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01.08.2013 | 16:04 | Gasversorger 

Bundesgerichtshof kippt Gaspreiserhöhungen

Karlsruhe/Essen - Rückschlag für Deutschlands Gasversorger: Der Bundesgerichtshof hat frühere Gaspreis-Erhöhungen wegen Intransparenz gekippt.

Gaspreise 2013
(c) Michael Shake - fotolia.com
Ob Kunden deshalb auch ihre aktuellen Rechnungen anfechten können, ist allerdings noch unklar. Die schriftlichen Urteilsgründe liegen noch nicht vor. Versorger und Verbraucherschützer interpretieren das Urteil unterschiedlich. Klar scheint nur eins: Künftig werden die Vertragsklauseln wohl noch komplizierter, um neuen Klagen aus dem Weg zu gehen. Vielleicht bekommen die Kunden künftig auch bei jeder Preisanpassung einen ganz neuen Vertrag.

Worum ging es im konkreten Fall?

Die Verbraucherzentrale NRW hat im Namen von 25 Verbrauchern gegen vier Preiserhöhungen beim Essener Energiekonzern RWE in den Jahren 2003 bis 2005 geklagt. Die Verbraucherschützer halten die Erhöhungen für ungenügend begründet und fordern 16 128,63 Euro zurück. Die 25 Verbraucher waren sogenannte Sonderkunden, das heißt, sie hatten aktiv einen Vertrag mit ihrem Versorger abgeschlossen. Solche Verträge laufen bis zu zwei Jahre, während die gewöhnliche Grundversorgung nach den Gesetzesvorgaben innerhalb zwei Wochen kündbar ist. Wegen der langen Laufzeit verlangen Verbraucherschützer für Sonderkunden besondere Transparenzauflagen für Preiserhöhungen.

Da Energie zu den Grundbedürfnissen gehört, bekommt jeder Haushalt mit Gasanschluss von seinem Versorger auf gesetzlicher Grundlage automatisch Gas und am Jahresende eine Abrechnung darüber. Das ist die sogenannte Grundversorgung. Wer aktiv auf seinen Versorger zugeht und beispielsweise einen günstigeren Tarif aushandelt oder den Versorger wechselt, bekommt einen Sonderkundenvertrag. Um diesen Kundenkreis geht bei dem Urteil.

Was wird RWE vorgeworfen?

RWE hatte - wie in der Branche weithin üblich - bei der Klausel für Preiserhöhungen in den Verträgen einfach auf die gesetzliche Regelung der Gas-Grundversorgung verwiesen. Das waren zum Zeitpunkt der Schreiben die «Allgemeinen Vertragsbedingungen (AV) Gas», später die weitgehend gleiche «Grundversorgungsverordnung Gas». Nach der aktuell gültigen Fassung verlangt sie für Preiserhöhungen nur ein Erhöhungsschreiben und das Einstellen im Internet sowie ein Sonderkündigungsrecht. Das reicht aus Sicht der Verbraucherzentrale nicht. Die Verbraucherschützer verlangen eine transparente Darstellung von Grund und Ablauf der Erhöhung und eine klare Aufstellung der jetzigen und künftigen Entgelte. Darin wurden sie jetzt vom BGH bestätigt.

Was hat das für Folgen?

Zunächst mal bekommen die 25 Kläger ihr Geld zurück, sobald das schriftliche Urteil vorliegt. Das sind im Schnitt immerhin über 600 Euro für jeden. Viel wichtiger ist natürlich, ob das Urteil auf aktuelle Gasverträge übertragbar ist. Dann würden hohe Lasten auf die Versorger zukommen. Bundesweit werden fast 20 Millionen Haushalte mit Gas versorgt. Sonderkunden sind dabei die Mehrheit - Schätzungen variieren zwischen 60 und 70 Prozent. Und nach der gültigen BGH-Rechtsprechung sind Rückforderungen grundsätzlich für drei Jahre möglich - das hieße die 2012er, 2011er und - je nach Datum - auch noch die 2010er-Rechnung.

Was sagt RWE dazu?

RWE betont, dass sich das Unternehmen stets an die BGH-Rechtsprechung und die gesetzliche Regelung gehalten habe, die doch eigentlich gerichtsfest sein müsste. Bei den konkret beklagten Fällen bezögen sich die Preiserhöhungsklauseln noch auf die alte AV Gas, die seit 2006 in den Verträgen durch die neue Versorgungsverordnung abgelöst wurde. Deshalb sei das Urteil nicht auf heutige Verträge übertragbar. Auch der Versorgerverband BDEW hält eine mögliche Übertragbarkeit für «fraglich», will aber erst das schriftliche Urteil abwarten.

Und die Verbraucherzentrale?

Die Verbraucherzentrale ist sich sicher, dass nun auch Preisklauseln in aktuellen Verträgen angegriffen werden können. Sie warnt die Versorger vor einer Prozesswelle und ruft zu außergerichtlichen Massenvergleichen auf.

Ist das zu erwarten?

Kurzfristig auf jeden Fall nicht. Viele Versorger stehen wegen der Energiewende und starken Einbußen in der Stromerzeugung ohnehin schlecht da. Sie werden das schriftliche Urteil abwarten und in der Hoffnung auf bessere Bedingungen am Energiemarkt auf Zeit spielen, wie Fachleute erwarten. Ganz sicher werden sie aber ihre Vertragsbedingungen überarbeiten, um sie wasserdicht zu machen. Möglicherweise würden künftig Preiserhöhungsklauseln ganz gestrichen und stattdessen komplett neue Verträge bei jeder Preisbewegung vorgelegt, heißt es in der Branche. (dpa)
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