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28.06.2009 | 07:22 | EU-Agrarsubventionen 

Der «gläserne» Bauer - Bayerns riskanter Extraweg

München - Auf Heller und Pfennig steht es im Internet:

Agrarsubventionen
(c) proplanta
Für jeden zugänglich sind Zahlungen der EU an jeden einzelnen Bauern online veröffentlicht, mit vollem Namen, Wohnort und auf den Cent genau. Alle EU-Staaten haben die Daten online gestellt, nur in Deutschland hakt es: Bayern sträubt sich. Deshalb hat die EU ein Verfahren gegen Berlin eingeleitet. Bundesagrarministerin Ilse Aigner (CSU) hat - wie SPD, Grüne und Naturschützer - Bayern zum Einlenken aufgerufen. Damit geht sie auf Distanz zu Bayerns Ministerpräsident und CSU-Chef Horst Seehofer und dessen Landesagrarminister Helmut Brunner.

«Transparenz ist absolut notwendig», sagt Hubert Weiger, Vorsitzender des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND). «Das gehört zu einem Prinzip der Demokratie.» Beim Genmais habe die Internet-Veröffentlichung der Anbauanträge dazu geführt, dass Bauern auf den Anbau verzichteten. «Das ist ein klarer Beweis dafür: Transparenz hilft.» Bayern hat hingegen datenschutzrechtliche Bedenken, ebenso der Deutsche Bauernverband. Dabei hat mancher Bauer gar nichts gegen die Veröffentlichung. «Da darf jeder jede Mark wissen», sagt Milchbauer Jakob Hackl aus Zachenberg, Nachbar des Hofs von Minister Brunner.

«Nur dem Steuerzahler gehört das richtig erklärt.» Denn: «Wenn ein Bauer 20.000 Euro bekommt, schimpft jeder Steuerzahler - weil er nicht versteht, warum.» Es gehe nicht um Geheimhaltung, sondern um Rechtssicherheit, erklärt Brunners Ministerium. Nach unterschiedlichen Urteilen verschiedener Gerichte ist nun der Europäische Gerichtshof angerufen. «Wir bedauern, dass die EU-Kommission nicht die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes abgewartet hat», kommentierte Brunner das EU-Strafverfahren.

Seine Partei- und Amtskollegin Aigner hatte zuerst auch auf Rechtsklarheit gesetzt und die Veröffentlichung zunächst gestoppt, dann aber nach der Entscheidung einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe eine Offenlegung auch von Bayern verlangt: «Die Bauern haben nichts zu verbergen. Es sind keine Geschenke, sondern es sind Gegenleistungen für Auflagen, die wir von den Bauern verlangen.» Insgesamt erhält Bayern 1,2 Milliarden Euro - bei 118.000 Bauern wären das durchschnittlich 10.000 Euro pro Hof. Die veröffentlichten Beträge anderer Bundesländer zeigen eine breite Spanne: von wenigen Euro bis zu weit mehr als eine Million Euro pro Betrieb.

Schon jetzt stehen auch in Bayern EU-Zahlungen im Internet. Ende 2008 wurden - unter weit geringerem Rummel - die Zahlungen der sogenannten zweiten Säule veröffentlicht, die Umweltleistungen, Landschafts- und Naturschutz honorieren. Jetzt geht es um die Direktzahlungen als Ausgleich unter anderem für höhere europäische Standards, die weitgehend nach Hektar gezahlt werden. Milchbauer Hackl hat mit seinem 80 Hektar großen Hof 2007 bei den Zahlungen für Umweltleistungen den höchsten Betrag im ganzen Ort bekommen, mehr als 18.000 Euro, fast dreimal so viel wie sein Nachbar Brunner. Von Neidattacken hat Hackl nichts gemerkt: «Jeder weiß ja sowieso: Für den Hektar gibt es soundsoviel.» Andernorts allerdings wurden Listen mit den Beträgen im Wirtshaus ausgelegt, es gab dicke Luft am Stammtisch. Denn nicht nur der einzelne Bauer kann gezielt gesucht werden. Es können Listen ganzer Orte erstellt oder Empfänger der höchsten Zahlungen herausgefiltert werden.

Der Deutsche Bauernverband fordert, dass Subventionen in allen Branchen veröffentlicht werden sollen. «Es wird ja auch nicht veröffentlicht, wer die 12 Milliarden nationaler Beihilfen für die gewerbliche Wirtschaft namentlich erhält», sagt Matthias Borst vom Bayerischen Bauernverband. «Wenn man Transparenz haben möchte, müsste man auch alle Empfänger der Abwrackprämie mit Namen und Adresse ins Internet stellen.» Bayerns gewagter Extraweg könnte am Ende hohe Strafen für Deutschland bringen. Brunners Sprecher verspricht jedoch: «Für uns ist klar, dass wir kein finanzielles Risiko eingehen zulasten der Steuerzahler.» (dpa)
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