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18.01.2018 | 07:35 | Supermarktkunden 

Politische Seite des Essens

Berlin - Schmeckt's? Wenn es ums Essen geht, zählt für viele inzwischen mehr als das Aroma. Supermarktkunden achten bei Fleisch und Wurst darauf, dass Tiere unter besseren Bedingungen gelebt haben.

Lebensmittelproduktion
Wie Lebensmittel produziert werden, ist umstritten - es geht um mehr Umwelt- und Verbraucherschutz und die Ernährung der Welt. Passend, dass die Grüne Woche 2018 in die Phase der Regierungsfindung fällt. (c) proplanta
Doch wie erkennt man das sicher und zahlt dafür vielleicht auch etwas mehr?

Zur internationalen Ernährungsmesse Grüne Woche, die an diesem Freitag in Berlin beginnt, kocht die Debatte über die Ausrichtung der Landwirtschaft wieder hoch. «Essen ist politisch», lautet auch das Motto einer Demonstration am Rande des Branchentreffs. Und da warten alle auf die künftige Bundesregierung. «Es ist viel zu tun», sagt der Chef des Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv), Klaus Müller.

Tierwohl: Vor einem Jahr präsentierte Agrarminister Christian Schmidt (CSU) bei der Grünen Woche stolz das Modell eines Logos, das höhere Standards garantieren soll - zum Beispiel mehr Platz für Schweine im Stall.

Doch bis zur Bundestagswahl wurde nichts mehr draus. In einer neuen Regierung wollen Union und SPD das «Tierwohl-Label» für Fleisch nun endlich an den Start bringen - zunächst freiwillig für Landwirte, die Investitionen auch honoriert bekommen sollen. Der Bauernverband mahnt, einen schon funktionierenden Tierwohl-Fonds der Branche dabei nicht zu gefährden. Kritiker wie die Verbraucherorganisation Foodwatch sehen in dem Label nur eine «Pseudo-Lösung», die gesetzliche Verbesserungen der gesamten Tierhaltung eher verhindere.

Dickmacher: Wie eine gesündere Ernährung leichter gemacht werden kann, ist seit langem heiß umkämpft. Verbraucherschützer trommeln mit Blick auf Koalitionsverhandlungen wieder für eine «Nährwert-Ampel», wie sie auch im SPD-Wahlprogramm steht - also eine Kennzeichnung, die in Rot, Gelb und Grün den Gehalt an Fett, Zucker und Salz anzeigt. Die deutsche Lebensmittelbranche hält gelinde gesagt nichts davon.

Das gilt auch für Vorgaben für neue Rezepte, damit in Tiefkühlpizza oder Müsli weniger Dickmacher stecken. Die Politik solle den Firmen «in Gottes Namen die Möglichkeit lassen, selber produktinnovativ zu sein», warnt die Bundesvereinigung der Ernährungsindustrie.

Chemie: Zu einem Symbol im Ringen um die Zukunft der Landwirtschaft ist das umstrittene Unkrautgift Glyphosat geworden, das mit Segen von Agrarminister Schmidt gerade eine frische EU-Zulassung bekam. In den Sondierungen wurden sich Union und SPD aber schnell über nationale Schranken einig.

Erklärtes Ziel: die Anwendung «so schnell wie möglich grundsätzlich zu beenden». Die Bio-Branche verlangt von der neuen Regierung deutlich mehr Forschungsgeld für Unkrautbekämpfung ohne Chemie. «Öko-Pflanzenschutz will gelernt sein, ist aber kein Hexenwerk», sagt Biobauer Stefan Palme am Mittwoch auf einem Podium des Bundes Ökologische Lebensmittelwirtschaft. Auch die Kosten pro Hektar müssten nicht höher sein als bei konventionellen Kollegen.

Export: Welche Preise Bauern erzielen können, bestimmen längst Weltmärkte - Schwankungen jederzeit möglich. Dass die Branche auch auf Wachstum etwa in China setzt, bringt Kritiker aber auf die Palme - statt Massenproduktion müsse mehr regionale Vermarktung her.

Vor der Grünen Woche hat Schmidt am Mittwoch wieder mit widerstreitenden Initiativen diskutiert und für einen gemeinsamen Dialog zur Zukunft der Landwirtschaft geworben. Ein Messe-Rückkehrer signalisiert jedenfalls mehr Agrarhandel: Russland ist nach zwei Jahren Abwesenheit wegen des Ukraine-Konflikts wieder in Berlin dabei.
dpa
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