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26.12.2016 | 14:13 | Rohstoffbörsen 

Wie und wo entstehen Preise von Agrarprodukten?

Berlin / Hamburg - Das Herz der globalen Rohstoffmärkte schlägt in London, Paris und Chicago.

Rohstoffhandel
Öl, Metalle, Getreide, bald wohl auch Milch - Terminbörsen gelten als wichtiges Instrument, um mehr Stabilität in den weltweiten Handel mit Rohstoffen zu bekommen. Es gibt aber auch Risiken, «Spekulation» ist das Reizwort schlechthin. Helfen oder schaden solche Geschäfte eher? (c) proplanta
Hier läuft ein großer Teil des Handels mit denjenigen natürlichen Ressourcen ab, die für die Ernährung und Energieversorgung von Milliarden Menschen sowie Herstellung zahlloser Produkte unentbehrlich sind. Den sogenannten Termingeschäften schlägt jedoch regelmäßig auch viel Kritik entgegen. Fragen und Antworten:

Was sind Terminmärkte, und wie funktionieren sie?

Wir sind es meist gewohnt, nach Kauf oder Bestellung eines Produkts direkt zu zahlen. An den Finanzmärkten ist das oft nicht so. Hier gibt es neben sofort ausgeführten Geschäften («Spot»/«Kassa») auch viele Deals, bei denen die Abwicklung in der Zukunft liegt - aber zu schon heute vereinbarten Konditionen. Käufer und Verkäufer einigen sich dann auf eine Umsetzung per Termin («Future»).

Ein Stahlkonzern kann etwa Monate im Voraus Eisenerz ordern und weiß genau, was ihn das später kostet. Oder eine Agrargenossenschaft verkauft die nächste Weizenernte, obwohl es die noch gar nicht gibt.

Großhändler und Verarbeiter versuchen, sich mit solchen Vorverträgen Teile des künftigen Angebots zu sichern. Der Deutsche Bauernverband schlug vor kurzem Ähnliches für Milch vor - in der Hoffnung, so das gefährlich niedrige Preisniveau anzuheben: «Genossenschaften und Molkereien könnten Preisvorteile dann an die Landwirte weitergeben.»

Warum sind solche Geschäfte für die Wirtschaft wichtig?

Generell soll der Terminhandel die Märkte stabilisieren. «Auch wenn nur eine Handvoll Teilnehmer dabei ist, wäre das sinnvoll», meint Commerzbank-Rohstoffanalyst Eugen Weinberg mit Blick auf die Milch. «Es würde Transparenz schaffen.» Aber auch in vielen anderen Branchen erfüllen Termingeschäfte eine zentrale Funktion. Im Einkauf großer Öl-, Rohstoff- oder Chemiekonzerne ist eine langfristige Planung ohne teilweise abgesicherte Preise und Mengen nicht denkbar.

Grundsätzlich gilt: Wenn die für einen späteren Zeitpunkt erwarteten Preise von den aktuellen abweichen, kann es sich lohnen, auf künftige Preise zu spekulieren. Ziel ist es, beim Liefertermin keinen Verlust zu machen, falls das Preisniveau in der Zwischenzeit in den Keller geht. Setzt er auf höhere Preise zum späteren Zeitpunkt, hofft der Händler, dass er heute günstig einsteigen und später teurer verkaufen kann. Umgekehrt ist es, wenn ein niedrigerer Preis erwartet wird. Dann versucht der Händler, zum jetzt (noch) hohen Tarif zu verkaufen.

Wo gibt es schon Terminmärkte?

Bekannte Beispiele sind der Handel mit Metallen, Kohle oder Erdöl. Dafür gibt es Börsen, an denen täglich Milliarden umgesetzt werden. Bei Metallen wie Kupfer und Zink läuft das etwa über die London Metal Exchange. Relativ rohstoffarme Länder wie Deutschland sind darauf angewiesen: Laut der Bundesbehörde BGR fiel der Wert der heimischen Rohstoffproduktion 2015 um 100 Millionen auf 13,4 Milliarden Euro.

Agrargüter wie Getreide, Soja oder Zucker werden vor allem in Chicago und Paris ge- und verkauft. «Grundsätzlich bleibt der Terminhandel auch in Zeiten drastisch schwankender Rohstoffpreise ein wichtiges Instrument», heißt es bei Europas zweitgrößtem Agrarhändler Agravis.

Für Währungen und Aktien gibt es ebenfalls «Futures». Energiekonzerne wie Eon und RWE handeln zudem große Strommengen über Terminbörsen, um schon Jahre im Voraus mit der Preisentwicklung kalkulieren zu können.

Wo lauern Gefahren?

Geht ein Termingeschäft auf, wird die Risikobereitschaft der Akteure belohnt. Probleme können entstehen, wenn die Spekulation von reiner Finanz-Zockerei angetrieben ist. Solche Spekulanten wollen oft gar nicht in reale Güter investieren. Sie setzen auf Preisanstiege etwa von Agrar-«Futures», um diese mit hohem Gewinn weiterzuverkaufen.

Viele Beobachter finden es zynisch, mit Wetten auf Nahrung Geld zu verdienen. Häufig schlagen Preistrends nur schwach auf verarbeitete Lebensmittel durch. Für die Bevölkerung in Entwicklungsländern und ärmere Menschen kann das aber bereits einen großen Unterschied bedeuten. Werden Mais und Soja teurer, ächzen Futtermittel-Anbieter unter Mehrkosten - mit Folgen etwa für Fleisch, Eier und Milch.

Etliche Termingeschäfte sind stark kreditfinanziert und brauchen nur wenig Eigenmittel des Spekulanten. Und Skeptiker weisen auf möglichen Missbrauch durch Insider-Spekulation (Wetten «gegen den Markt») oder Leerverkäufe (Spekulation mit bloß geliehenen Zertifikaten) hin.

Ist Spekulation also unterm Strich etwas Schlechtes?

Das lässt sich pauschal keinesfalls sagen. Bei realen Gütern kann sie stabilisierend wirken, wenn etwa nach der Ernte Teile des Angebots durch Lagerung verknappt und die Erzeugerpreise so gefestigt werden.

Es komme auf die Umstände an, betont Weinberg. Als Grundmechanismus sei Spekulation wichtig, und für Milch könnte ein Terminmarkt passen: «Im Gegensatz zu Getreide sind die Mengen hier nicht wetterabhängig - man kann sie stabiler einschätzen.» In einigen Ländern wie Neuseeland gebe es sogar bereits spezielle Kontrakte für Milch und Milchpulver.

Turbulenzen können spekulative Geschäfte aus Sicht vieler Ökonomen dagegen vor allem bei Finanzprodukten auslösen. Einige Banken haben das Geschäft mit Agrarzertifikaten unabhängig davon eingestellt.
dpa
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