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01.05.2021 | 00:08

Nach Großbrand in Schweinezuchtanlage: Minister gegen große Stallanlagen

Ferkelzucht
Minister: Genehmigungsstopp und viele Stallprüfungen nach Großbrand. (c) proplanta
«Tragödie hoch 3»: Backhaus fordert Bundesregelung für Stallneubauten

In der Ferkelaufzuchtanlage Alt Tellin sind bei einem Großbrand mehr als 55.000 Schweine verendet. Die umstrittene Großanlage soll nicht wieder aufgebaut werden, sagt der Minister vor Ort. Doch Tierschützer wollen auch keine kleinere Anlage - und Greenpeace entert die Futtertürme.


Wo einst Zehntausende Ferkel quiekten, stehen nur noch wenige Ruinen. Bagger stehen neben güllegefüllten Kellern und riesigen Schrottbergen, ziehen Metall heraus oder verladen Bauschutt. Auf dem mit Sichtschutz abgesperrten, schlammigen Gelände zwischen Alt Tellin und Plötz (Vorpommern-Greifswald) sieht es aus wie in einer Endzeit-Filmszene.

«Das war eine Tragödie hoch 3», beschreibt es Mecklenburg-Vorpommerns Agrar- und Umweltminister Till Backhaus (SPD). Nach einschätzung des Deutschen Tierschutzbundes war es die größte Brandkatastrophe in einem Schweinezuchtbetrieb in Deutschland überhaupt.

Einen Monat nach dem Großbrand in der riesigen Schweinezuchtanlage hat Backhaus die Ruinen besucht und mit etwa 70 Demonstranten diskutiert, die sich vor dem Tor postiert hatten. Sie forderten ein «Ende der industriellen Massentierhaltung.»

«Das will ich doch auch», erläuterte Backhaus, erntete aber Pfeifen und Buh-Rufe. Der «Mega-Stall» der Landwirtschaftlichen Ferkelzucht Deutschland (LFD) Holding war vor zehn Jahren für rund 60.000 Tiere, darunter 10.000 Sauen, genehmigt und gebaut worden - gegen den lauten Protest von Umwelt- und Tierschützern. Am 30. März passierte dann das Schlimme: «Das werde ich nie vergessen, es war 8.58 Uhr als die Brandmeldung kam», sagte der Minister.

Von zuletzt 57.000 Tieren kamen mehr als 55.000 Ferkel und Sauen in den Flammen um. Nur 1.300 Schweine konnten gerettet werden. Die Demonstranten, darunter Linke, Grüne und die Tierschutzpartei, spielten daher zuerst lautes Quieken von Schweinen vor dem Tor ab und legten dann eine Schweigeminute ein.

14 Mitarbeiter einer Spezialfirma sind derzeit dabei, die Ruinen wegzuräumen, wie Standortleiter Rene Drews sagte. Von den Ställen blieben etwa 6.000 Tonnen Metall und jede Menge Betonreste. Von den Tieren blieben rund 2.000 Tonnen Kadaver, von denen 85 Prozent inzwischen den Angaben zufolge weggeräumt sind.

Die übrigen Tiere, meist Ferkel seien durch die verglühten Plastikplatten mit in die Gülle gerutscht. Ihre Entsorgung steht noch aus.

Knapp drei Wochen dauerte es, bis allein die Genehmigungen für die Beseitigung der meisten Kadaver zusammen waren. «So etwas hatten unsere Umweltämter auch noch nie», sagte Backhaus. Die Entsorgung von knapp 1.800 Tonnen Kadaver in eine Tierkörperbeseitigungsanlage, auf eine Sondermülldeponie und in eine Verbrennungsanlage außerhalb von MV sei bisher seuchenhygienisch gut gelaufen.

Doch Demonstranten, Gemeinde und Backhaus richten den Blick auch nach vorn. So solle an dem für Tierhaltung gut geeigneten Standort eine kleinere, tierwohlgerechtere Anlage aufgebaut werden, schlägt Bürgermeister Frank Karstädt (CDU) vor. Dafür hätte die Gemeinde - im Gegensatz zu früher - nun auch ein Mitspracherecht. Nach neuen Bestimmungen müsse es einen Bebauungsplan geben, und diesem würde die Gemeinde nur zustimmen, wenn es in ihrem Interesse sei.

In der alten Größe werde die Zuchtanlage nicht mehr entstehen, sagte der Minister. Das hätten ihm Eigentümer und Betreiber zugesichert. Backhaus schlug vor, «ganz neue Wege zu gehen.» In einem künftigen «Stall 4.0&raquo als Modellanlage, die an Äcker und Wiesen gekoppelt werden müsste, sollten nur «zwei Großvieheinheiten je Hektar Stallung gehalten werden». In einem Beirat sollten die Gemeinden, der Kreis und Umwelt- und Tierschutzverbände mitarbeiten. Der Bund müsse unbedingt ein Prüf- und Zulassungsverfahren erlassen. «Das hätte Renate Künast (Grüne) damals als Umweltministerin schon erlassen können», schimpfte der Agrarminister.

«Mecklenburg-Vorpommern braucht Tierhaltung als Bio-Variante», sagte Backhaus. Zudem sei hier die Viehdichte bundesweit mit 0,36 Großvieheinheiten pro Hektar am geringsten. In Niedersachsen läge diese dreimal, in Schleswig-Holstein doppelt so hoch. Den Aktivisten ist das nicht genug.

Acht Greenpeaceunterstützer waren auf große Futtertürme geklettert, um ein 20 Meter hohes gelbes Banner aufzuhängen, auf dem «Schluss mit dem Schweinesystem» stand.

Über Stunden wurden die Angeseilten von der Polizei bewacht. Mit dem Minister kam es nicht zu einer Diskussion. Auf seine Frage, wovon die Greenpeace-Aktivisten sich ernährten, hieß es: Nicht von Fleisch, Fisch oder Käse. Nach Abschluss der Aktion ermittelt die Polizei wegen Verdachts des Hausfriedensbruchs und des Verstoßes gegen Corona-Einreisesperren gegen die Greenpeace-Leute.

LFD-Sprecher Ralf Beke-Bramkamp äußerte sich noch nicht zu weiteren Plänen. Erst werde der Standort beräumt. Dann soll die Brandursache geklärt sein. Bis dies geklärt ist, soll es auch keine Genehmigung für neue Anlagen geben, sagte Backhaus. Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen Verdachts der fahrlässigen Brandstiftung, hält aber auch einen technischen Defekt für möglich. Erste Ergebnisse werden im Mai erwartet. Der Schaden wird von Ermittlern auf 40 Millionen Euro geschätzt.

Die LFD mit Hauptsitz in Roßdorf bei Genthin gilt als größtes deutsches Ferkelzuchtunternehmen. Sie hat nach eigenen Angaben 400 Mitarbeiter in 11 Betrieben mit rund 55.000 Sauenplätzen in Sachsen-Anhalt, Mecklenburg-Vorpommern, Thüringen, Brandenburg und Bayern.
dpa/mv
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