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26.12.2016 | 14:00 | Viehbestandserhebung 

Beschleunigter Strukturwandel in der Tierhaltung

Wiesbaden/Berlin - Der Strukturwandel in der Milchvieh-, aber auch in der Schweinehaltung in Deutschland hat sich beschleunigt.

Strukturwandel Landwirtschaft
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Deutlich mehr Aufgaben von Milchvieh- und Schweinebetrieben als üblich. (c) proplanta
Wie aus den am vergangenen Mittwoch (21.12.) vom Statistischen Bundesamt (Destatis) veröffentlichten Ergebnissen der aktuellen Viehbestandserhebung hervorgeht, lag die Zahl der Zahl der Milchviehbetriebe Anfang November 2016 bei 69.174; das waren 4.081 oder 5,6 % weniger als vor Jahresfrist.

Im vergangenen Jahr hatten rund 3.200 Milchbauern oder 4,2 % der Betriebe aufgegeben. Der Rückgang bei den Schweineproduzenten betrug in den vergangenen zwölf Monaten 5,0 %. Für den Deutschen Bauernverband (DBV) liegen die Ursachen für die gestiegene Aufgaberate in der Milcherzeugung auf der Hand.

„Die Preiskrise hat den Strukturwandel im Milchsektor beschleunigt“, erklärte Milchbauernpräsident Karsten Schmal. Er nannte es inakzeptabel, „dass die wirtschaftlichen Auswirkungen globaler Krisen auf dem Rücken der Landwirte ausgetragen werden“. Unter dem russischen Importembargo für Lebensmittel aus der EU sowie einer erheblich niedrigeren Nachfrage nach Milchprodukten aus Nordafrika oder dem Nahen Osten litten letztlich auch die deutschen Milchbauern. Schmal wies zugleich darauf hin, dass auch in Zeiten besserer Preise die Zahl der Milchbauern abnehme, und zwar vor allem durch den Generationswechsel auf den Betrieben. Langfristig müsse für die Politik daher gelten, „einen verlässlichen Rechtsrahmen zu setzen, mit dem die Landwirte sowohl auf heimischen als auch internationalen Märkten wettbewerbsfähig sein können“.

„Unverantwortliche Vogel-Strauß-Politik“

Der agrarpolitische Sprecher der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen, Friedrich Ostendorff, sieht in den veröffentlichten Zahlen die Warnungen seiner Partei vor einem Strukturbruch bestätigt. Ostendorff warf Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt eine „unverantwortliche Vogel-Strauß-Politik“ vor. Schmidt habe versucht, die Milchmarktkrise auszusitzen. Jetzt stehe man „vor dem Scherbenhaufen dieser Politik“.

Besorgt zeigte sich der Grünen-Politiker zudem über die Entwicklung in der Schweinehaltung. Die konzentriere sich in immer weniger Betrieben und koppele sich vom Markt ab. Angesichts eines Selbstversorgungsgrades in Deutschland von 120 % sei der weitere Ausbau der Schweinehaltung nicht verantwortbar, so Ostendorff. Benötigt werde endlich eine Perspektive für bäuerliche Schweinehalter. Die könne nur in mehr Tierwohl und Qualität liegen. Das bringe gleichzeitig mehr Wertschöpfung in die Betriebe und die Region. Demgegenüber verschärften immer größere Bestände lediglich die ungelösten Probleme zur Entsorgung der Gülle und belasteten massiv das Wasser. Für Ostendorff sind „die Grenzen erreicht“.

Der Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft, Martin Schulz, forderte eine „breite gesellschaftliche Qualitätsstrategie“ für die noch vorhandenen Betriebe. „Für eine tier- und umweltgerechte bäuerliche Tierhaltung brauchen wir mehr Betriebe und mehr Menschen in der Landwirtschaft und nicht weniger“, mahnte Schulz. Rückgang der Sauenhalter überdurchschnittlich Nach Destatis-Angaben wurden am 3. November 2016 hierzulande noch 24.400 Betriebe ermittelt, die mehr als die von der Erfassungsgrenze geforderten 50 Schweine oder zehn Zuchtsauen im Stall hatten. Innerhalb eines Jahres haben damit rund 1.300 Schweineproduzenten und damit jeder Zwanzigste die Haltung aufgegeben. Bei den Zuchtsauenhaltern war der Verlust mit 800 Betrieben oder 5,4  % sogar noch relativ ausgeprägter als bei den Schweinehaltern insgesamt.

Wie der DBV in seinem Situationsbericht 2015/16 darlegt, werden inzwischen mehr als drei Viertel der Schweine in Deutschland in Beständen von mindestens 1.000 Tieren gehalten. Der Anteil dieser Betriebe lag zuletzt bei 38 %. Annähernd zwei Drittel beträgt mittlerweile der Anteil der Zuchtsauen in Beständen mit 250 und mehr Tieren. In diese Kategorie fällt gut ein Fünftel der sauenhaltenden Betriebe.

