziehen, ist der Vorsitzende des Ökologischen Jagdvereins Berlin-Brandenburg überzeugt - wohl wissend, dass die Jagd in seinen dichten Wäldern durchaus eine Herausforderung ist. «Oben Licht und unten Jagd», lautet von Schwerins Faustformel. «Es geht nicht darum, dass Wild komplett zu vertreiben, es geht um angepasste Bestände», betont er. Mehl kann ihm da nur beipflichten.

Das sieht auch Carsten Leßner, Leiter der obersten Forst- und Jagdbehörde des Landes Brandenburg so. «Grundsätzlich machen wir das auf unseren 270.000 Hektar Landeswald ebenso. Das sind allerdings nur 25 Prozent der Waldflächen in Brandenburg.» Im Land gebe es um die 100.000 Waldbesitzer.

Waldbesitzer von Schwerin blickt voraus. «Was heute an jüngeren Bäumen heranwächst, ernten erst nachfolgende Generationen. Und wir müssen jetzt dafür sorgen, dass es dann auch Holz zu schlagen gibt», erklärt er. Oft holt er auch deshalb Schüler in seinen Wald, arbeitet mit Forststudierenden in Brandenburg, Thüringen oder Niedersachsen und hält Vorlesungen.
dpa/bb
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