Als Deutschlands neue Landwirtschaftsministerin Ilse
Aigner (CSU) am frühen Donnerstagmorgen das Ergebnis verkündete, gab sich die 43-Jährige zwar noch ein wenig unsicher, aber konzentriert, gelassen und freundlich lächelnd. Zu diesem Zeitpunkt hatte Aigner an die 24 Stunden im klotzigen Brüsseler Ministerratsgebäude verbracht. Nur knapp drei Wochen nach ihrem Amtsantritt musste sie sich einer denkbar harten Bewährungsprobe stellen.
Der Suche nach einer Lösung im erbitterten Streit um harte Einschnitte bei den jährlich 37 Milliarden Euro schweren Subventionen für Europas Landwirte.Wie EU-Agrarkommissarin Mariann Fischer Boel und eine Reihe ihrer europäischen Amtskollegen musste auch Aigner dafür Federn lassen - dennoch hagelte es am Ende von deutschen Bauern wie von Umweltschützern gleichermaßen Kritik. Allein für die deutschen Landwirte bedeuten die beschlossenen Kürzungen laut
Bauernverband ein Minus von 255 bis 275 Millionen Euro.
Die Politik halte ihre Zusagen nicht ein, heißt es. Dagegen gehen auch die Zusatz-Abgaben für Großbezieher von EU-Agrargeld Hilfsorganisationen wie Oxfam nicht weit genug. «Flächenstarke Großbetriebe und Lebensmittelkonzerne werden weiterhin zu den Hauptprofiteuren der EU-Gelder zählen», schimpft Oxfam-Agrarexpertin Marita Wiggerthale. Aus Ostdeutschland wiederum, wo als Überbleibsel der DDR besonders viele Großfarmen angesiedelt sind, heißt es, der Beschluss sei ungerecht.
Alle Seiten komplett zufrieden zu stellen, «dürfte sehr schwierig sein», erwidert Aigner pragmatisch und fügt schmunzelnd hinzu: «Ich werde gerne in Gesprächen versuchen, darzustellen, was sonst noch alles hätte passieren können.» Die gebürtige Bayerin gab sich während ihres gesamten Brüsseler Auftritts bescheiden, aber selbstbewusst. «Es war für mich natürlich auch eine schwierige Situation, in so langwierige Diskussionen einzusteigen», räumte sie ein. Kurz nach Mitternacht telefonierte sie mit ihrem Amtsvorgänger Horst
Seehofer, der sich nach dem Verhandlungsstand erkundigte.
Aigner machte klar, dass das Ergebnis das bestmögliche war. «Man hätte sich das eine oder andere noch anders vorstellen können, aber es war alles ausgereizt, was auszureizen ging.» Aus Kommissionskreisen erntete die Ministerin Anerkennung. «Sie hat getan, was man von ihr als Neuankömmling erwarten konnte», hieß es. «Sie hat einen guten Job gemacht, sie ist erstaunlich gut eingelesen».
Auch hatte Aigner während der entscheidenden Verhandlungsrunde den erfahrenen Staatssekretär Gert Lindemann an ihrer Seite, der beim gut zwei Jahre währenden Verhandlungspoker zwischen Europäischer Kommission und den 27 Mitgliedstaaten um die Mini-Reform der gemeinsamen EU-Agrarpolitik von Anfang an dabei war. Diese stellt den größten Posten im EU-Haushalt dar und wird von Gegnern als undurchsichtige Geldverschwendung gebrandmarkt, schuldig an «Butterbergen» oder «Weinseen».
Schon 2003 hatten die Europäer deshalb die Zahlungen von der Produktionsmenge entkoppelt. Die Landwirte erhalten seitdem auch für brachliegende Flächen Prämien, müssen aber Landschaftspflege, Umwelt- und Tierschutz betreiben. Zudem läuteten sie den Beginn einer dauerhaften Umverteilung der Direktbeihilfen zugunsten von Projekten der ländlichen Entwicklung ein. Diesen Weg kann Fischer Boel nun weitergehen, wenngleich ihr ursprünglich geforderter Spitzensatz für die Umverteilung bei Großempfängern erheblich eingedampft wurde. Die Mini-Reform ist eine weitere historische Wegmarke in Europas ältestem und finanziell umfangreichstem Politikfeld, der Agrarpolitik.
Auch die Erhöhung der
Milchquote war umstritten. So verhärtet waren die Fronten zeitweise, dass der amtierende Ratspräsident, Frankreichs Agrarminister Michel Barnier, unter anderem mit Deutschland das sogenannte Beichtstuhlverfahren anwenden musste. Das ist üblicherweise das letzte Mittel der EU, wenn gar nichts mehr geht. Aigner wurde zum Einzelgespräch mit Barnier und Fischer Boel gebeten - die ihr anschließend beide Hartnäckigkeit bescheinigten.
Sollte Aigner am Brüsseler Betrieb Gefallen gefunden haben, steht für den 28. November bereits der nächste Agrarministerrat auf dem Programm. Dann will Barnier über die Zukunft der EU-Agrarpolitik nach 2013 beraten lassen, wenn die aktuelle Finanzplanung ausgelaufen ist. Frankreich - größter Profiteur des 55-Milliarden-Euro-Budgets, dürfte dicke Pflöcke einrammen wollen. Ob Aigner sich dann noch mit ihrem Amtsvorgänger beraten kann, ist fraglich. Der jetzige bayerische Ministerpräsident reagierte empört auf die Ausweitung der Milchquote. Die EU sei auf «dem falschen Weg».