Auch in der Milchviehhaltung wachsen die Bestände kontinuierlich. Laut Situationsbericht wird inzwischen rund die Hälfte der Kühe in Beständen mit 100 und mehr Tieren gehalten. Während dieser Prozentsatz allerdings in Bayern nur bei rund 13 % liegt, stehen in den neuen Ländern mehr als 90 % der Kühe in größeren Beständen. In Schleswig-Holstein und Niedersachsen sind es allerdings auch bereits jeweils fast zwei Drittel. Im Bundesdurchschnitt hält ein Milchbauer 60 Kühe. Die Spanne reicht von 37 Kühen in Bayern, 43 Kühen in Baden-Württemberg und 47 Kühen in Hessen bis mehr als 220 Tieren je Betrieb in Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern.

Hohe Aufgaberate in Nordrhein-Westfalen

Die größten Rückgänge bei den Milchviehbetrieben verzeichneten im zu Ende gehenden Jahr Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg. Dort stiegen jeweils gut 9 % der Milchviehhalter aus der Erzeugung aus. In Brandenburg waren es 8 %, gefolgt von Hessen, Bayern, Niedersachsen und Rheinland-Pfalz mit jeweils knapp unter 5 %. Bei den schweinehaltenden Betrieben gab es in Hessen mit einemMinus von 9,1 % die höchste Aufgaberate. In Baden-Württemberg haben in den zwölf Monaten bis Anfang November dieses Jahres 7,7 % der Schweineproduzenten aufgegeben; in Niedersachsen waren es gut 6 % und in Nordrhein-Westfalen etwas mehr als 5 %.

Einen Einbruch seiner Sauenhaltung erlebte Schleswig-Holstein. Dort hat 2016 ein Viertel aller Ferkelerzeuger die Produktion aufgegeben. In Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen waren es jeweils etwa 9 %, in Baden-Württemberg und Bayern jeweils rund 8 %. Die meisten Betriebe mit Schweinehaltung gibt es nach wie vor in Nordrhein-Westfalen mit 7.400. Dahinter rangieren Niedersachsen mit 6.200 sowie Bayern mit 5.400.

Wachstumsschwelle bei mehr als 100 Hektar

Bemerkbar macht sich der Strukturwandel auch in einer wachsenden Flächenausstattung der Betriebe. So steigt die sogenannte Wachstumsschwelle, unterhalb derer die Zahl der Betriebe ab- und oberhalb derer sie zunimmt, stetig an. Mittlerweile liegt die Wachstumsschwelle bei über 100 ha. Rund 60 % der insgesamt landwirtschaftlich genutzten Fläche (LF) in Deutschland wird aktuell von Betrieben mit mehr als 100 ha bewirtschaftet. Im Jahr 2015 verfügten 36.200 Betriebe über mehr als 100 ha; acht Jahre zuvor waren es weniger als 32.000 Betriebe. Der Situationsbericht verweist dabei auf ein deutliches Nord-Süd-Gefälle.

Bei der letzten Bodennutzungshaupterhebung im Jahr 2015 verfügten die Betriebe im bundesweiten Schnitt über rund 60 ha. Während dieser Wert jedoch in Bayern und Baden-Württemberg bei jeweils 34,2 ha lag, waren es in Mecklenburg-Vorpommern fast 290 ha, in Sachsen-Anhalt annähernd 270 ha und in Brandenburg rund 250 ha. Im Westen rangiert Schleswig-Holstein mit gut 76 ha an der Spitze.

Der Bauernverband betont im Zusammenhang mit diesen Zahlen allerdings, dass die Flächenausstattung allein keine Aussage über die betriebliche Wettbewerbsfähigkeit zulasse. Die könne auch bei geringerer Betriebsgröße etwa durch den Anbau von Sonderkulturen, besondere Vermarktungsformen und eine intensive Tierhaltung gegeben sein.

Relativ stabile Betriebszahl im Osten

Die Gesamtzahl der landwirtschaftlichen Betriebe in Deutschland nahm zwischen 2007 und 2016 um 46.200 oder 14 % auf 275.400 ab. Pro Jahr entspricht dies einer durchschnittlichen Abnahmerate von 1,7 %. In den Jahrzehnten zuvor hatte die jährliche Abnahmerate im Mittel rund 3 % betragen. Allerdings wurde die Grenze der statistisch erfassten Betriebe ab 2007 auf 5 ha LF angehoben. Geht man davon aus, dass die Zahl der seither nicht mehr erfassten Betriebe um die Hälfte zurückgegangen ist, ergibt sich eine jährliche Abnahmerate von durchschnittlich 2,4 %. Die Produktion aufgegeben haben vor allem Betriebe in Westdeutschland. Demgegenüber ist die Zahl der Betriebe in den neuen Ländern weitgehend stabil geblieben: Lag deren Zahl im Jahr 2007 bei 24.800 waren es acht Jahre später immerhin noch rund 24.200.
AgE
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