Ernährungsministerin Julia Klöckner (CDU) sagte der Deutschen Presse-Agentur, es gehe um eine «vereinte Kraftanstrengung» aller Akteure und höhere Wertschätzung für Nahrungsmittel. «In jedem Produkt stecken wertvolle Ressourcen: Wasser, Energie,
Rohstoffe, aber auch Arbeitskraft, Sorgfalt - und Herzblut.» Angesichts von mehr als 800 Millionen hungernden Menschen auf der Welt bestehe Anlass zum Handeln. Klöckner will dazu am Mittwoch im Kabinett eine «Nationale Strategie zur Reduzierung der Lebensmittelverschwendung» vorlegen.
Vorgesehen sind fünf «Dialogforen» mit Vertretern von Unternehmen, Verbänden, Ländern und Wissenschaft, die konkrete Maßnahmen zum Eindämmen von Nahrungsabfällen erarbeiten sollen. Dabei geht es um die gesamte Kette von der Produktion bis zum Teller. Definiert werden sollen Zielmarken, die der jeweilige Bereich - auf freiwilliger Basis - umsetzen soll:
Bauern, Verarbeiter, Groß- und Einzelhandel, die Außer-Haus-Verpflegung der Gastronomie sowie private Haushalte.
Laut der Strategie, die der Deutschen Presse-Agentur vorliegt, werden dafür unter anderem bessere Prozesse in der Wirtschaft angestrebt - passendere Bestellgrößen, kleinere und häufigere Warenlieferungen, ein Verteilen von Produkten zwischen Filialen oder Preisaktionen. Vor allem Jugendliche und junge Familien sollen mit Informationen über das Internet sensibilisiert werden. Bund und Länder sollen prüfen, ob es Hürden fürs Weitergeben unverkaufter
Lebensmittel an gemeinnützige Organisationen gibt, etwa bei der Haftung. Teil der Strategie ist auch eine Forschungsförderung von 14 Millionen Euro. Dabei geht es etwa um «intelligente» Packungen, die die Verzehrbarkeit anzeigen.
Klöckner betonte das Ziel der Bundesregierung, Lebensmittelabfälle auf Ebene von Einzelhandel und Verbrauchern bis 2030 zu halbieren. Das soll auch zum
Klimaschutz beitragen. Bisher werden laut Studien jährlich elf Millionen Tonnen Lebensmittel weggeworfen - von privaten Haushalten, in der
Lebensmittelwirtschaft, im Handel und bei Großkunden wie der Gastronomie. Auf die Verbraucher entfallen demnach pro Kopf 55 Kilogramm im Jahr.
Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter kritisiert die Strategie. «Nichts als Prüfaufträge und Appelle - das
Landwirtschaftsministerium und Julia Klöckner bleiben ihrer Politik der maximalen Unverbindlichkeit treu», sagte Hofreiter den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Mittwoch). Er forderte «klare Senkungsziele» auch für Lebensmittelproduzenten und den Einzelhandel: «Bis 2025 muss das Ziel sein, mindestens ein Drittel weniger Lebensmittel wegzuwerfen. Alles andere wäre Augenwischerei.»
Der Bundesverband des Deutschen Lebensmittelhandels begrüßt die Pläne. Der
Lebensmittelhandel beteilige sich «mit Augenmaß» an der Strategieumsetzung. Handelsunternehmen müssten immer «eine Balance finden zwischen Wettbewerb, Kundenorientierung und Nachhaltigkeit».
Andere Länder machen's vorIn FRANKREICH gilt seit 2016 ein Gesetz, das Verschwendung besonders im Handel eindämmen soll. Supermärkte mit einer Fläche von mehr als 400 Quadratmetern sind demnach verpflichtet, eine Partnerschaft mit einer Hilfsorganisation abzuschließen, die unverkaufte Lebensmittel abnimmt.
Auch in TSCHECHIEN sind Supermärkte verpflichtet, unverkaufte Lebensmittel an Wohltätigkeitsorganisationen zu spenden. Im vorigen Jahr wurden rund 4200 Tonnen Lebensmittel kostenlos an Bedürftige verteilt - etwa doppelt so viel wie vor Einführung der Abgabepflicht zu Jahresbeginn 2018. Das zeigen Zahlen der Lebensmittelbanken. Unter dem Motto «Rettet das Essen» gibt es zudem eine von der Regierung geförderte Informationskampagne. Bei regelmäßigen Veranstaltungen auf Plätzen und in Parks werden Reste-Gerichte gekocht.
In RUMÄNIEN gibt es seit 2016 eine «Lebensmittelbank» - eine private Initiative, die von Supermärkten Lebensmittel sammelt, die kurz vor dem Verfallsdatum stehen, oder saisonbedingt nicht mehr verkauft werden wie Schoko-Weihnachtsmänner oder Osterhasen. Die Produkte gehen an karitative Vereine, die sie an Bedürftige verteilen. Bisher gibt es drei Sammelstellen für Lebensmittel: in Bukarest, Cluj (Siebenbürgen) und Roman (Provinz Moldau).