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31.05.2023 | 00:01 | Windkraftausbau 

Bayerns Windkraftausbau: Maximaler Gewinn statt Bürgerfreundlichkeit?

München - Der Energiehunger im Landkreis Altötting unweit des bayerischen Chemiedreiecks ist schier gigantisch. Rund 0,5 Prozent der gesamten deutschen Strommenge werden hier von Konzernen wie Wacker oder Linde verbraucht.

Windkraftausbau Bayern
Offizielle Leitlinie für den Ausbau der Windenergie in Bayern ist die «absolute Kommunalfreundlichkeit». Die Vergabepraxis lässt aber nicht nur daran Zweifel aufkommen. (c) proplanta
Kein Wunder, dass genau hier eines der größten Windprojekte des Landes entstehen soll - 30 bis 40 Anlagen sind im Staatsforst geplant. Wer jedoch hofft, dass entsprechend der Aussagen der Staatsregierung und der Staatsforsten bei der Umsetzung Kommunalfreundlichkeit und Bürgermodelle zum Zuge kommen, der irrt. Wie in der Branche längst bekannt zu sein scheint, hat Qair, ein großes, weltweit agierendes Unternehmen aus Frankreich, die Ausschreibung gewonnen.

Wer sich zu dem noch nicht offiziell bestätigten Gerücht aus der Windkraftszene bei den Staatsforsten erkundigt, erfährt etwas anderes: «Das Auswahlverfahren für Windenergieanlagen im Landkreis Altötting ist inzwischen erfolgreich abgeschlossen. Hier hat sich ein Projektierer mit Sitz in Bayern durchgesetzt», sagte ein Sprecher auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur. Doch was unerwähnt bleibt: er meint damit die Münchner Green City AG, die wiederum nach ihrer Insolvenz im vergangenen Jahr von der QairGroup übernommen wurde.

In der Branche ist die Vergabepraxis der Staatsforsten für die Windräder kein einfaches Thema. Immer wieder hört man hier von Klagen, dass entgegen aller Bekundungen am Ende doch nur der maximale Gewinn im Vordergrund steht und nicht Leitlinien wie «absolute Kommunalfreundlichkeit» oder «flächenschonende Umsetzung».

Die Staatsforsten (BaySF) weisen diesen Vorwurf vehement von sich, hier ist die Rede von transparenten und diskriminierungsfreien Verfahren und von einem Auswahlprozess, der sicherstellen soll, «dass von den Kommunen eingebrachte Belange (zum Beispiel Art und Umfang von Bürgerbeteiligungsmodellen) nicht durch wirtschaftliche Kriterien (zum Beispiel Höhe der Pachtzahlungen) ausgehebelt werden können».

Ein Blick in die Anlange 4 für den Altöttinger Forst, die sogenannte Prüfungsmatrix, lässt daran aber durchaus Zweifel aufkommen: Von den 100 Punkten, die dort bei Erfüllung diverser Kriterien verteilt werden, entfallen 62 Punkte auf das finanziell beste Angebot, wie auch Martin Stümpfig, energiepolitischer Sprecher der Grünen im Landtag, betont: «Die restlichen Punkte sind meist sogenannte Fußgängerpunkte. Sie sind erreichbar durch eine gute fachliche Planung und solide Datengrundlage. Das gehört heute zum Standard.»

Dagegen summieren sich die zu vergebenden Punkte, bei denen es tatsächlich um gute Lösungen für den Wald geht, sich gerade einmal auf maximal 16 Punkte. Für den kleinsten Eingriff in den Wald, also die kleinste Rodungsfläche werden nur maximal 16 Punkte vergeben.

Stümpfigs Kritik geht - wie die vieler Projektierer, die aber nicht namentlich genannt werden wollen - aber noch weiter: Sie monieren, dass die viel beschworene Bürgerbeteiligung gar keine Rolle im Vergabeverfahren spielt. Die Bewerber müssten sich lediglich bereit erklären, 0,2 Cent pro erzeugter Kilowattstunde an die Kommune abzugeben. «Auch das gehört heute zum Standard. Warum wird in der Ausschreibung nicht die Vorlage des Konzepts zur Bürgerbeteiligung verlangt und mit hoher Punktzahl belohnt? Diese Ausschreibung ist grottenschlecht», sagt Stümpfig.

Zwar sei klar, dass der Ausbau der Windkraft nicht nur mit kleinen Anbietern möglich sei, wenn aber nur große Projektierer den Zuschlag bekommen, würden die Pachtpreise schnell maximal in die Höhe getrieben. «Das ist ein Schaden für den Windkraftausbau in ganz Bayern, weil die Preise kaputt gemacht werden und schädlich für die Akzeptanz der Windkraft» seien, so Stümpfig.

Wie die Staatsforsten weist auch das zuständige Forstministerium die Kritik am Punktesystem zurück: «Lediglich 42 von 100 Punkten beziehen sich dabei auf Umsatzbeteiligung und Mindestpacht für BaySF. Die übrigen 20 Punkte beziehen sich auf Angaben zur Wirtschaftlichkeitsrechnung und Projektfinanzierung», heißt es in einer aktuellen Parlamentarischen Anfrage.
dpa/lby
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