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12.04.2023 | 14:51 | Atomausstieg 

Ringen um Atomkraft bis zur letzten Minute

Berlin - Wenige Tage vor der Abschaltung der letzten deutschen Atomkraftwerke reißt der Unmut über die lange beschlossene Maßnahme nicht ab. Kritik kommt weiter aus der Wirtschaft, aber auch aus der FDP.

Atomausstieg 2023
Am Samstag soll Schluss sein mit der Nutzung der Atomenergie in Deutschland. Das ist schon lange klar. Dennoch wird bis zum letzten Tag darüber gestritten. (c) proplanta
Die Liberalen wollen die drei AKW zumindest in Reserve halten und nicht gleich zurückbauen. Der TÜV-Verband hält das Aus ebenfalls nicht für notwendig. Ex-Umweltminister Jürgen Trittin von den Grünen, der den ersten Atomausstieg mit verhandelt hatte, verteidigte das endgültige Ende der Atomkraft in Deutschland.

Am Samstag sollen die drei verbliebenen Kernkraftwerke - Isar 2 in Bayern, Emsland in Niedersachsen und Neckarwestheim 2 in Baden-Württemberg - in Deutschland endgültig vom Netz gehen. Eigentlich sollte dies schon Ende vergangenen Jahres passieren. Wegen des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine und der dadurch ausgelösten Energiekrise beschloss die Ampel-Koalition im vergangenen Jahr jedoch, die Meiler über den Winter noch weiterlaufen zu lassen.

Nun soll am 15. April nach rund 60 Jahren Schluss sein mit der Nutzung der Kernenergie hierzulande. 2002 beschloss die rot-grüne Regierung ein Ende der Atomstromproduktion nach einer «Regellaufzeit» von 32 Jahren pro Kraftwerk. Neubauten waren nicht mehr erlaubt. Acht Jahre später verlängerte die CDU/CSU/FDP-Koalition die Laufzeiten wieder. Doch nach der Atomkatastrophe von Fukushima 2011 setzte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) den endgültigen Ausstieg durch.

Die Atomkraft habe keine Zukunft, sagte Ex-Umweltminister Trittin dem «Tagesspiegel» (Mittwoch). Schon heute sei AKW-Strom vier- bis fünffach so teuer wie Strom aus Solar- und Windkraftanlagen. Weltweit würden nicht einmal fünf Prozent der Energie durch Atomkraft produziert. «Atomkraft ist eine Nischentechnologie», sagte der Umweltminister der Jahre 1998 bis 2005.

FDP-Vize Wolfgang Kubicki kritisierte den Atomausstieg hingegen scharf. «Die Abschaltung der weltweit modernsten und sichersten Atomkraftwerke in Deutschland ist ein dramatischer Irrtum, der für uns noch schmerzhafte ökonomische und ökologische Konsequenzen haben wird», warnte Kubicki in den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Mittwoch).

Die FDP wirbt nun damit, die drei AKW zumindest noch in Reserve zu halten und nicht sofort mit dem Rückbau zu beginnen. «Man kann sie wieder anwerfen, wenn es denn zu einer schwierigen Situation kommt», beschrieb Fraktionschef Christian Dürr in den ARD-«Tagesthemen» diese Option. «Das ist kompletter Unsinn», kommentierte Trittin diese Idee. Die Rechtslage würde dies nicht ermöglichen, sagte er.

Wie andere Wirtschaftsverbände hadert auch der Mittelstand mit dem Aus der Kernkraft und befürchtet negative Folgen für die Unternehmen. «Der Atomstrom war bisher relativ günstig und insbesondere der versorgungssicherste», sagte Markus Jerger, Vorstand des Mittelstandsverbandes BVMW den Funke-Zeitungen. Aktuell habe Deutschland weltweit die höchsten Energiepreise. «Und manche Branchen gehen deshalb auf den Knien. Einige unserer Mitglieder haben die Strompreise bereits in den Ruin getrieben», klagte Jerger. Er mahnte, jetzt «die Versorgungssicherheit und vor allem Bezahlbarkeit von Strom im Auge zu behalten».

Die Präsidentin des Wirtschaftsrates der CDU, Astrid Hamker, bezeichnete das AKW-Aus als «große Gefahr für den Wirtschaftsstandort Deutschland». Die Abschaltung verteuere die Strompreise für die Unternehmen, sagte Hamker dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND/Mittwoch). Die Bundesregierung befördere damit «die weitere Abwanderung von Know-how und den Verlust von sicheren Industriearbeitsplätzen».

Aus Sicht des Geschäftsführers des TÜV-Verbands, Joachim Bühler, hätten die drei AKW noch «bis Ende des Jahrzehnts sicher weiterlaufen können». «Die Anlagen befinden sich in einem sehr guten Zustand», stellte Bühler in der «Bild»-Zeitung (Mittwoch) fest. Sie seien 1988 und 1989 in Betrieb genommen worden und für eine Betriebsdauer von mindestens 40 Jahren ausgelegt. «Aus sicherheitstechnischer Sicht könnten bei regelmäßiger Wartung und der entsprechenden Sicherheitsprüfung die drei Kernkraftwerke noch einige Jahre betrieben werden», sagte Bühler.
dpa
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