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01.01.2011 | 10:03 | Energiepolitik 

Was bringt das epochale Energiekonzept 2011?

Berlin - Selten ist in Deutschland so über Energiepolitik diskutiert worden wie im Herbst 2010.

Atomkraftwerk
«Vier (Energiekonzerne) gewinnen - Millionen verlieren», machten die Stadtwerke ihrem Ärger über die längeren Atomlaufzeiten in großformatigen Anzeigen Luft. Und Kanzlerin Angela Merkel war auf einem Greenpeace-Banner an der CDU- Zentrale in Berlin zu sehen, wie sie RWE-Chef Jürgen Großmann zuprostet. Die Kernenergie trägt aktuell zwar noch ein Viertel zur Stromproduktion bei. Mit ihrem «epochalen» Energiekonzept will die Regierung aber vor allem den erneuerbaren Energien den Weg ebnen.
2011 soll ein Zehn-Punkte-Plan umgesetzt werden. Doch vieles ist widersprüchlich und offen.


Was steht nun ganz oben auf der Agenda?

Die Bundesregierung will die Genehmigungsverfahren für neue Windparks auf hoher See bündeln und beschleunigen. Zudem soll der Anschluss mehrerer Windparks an eine Anschlussleitung ermöglicht werden, um den Ausbau effizienter und verträglicher für die Natur zu realisieren. Ein fünf Milliarden Euro schweres Kreditprogramm der staatlichen KfW- Bank soll den raschen Bau von zehn Offshore-Windparks ermöglichen. Die Energiekonzerne betonen jedoch, Offshore-Windkraft sei schwieriger, als man es sich vorgestellt habe. Immer wieder gibt es massive technische Probleme bei den Anlagen.


Was ist bei der Ökostrom-Förderung und beim Strompreis zu erwarten?

Da der Netz- und Speicherausbau nicht mit dem Zuwachs bei Sonnen- und Windenergie Schritt hält, denkt die Regierung über weitere Förderkürzungen vor allem bei der Solarenergie nach. Für die Verbraucher dürfte der Strompreis weiter steigen. Nicht nur die Ökostromförderung kostet (2011: ca. 17 Milliarden Euro), auch der massive Netzausbau wird dabei zu Buche schlagen. Die Schätzungen gehen hier von mindestens zehn Milliarden Euro bis 2020 aus.


Auch eine drastische Energieeinsparung ist ein wichtiger Aspekt bei der geplanten Energiewende. Was ist hier 2011 geplant?

Bei der Gebäudesanierung soll eine Offensive gestartet werden, um langfristig den Energieverbrauch um bis zu 80 Prozent zu senken. Von 18 Millionen Gebäuden müssen rund 12 Millionen saniert werden. Das
Problem: Für 2011 stehen nur knapp 950 Millionen Euro zur Verfügung, für 2012 ist bisher gar kein Geld eingeplant. Experten halten drei Milliarden Euro jährlich an Förderung für notwendig, um möglichst viele Bürger zum Dämmen der Wände und Austauschen von Fenstern zu bewegen. Die Regierung will für Vermieter in den ersten Monaten 2011 im neuen Mietrecht zusätzliche Anreize schaffen, etwa dass es kein Recht auf Mietminderung mehr gibt bei energetischen Sanierungen.


Es gibt immer mehr Ökostrom. Wie verträgt sich das mit längeren Atomlaufzeiten?

Das ist eine der größten Herausforderungen. Kernkraftwerke sollen durch vermehrtes Rauf- und Runteregeln die je nach Wetter schwankende Stromproduktion aus Sonne und Wind ausgleichen. Atomgegner sehen eine Gefahr, weil so das Material massiv beansprucht werde. RWE-Vorstand Gerd Jäger weist Sicherheitsbedenken zurück: «Der Kernenergie kommt zugute, dass sie relativ niedrige Temperaturen von 300 Grad und niedrigere Drücke hat».

Bei der Kohlekraft seien die Temperaturen doppelt so hoch. Der Unions-Umweltexperte Josef Göppel (CSU) betont, die Branche müsse nun beweisen, dass sie recht hat. Umweltverbände fürchten, dass es angesichts mangelnder Regelfähigkeit der AKW schon bald Forderungen der Energiebranche nach einem Einspeisevorrang für Atomstrom geben könnte. Schon jetzt müssen aus Gründen der Netzstabilität immer wieder Windräder vom Netz genommen werden.


Ohne Netze ist die Energiewende nicht zu schaffen. Was soll hier passieren, um voranzukommen?

Wind- und Solarstrom wird oft da erzeugt, wo es wegen eines geringen Verbrauchs kaum Stromautobahnen gibt. Im Dezember wurde von den Netzbetreibern angekündigt, das Netz im Osten und Norden Deutschlands in den kommenden zehn Jahren für 3,3 Milliarden Euro auszubauen. Bis 2020 sind allein 1,5 Milliarden Euro zur Anbindung von Windparks in der Ostsee vorgesehen.

Der Chef der Deutschen Energieagentur (dena), Stephan Kohler, sagt, der Widerstand in der Bevölkerung gegen neue Stromtrassen habe zu erheblichen Verzögerungen geführt. Jedes Jahr müssten nun hunderte Kilometer neuer Trassen gebaut werden. Angesichts der Widerstände seien vereinzelt auch weit teurere Erdkabeltrassen denkbar.


Die Speicherung von überschüssigen Ökostrom steckt noch in den Kinderschuhen. Was passiert hier?

Solange es keine entsprechenden Netze und Speicher gibt, ist auch ein Ausstieg aus Atom- und Kohleenergie schwierig. Die Kapazitäten in Deutschland bei Pumpspeicherkraftwerken sind begrenzt. Dabei wird Wasser nach oben in riesige Becken gepumpt. Bei Strombedarf werden Schleusen geöffnet, das Wasser schießt nach unten und treibt Turbinen an, die Strom erzeugen.

Norwegen hofft mit seinen riesigen Kapazitäten deutschen Strom speichern zu dürfen. Doch es fehlen Leitungen und die Option könnte viel zu teuer sein. Die Konzerne wollen 2011 bei neuen Techniken vorankommen. RWE tüftelt an einem Druckluftspeicherkraftwerk: Luft wird in Zeiten mit viel Strom komprimiert und in eine Salzkaverne gepresst. Wenn Strom gebraucht wird, wird die Luft in eine Turbine zur Stromerzeugung entlassen. (dpa)

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