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18.07.2011 | 14:48 | Gemeinsame Agrarpolitik 

Österreichische Bauernvertretung kritisiert vorgelegten EU-Budget-Entwurf

Wien - Der von der Europäischen Kommission kürzlich präsentierte Entwurf des EU-Budgets für die Jahre 2014 bis 2020 wird von der Agrarvertretung kritisiert und als unzureichend zurückgewiesen.

Euro-Scheine
(c) proplanta

Landwirtschaftsminister und Landwirtschaftskammer warnen gleichermaßen davor, welche Konsequenzen Einbußen bei Direktzahlungen und der Abgeltung von Umweltleistungen für die Agrarbranche, aber auch die gesamte Gesellschaft hätten. Ihre Forderung: Das künftige EU-Agrarbudget müsse eine Fortsetzung der erfolgreichen, österreichischen Agrarpolitik ermöglichen.

 
Berlakovich: Unsere Vorleistungen belohnen

"Ich will, dass Österreichs Bäuerinnen und Bauern ihren nachhaltigen Erfolgsweg, der der gesamten Bevölkerung zu Gute kommt, fortsetzen können. Dazu sind jedoch ausreichende Finanzmittel nötig. Es ist uns zwar schon in intensiven Gesprächen hinter den Kulissen gelungen, das ursprünglich vermittelte Horrorszenario von bis zu 30 % Kürzung der Agrargelder gemeinsam mit Agrarkommissar Dacian Ciolos zu verhindern, doch jedes Prozent weniger ist ein Prozent zu viel. Es muss vielmehr auch eine Inflationsanpassung geben, die in anderen Bereichen selbstverständlich ist", erklärte Landwirtschaftsminister Nikolaus Berlakovich.
 
"Wir haben erst einige Hürden genommen und noch zahlreiche liegen vor uns", betonte der Landwirtschaftsminister. Drohende Kürzungen stünden nach wie vor im Raum, das brauche die EU-Kommission nicht schönreden. 
 
"Wir waren und sind weiter aktiv daran, Allianzen mit anderen Mitgliedstaaten zu schmieden, um letztendlich eine gute Lösung für unsere Bauern und damit auch die Konsumenten zu erzielen. Die österreichische Landwirtschaft ist für ihre Nachhaltigkeit von höchster europäischer Stelle gelobt worden und darf für diese Vorleistungen keinesfalls bestraft, sondern sollte vielmehr belohnt werden. Ich unterstütze EU-Agrarkommissar Ciolos in seinen Bemühungen, die GAP grüner zu gestalten, allerdings darf das nicht auf Kosten bewährter Programme, wie dem Agrarumweltprogramm geschehen", betont der Minister. "Wir kämpfen dafür, dass es im Zuge der Reform zu keinen extremen Brüchen kommt und die bäuerliche Landwirtschaft in Österreich weiter eine Chance hat", so Berlakovich.

 
Wlodkowski: Mehrfache Herausforderung

"Österreichs Bauern sehen sich gleich mit einer mehrfachen Herausforderung konfrontiert: Die Kürzungen des EU-Agrarbudgets treffen die heimischen Landwirte ebenso, wie die von der EU vorgeschlagene Umverteilung der Direktzahlungen in Richtung östliche Mitgliedstaaten. Darüber hinaus kann das geplante ‚greening’ der 1. Säule der EU-Agrarpolitik einen Teil der Umweltmaßnahmen der 2. Säule, die bisher freiwillig und entgeltlich errichtet worden sind, verpflichtend und ohne Abgeltung vorschreiben. Und schließlich gilt es, die Umstellung vom Flächen- auf das Regionalmodell bei den Direktzahlungen ohne gröbere Verwerfungen im Bundesgebiet zu meistern", erklärte Gerhard Wlodkowski, Präsident der LK Österreich.
 
Konkret verlangte Wlodkowski, die "vorgesehene ‚Begrünung’ der 1. Säule so zu gestalten, dass damit die 2. Säule nicht ausgehöhlt wird." Für die 2. Säule der EU-Agrarpolitik, die in Österreich überaus wichtig ist, weil sie die Ausgleichszahlungen der 1. Säule wesentlich übertrifft (2. Säule umfasst etwa zwei Drittel der EU-Zahlungen), verlangte Wlodkowski vorrangig die "Fortführung des Gesamtprogramms auf dem bisherigen Niveau, den Ausbau der Instrumente zu Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit, wie Investitionshilfen mit Begleitmaßnahmen, weiterhin ein flächendeckendes Umweltprogramm und keine Kürzung bei der Ausgleichszulage für die Benachteiligten Gebiete."
 
Wlodkowski erklärte, dass "die Verhandlungen in den kommenden Monaten sicher nicht leicht werden. Alle Verantwortlichen werden gefordert sein, um eine feste Basis für die Landwirtschaft in Österreich in den Jahren 2014 bis 2020 zu legen." Denn schließlich ginge es um die Zukunft der bäuerlichen Betriebe. Wlodkowski: "Mit dem Budget entscheidet sich, welche Landwirtschaft die Gesellschaft bekommt, eine bäuerliche oder eine industrialisierte".
 
"Die Menschen in Österreich verlangen eine nachhaltige, bäuerliche Landwirtschaft ohne Gentechnik und mit strengen Tierhaltungsbestimmungen. Das alles ist bei global offenen Märkten ohne Abgeltung nicht möglich. Um gegenüber dem Druck freier Märkte besser bestehen zu können, müssen unsere Betriebe die Wettbewerbsfähigkeit weiter steigern. Auch dazu sind genügend Budgetmittel erforderlich", sprach sich Wlodkowski gegen Budgetkürzungen aus.

