Allerdings könnten die Landwirte als Folge der aktuellen Knappheit von Düngemitteln am
Weltmarkt ihre Furchtfolgepläne ändern. Möglich sei zum Beispiel die Umstellung auf den Anbau von
Sojabohnen und anderen Hülsenfrüchten, die mit Hilfe von
Knöllchenbakterien Stickstoff aus der Atmosphäre aufnehmen und im Boden fixieren könnten.
Dem
IGC zufolge ist die Aussaat von Sojabohnen in Südamerika bereits in vollem Gange. Die Landwirte in Brasilien dürften allerdings noch recht gut mit Dünger versorgt sein. Daten der Nationalen Vereinigung der Düngemittelbranche (ANDA) zeigen laut Getreiderat nämlich, dass die betreffenden Auslieferungen für das laufende Jahr Ende Juni 18,8 Mio. t Dünger erreicht haben; das wären sogar 16%mehr als zum Vorjahreszeitpunkt. Zudem bewegten sich die Erzeugerpreise für Sojabohnen und Mais auf einem attraktiven Niveau.
Ertragsrückgänge möglichDie Auswirkungen der Düngemittelknappheit auf die
Ernteaussichten 2022/23 sind nach Ansicht des IGC noch ungewiss. Wenn die Landwirte wegen der höheren
Düngemittelpreise weniger düngten, würde sich dies aber wahrscheinlich negativ auf die Erträge auf dem Acker auswirken. Auch die Folgen der höheren Inputkosten auf die Getreidepreise sind den Londoner Experten zufolge wegen der zahlreichen Faktoren, die bei der Preisbildung sowohl auf der Angebots- als auch auf der Nachfrageseite eine Rolle spielen, höchst unsicher.
Allerdings könnte die kaum prognostizierbare Entwicklung der Inputkosten die Bereitschaft der Landwirte zu Terminverkäufen ihrer Ackerfrüchte einschränken. In der Folge würde die Warenbeschaffung des Handels und der Exporteure erschwert, so dass die
Volatilität an den Getreide- und Ölsaatenmärkten steigen könnte.
Intensive Düngernachfrage für Mais und SojaWie der IGC im Rückblick auf die Entwicklungen am Düngemittelmarkt ausführt, erreichten die Notierungen für Harnstoff Ende September ein Mehrjahreshoch bei rund 727 $/t (626 Euro) fob US-Golf; das entsprach im Vergleich zum Vorjahreszeitpunkt einem Plus von mehr als 200 % .Auch die Preise für Diammoniumphosphat (DAP) seien kräftig gestiegen. Diese Entwicklungen führen die Londoner Fachleute unter anderem auf die zunächst intensive Nachfrage als Folge der Anbauflächenausweitung für Mais und Sojabohnen zur Ernte 2020/21 und 2021/22 zurück.
In den vergangenen Monaten seien dann die steigenden Inputkosten der
Düngemittelhersteller bei erheblicher Volatilität auf den globalen Energiemärkten hinzugekommen. Außerdem hätten Handelsbeschränkungen und logistische Herausforderungen eine Rolle gespielt.
Weniger Gas in den SpeichernNach Angaben des Getreiderates waren die internationalen Erdgaspreise im bisherigen Verlauf von 2021 erheblichen Schwankungen unterworfen. Als Auslöser für die Verteuerung führen die Fachleute unter anderem die Erholung der Volkswirtschaften von der coronabedingten Konjunkturabschwächung an. Außerdem seien Investitionen in neue Produktionskapazitäten wegen der Pandemie und der Umstellung vieler Märkte auf erneuerbare Energiequellen für die
Stromerzeugung verzögert worden.
Bereits im Januar dieses Jahres hätten die Gaspreise einen Höchststand erreicht, weil der kalte Winter auf der Nordhalbkugel die Nachfrage der Haushalte nach Heizmaterial angekurbelt habe und dadurch die weltweiten
Lagerbestände abgebaut worden seien. In den Sommermonaten seien die globalen Gasspeicher nicht so stark wie ursprünglich erwartet aufgestockt worden, weil erneuerbare Energiequellen wie die Windkraft schlecht abgeschnitten hätten. Deshalb sei die Gasnachfrage für die Stromerzeugung gestiegen.
Gas aus Russland knappWeil nun eine weitere Winterperiode bevorsteht, haben sich laut IGC die Preise für
Energieträger in den vergangenen Wochen deutlich befestigt. Darauf hätten einige Düngemittelhersteller mit der Einschränkung oder gar dem Stopp ihrer Produktion reagiert. Dies betreffe vor allem Unternehmen in Europa, weil exportfähiges Gas aus Russland knapp sei.
Nun werde befürchtet, dass eine Kaltwetterperiode die Gasnachfrage noch ankurbeln und die Preise in den kommenden Monaten weiter stützen könnte. Dadurch könnte die Düngemittelproduktion im Vorfeld der Aussaat 2022/23 zusätzlich eingeschränkt werden.
Bei der industriellen Herstellung von Ammoniak nach dem Haber-Bosch-Verfahren wird Erdgas genützt. Das Ammoniak wird dann als Stickstoffquelle für die Erzeugung von Harnstoff und DAP verwendet.
Phosphate aus China fehlenWie der IGC außerdem feststellt, wurden die Düngemittelpreise auch durch Ausfuhrbeschränkungen Chinas gestützt. Die Volksrepublik ist der global größte Verbraucher von Düngemitteln. Dort werde Ammoniak überwiegend mit Kohle hergestellt. Auf den internationalen Kohlemärkten sei jedoch eine ähnliche
Preisvolatilität wie bei Gas zu beobachten gewesen.
Derweil hätten in China lokale Kohleengpässe zu Stromausfällen und Stopps der Düngemittelproduktion geführt. Außerdem habe das „Reich der Mitte“ seine Erzeugung durch strengere Umweltvorschriften eingeschränkt. Im Juli 2021 habe Peking auf die steigenden Inlandskosten mit Ausfuhrbeschränkungen für Düngemittel reagiert. Davon betroffen seien auch Phosphate, die ein wichtiger Rohstoff für die Herstellung von DAP sind. China sei der wichtigste Phosphatlieferant der Welt. Dessen
Exportbeschränkungen für Phosphate dürften laut Getreiderat noch bis Juni 2022 in Kraft bleiben.
Belarussische Kaliexporte unsicherDas globale Phosphatangebot sei zusätzlich verknappt worden durch den Hurrikan Ida, der Ende August 2021 Verarbeitungswerke an der US-Golfküste beschädigt habe, so der Getreiderat weiter. Die betroffenen Unternehmen hätten die Erzeugung für notwendige Reparaturen unterbrechen müssen. Auch die Preise für
Kali seien gestiegen.
Auslöser dieser Verteuerung seien Spekulationen, dass Belarus als Reaktion auf internationale Sanktionen seine Ausfuhren dieses Düngemittels zurückfahren könnte. Darüber hinaus hätten steigende internationale Frachtraten und der Mangel an Schiffscontainern die Lieferkosten für Düngemittel für die Endverbraucher in die Höhe getrieben.
Umrechnungskurs: 1 $ = 0,8618 Euro