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11.12.2022 | 11:23 | Biomärkte 

Experten suchen Wege aus der „Biomilchkrise“

Bonn - Die Suche nach gangbaren Wegen aus der aktuellen „Biomilchkrise“ beschäftigt derzeit sowohl Vertreter aus dem Molkereisektor und der Biobranche als auch Politiker.

Biomilch
Absatz von Biomilcherzeugnissen schwächelt in der Inflationskrise - Erzeugerpreise für Ökomilch kaum noch über denen für konventionelle Milch - Spiller regt staatliche Informationskampagne für Bio an - Bioland will Nachhaltigkeitsleistungen der Erzeuger mit Hilfe des Artikels 210a der GMO vergüten - Upländer Bauernmolkerei sieht Wachstumsmöglichkeiten - Häusling warnt vor weiterem Rückgang einer nachhaltigen Milchviehhaltung. (c) proplanta
Ob die Absatzflaute bei Bioprodukten nur eine vorrübergehende Erscheinung ist und Maßnahmen zur Stützung des Biomilchmarktes ergriffen werden müssen, stellte am Montag (5.12.) der Agrarsprecher der Grünen im Europaparlament, Martin Häusling, in einer Expertenrunde zur Diskussion.

Fakt ist zumindest, dass die Verbraucher in Zeiten hoher Inflation sparsamer einkaufen; betroffen davon sind auch ökologisch erzeugte Milcherzeugnisse. Die Erzeugerpreise für Biomilch sind in diesem Jahr deutlich weniger gestiegen als im konventionellen Bereich; sie lagen im Bundesmittel zuletzt nur noch 3 Cent/kg über denen der normalen Milch.

Der Agrarökonom Prof. Achim Spiller von der Universität Göttingen machte deutlich, dass die gegenwärtige Preisentwicklung dem Markt geschuldet sei. Die Erzeugung bei konventioneller Milch nehme ab, bei Biomilch jedoch zu. Im Vergleich zur Corona-Zeit sei die Nachfrage für Biomilchprodukte gesunken und schwäche sich nun Inflationsbedingt ab.

„Hohe Energiepreise sind kein Push für Bio“, so Spiller. Die Nachfrageschwäche sei aber wohl eher „eine Delle“, denn die langfristen Wertvorstellungen der Verbraucher hätten sich nicht geändert. Diese gelte es zu stärken, denn eine höhere Nachfrage sei für den Erfolg einer ökologischeren Erzeugung zentral. Deshalb empfiehlt Spiller dem Staat, eine neue Informationskampagne für Bio aufzulegen, wie es sie schon einmal vor rund 20 Jahren gab.

Erzeugerkosten transparent machen



Laut dem Präsidenten des Anbauverbandes Bioland, Jan Plagge, sind die Erzeugerpreise für Biomilch angesichts gestiegener Produktionskosten nicht kostendeckend. Es müsse der gesamten Vermarktungskette transparent gemacht werden, dass zu wenig bei den Landwirten ankomme.

Eine Chance, die Nachhaltigkeitsleistungen der Biomilcherzeuger langfristig in Wert zu stellen, sieht Plagge im neuen Artikel 210a der Gemeinsamen Marktorganisation (GMO) der Europäischen Union. Dieser erlaubt Nachhaltigkeitsinitiativen Ausnahmen vom Kartellrecht, wenn diese über die gesetzlichen Regelungen hinausgehen.

Bioland habe deshalb das Projekt „Mehrwertsicherung Milch“ gestartet, mit welchem Nachhaltigkeitsleistungen der Erzeuger von der Wertschöpfungskette vergütet werden sollen, so Plagge. Das sei ein „Paradigmenwechsel“, weil die Preisberechnung von den Erzeugern und nicht „von oben nach unten“ erfolge.

30 Prozent Bio unwahrscheinlich



„Bio ist ein bisschen in der Krise“, erklärte der Mitbegründer der Upländer Bauernmolkerei, Josef Jacobi. Die Erzeuger sollten jedoch „nicht nervös werden“, denn Marktschwankungen habe es schon immer gegeben.

Den konventionellen Milcherzeugern gönne er den marktbedingten Preisanstieg von ganzem Herzen, betonte Jacobi. Seine Biomolkerei habe ein Mengensystem eingeführt, um Übermengen zu vermeiden. Durch den Molkereineubau würden die Absatzmengen nun aber größer.

„Wir wollen wachsen und werden unter einer Handelsmarke auch an Discounter liefern“, so Jacobi. Um am Markt zu bestehen, seien gute Bioprodukte aus der Region der Schlüssel. Der Markt für ökologische und nachhaltig erzeugte Produkte werde weiter wachsen. Dass, wie von der Regierung gewünscht, ein Marktanteil von 30 % für Bio im Milchbereich erreicht werde, glaube er allerdings nicht. Auch Agrarwissenschaftler Spiller hält diesen Anteil für schwer zu erreichen.

Kuh kein Klimasünder



In der Diskussion um den Klimawandel „darf die Kuh nicht unter die Klimaräder kommen“, warnte Häusling. Eine nicht mit importierten Soja, sondern mit Grünfutter vom heimischen Acker versorgte Kuh sei nämlich „kein Klimasünder“; vielmehr trage sie wesentlich zum Erhalt des wichtigen Grünlandes als Kohlenstoffsenke bei. Dies müsse in der öffentlichen Diskussion noch mehr in den Vordergrund gerückt werden, forderte der Grünen-Politiker.

Ein weiterer Rückgang der Milchviehhalter sei unbedingt zu vermeiden. „Dafür müsse die Politik in Berlin und Brüssel Perspektiven schaffen“, betonte Häusling. Die Erzeugung von Milch und Rindfleisch aus Laboren sei der falsche Weg.
AgE
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