 
Hautzinger: Lebensmittelversorgung braucht produktive Landwirtschaft

"Wenn in der neuen Periode von 2014 bis 2020 die Gemeinsame Agrarpolitik nicht verstärkt unsere Betriebe unterstützt, wird es nur mehr eine Frage der Zeit sein, wie lange die heimische Landwirtschaft noch in der Lage ist, die Versorgung der Bevölkerung flächendeckend zu gewährleisten. Mit einer Kürzung des Agrarbudgets, wie es die EU beabsichtigt, sehen die zukünftigen Rahmenbedingungen für unsere bäuerlichen Betriebe nicht gut aus", so der Präsident der Burgenländischen Landwirtschaftskammer, Franz Stefan Hautzinger.
 
"Gerade für das Burgenland ist es von besonderer Notwendigkeit, die EU-Programme auf einem Niveau zu halten, welches unsere Betriebe für ihre leistungsbezogenen Arbeiten gerecht entlohnt und eine planbare Zukunft gewährleistet. Im Burgenland musste die Landwirtschaft seit dem EU-Beitritt im Jahr 1995 den größten Strukturwandel hinnehmen. Sind in Österreich die Betriebe seit 1995 um rund 31 % zurückgegangen, (je nach Bundesland zwischen 6,01 % und 58,59 %) so hat das Burgenland mit 58,59 % den größten Strukturwandel verkraften müssen.

Wir müssen verhindern, dass es in den sensiblen Regionen, zu welchen ein Großteil des Burgenlandes gehört, zu einer noch stärkeren Abwanderung kommt und die Dörfer entvölkert werden. Denn mit den meist kleineren und mittleren bäuerlichen Betrieben würden die ländlichen Regionen den wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Motor verlieren. Nur ein Agrarbudget, das einerseits die Wettbewerbsfähigkeit stärkt und andererseits die Leistungen der Bauernfamilien für die Gesellschaft abgilt, ist imstande, diese drohende Entwicklung zu verhindern", erklärte Präsident Hautzinger.
 
Präsident Hautzinger schließt sich auch der Meinung von EU-Agrarkommissar Ciolos an, der die Meinung vertritt, dass die Landwirtschaft wieder mehr zu einer aktiven Landwirtschaft werden soll, deren Schwerpunkt auf die Produktion gerichtet ist, die eben die Eigenversorgung sicherstellt. Dafür ist es notwendig Regionalmodelle zu erstellen. "So wie in der 2. Säule die Umweltaufgaben der Landwirtschaft und die Benachteiligten Gebiete berücksichtigt werden, sollten in der 1. Säule die Landwirte zur Produktion motiviert und befähigt werden, damit Österreich nicht in Importabhängigkeiten gerät, wie es sie schon bei vielen Agrarprodukten gibt. Mit Regionalmodellen, welche diese Faktoren besser berücksichtigen, sehe ich eine Chance, der Landwirtschaft Rahmenbedingungen zu geben, die ihr mittel- und langfristige Perspektiven geben", so Präsident Hautzinger.

 
EU-Budget: Allgemein

Der EU-Haushalt ist ein Spiegelbild der verschiedenen Politiken der Europäischen Union, wobei die Agrarpolitik die einzige wirkliche Gemeinschaftspolitik ist und dadurch auch im Haushalt eine wesentliche Rolle einnimmt.
 
Im EU-Haushalt sind die Ausgaben für die Gemeinsame Agrarpolitik in der Rubrik 2 "Nachhaltiges Wachstum: Natürliche Ressourcen" so wie bisher vorgesehen, wobei unter dieser Position auch die Umwelt- und Klimapolitik sowie die Fischerei enthalten sind.
 
Darüber hinaus werden in der Rubrik "Sonstige Maßnahmen" (formell außerhalb des Finanzrahmens) Ausgaben für Nahrungsmittelsicherheit, Nahrungsmittelunterstützung, Krisen im Agrarsektor etc. geführt, die bisher unmittelbar bei der Gemeinsamen Agrarpolitik angesiedelt waren. Insgesamt handelt es sich dabei um einen Betrag von 15.200 Mio €.
 
Während früher die Agrarpolitik die Spitzenposition im EU-Budget inne hatte, trifft das in der neuen Periode 2014 bis 2020 für die Regional- und Kohäsionspolitik zu. Dieser Politikbereich zielt vor allem auf die Stärkung der Wettbewerbskraft der Regionen und auf die Verminderung der wirtschaftlichen Unterschiede ab. Die dafür eingesetzten Instrumente werden gemeinsam zwischen EU und den Mitgliedstaaten finanziert.

 
EU-Budget: Wie geht es nun weiter?

  • Die finanzielle Mitteilung wird in den nächsten Monaten dem Begutachtungsverfahren durch die verschiedenen europäischen Institutionen (Europäischer Wirtschafts- und Sozialausschuss, Ausschuss der Regionen etc.) unterzogen.
  • Die Ratsebene (Regierungschefs, Fachminister etc. ), das Europäische Parlament sowie die Europäische Kommission müssen auf der Grundlage der Regeln des "Lissabon-Vertrages" einen gemeinsamen Vorschlag erarbeiten.
  • Die Vorstellung der Legislativvorschläge ( = Vorschläge für Verordnungstexte) zu den einzelnen Bereichen, wie Gemeinsame Agrarpolitik, Ländliche Entwicklung erfolgt im Herbst 2011 (voraussichtlich Oktober).
  • Dieser Präsentation folgt dann der gesamte Verhandlungs- und Abstimmungsprozess (siehe oben). (lk-ö)
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