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16.10.2009 | 07:03 | Wirtschaft & Wissenschaft  

Den doppelt Erfolgreichen gehört die Welt

Zürich - “Hochschule oder Industrie: Wohin führt der Weg?“

Forscherin
(c) Darren Baker - fotolia.com
So lautete das Thema der Podiumsdiskussion vom Dienstagabend in einer brechend vollen Semper Aula. Eingeladen hatte die Akademische Vereinigung des Mittelbaus der ETH Zürich, geleitet wurde die Veranstaltung von Fernsehmoderator Kurt Aeschbacher.

Mehr als ein Drittel aller Doktoranden und Postdocs der ETH strebt eine Karriere in der Wissenschaft an. Dies ergab eine Umfrage der Akademische Vereinigung des Mittelbaus der ETH Zürich (AVETH), wie Ruth Hüttenhain, Co-Präsidentin der AVETH, in der Einleitung zur Diskussion am Dienstagabend sage. Die meisten streben dieses Ziel wohl vergeblich an, denn Professuren sind bekanntermassen rar und hart umkämpft. Über Karrieremöglichkeiten in der Wirtschaft wiederum fühlen sich fast zwei Drittel der hochqualifizierten ETH-Absolventinnen und -absolventen gemäss Umfrage nicht genügend informiert.

Was also braucht es, um doch in der Wissenschaft zu reüssieren? Und was erwarten Industrie und Beratung von ETH-Abgängerinnen und -abgängern? Antworten gaben stellvertretend für die Seite der Wissenschaft Ralph Eichler, Präsident der ETH Zürich, und Martin Schwab, Professor am Institut für Hirnforschung der Universität Zürich und Professor für Neurowissenschaften an der ETH Zürich, für die Seite der Wirtschaft Manuel Aschwanden, CEO des ETH-Spin-Offs Optotune, Thomas Hofmann, Director Engineering Zürich von Google Schweiz, und Torsten Hoffmann, Head of Discovery Chemistry bei Hoffmann La-Roche, und für die Seite der Beratung Markus Leibundgut, Partner McKinsey & Company Switzerland.


Es zählt die persönliche Motivation

Zu Beginn wollte Moderator Kurt Aeschbacher wissen, ob der wissenschaftliche Weg überhaupt noch Chancen bietet. «Ja», lautete die dezidierte Antwort des ETH-Präsidenten Ralph Eichler. «Wir holen die Besten der Welt, und wir sollten stolz darauf sein, dass 40 Prozent davon Schweizer sind.» Die Annahme, dass nur die Aggressivsten Karriere machen, wies er zurück.

Unterstützt wurde er darin von Neurowissenschafter Martin Schwab: Man müsse kein Haifisch sein, sagte dieser. Die Wissenschaft biete die Möglichkeit, gross rauszukommen, wenn jemand einen guten Befund zu einer klassischen Fragestellung liefere. Die persönliche Motivation hält Schwab für den wichtigsten langfristigen Erfolgsfaktor, zumal Wissenschaft auch Durchhalten in harten Zeiten bedeute. Man müsse zudem bereit sein, viel Zeit in die Forschung zu investieren und deswegen unter Umständen auf eine eigene Familie verzichten. «Wir stehen in internationaler Konkurrenz, das heisst der Konkurrenz der besten Idee und der besten Resultate», sagte er - und dieser Wettbewerb habe seinen Preis.


Auch Sport und soziales Engagement zählen

Doch wie wählt der ETH-Präsident die «schlauen Leute», die er an der Institution haben will, aus der Menge talentierter Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler aus? Eichler: «Man möchte jemanden, der in zwei ganz unterschiedlichen Umfeldern Erfolg hatte, zum Beispiel auch in einem anderen kulturellen Umfeld». Konsequenterweise schickt er seine besten Doktorandinnen und Doktoranden erst einmal weg - «und, wenn sie dort gut sind, dürfen sie wiederkommen».

Ganz ähnlich schallte es von der Seite der Wirtschaft. Auch Torsten Hoffmann von Hoffmann La-Roche pries die Auslanderfahrung und wünschte sich zudem, dass sich junge Forscherinnen und Forscher fernab der Heimat in einem fachfremden Gebiet bewährten. Den Hauptgrund dafür lieferte Markus Leibundgut, Partner bei McKinsey: «Man muss zeigen, dass man woanders etwas Gutes gemacht hat, denn nur wenn man an zwei Orten erfolgreich gewesen ist, ist es klar, dass der Erfolg kein Resultat des Zufalls, sondern das Resultat der eigenen Fähigkeiten gewesen ist.» Für ihn muss dieser «zweite Ort» aber nicht zwangsläufig eine andere wissenschaftliche Leistung im Ausland sein, auch sportliche Leistungen oder soziales Engagement zählen.


Neugier, Kreativität, Eigenständigkeit und Teamfähigkeit

Die wichtigsten anderen Qualitäten, welche die Exponenten der Wirtschaft neben herausragender akademischer Qualifikation forderten, waren Neugier, Kreativität, Eigenständigkeit und die vielbeschworene Teamfähigkeit. «In der Beratung arbeiten wir einerseits inhaltlich an Problemen, andererseits aber auch sehr stark mit Menschen. Die beste Theorie bringt nichts, wenn es in der Umsetzung mit den Menschen nicht klappt», erläuterte Leibundgut. Torsten Hoffmann von Hoffmann La-Roche hält das Zusammenspiel im Team ebenfalls für essenziell - weshalb er Kandidatinnen und Kandidaten nicht nur einen ganzen Tag in Hinblick auf verschiedene Charaktereigenschaften testen lässt, sondern auch zu einem Tête-à-tête im Rahmen eines Abendessen einlädt. Dr. Thomas Hofmann, Director Engineering Zürich, Google Schweiz, relativierte allerdings: «Wir stellen auch Personen, die an der Grenze zum Autismus sind, ein, wenn sie ausgezeichnete Fachkenntnisse besitzen. Es ist die Mischung im Team, die’s macht.»

Und wie sieht es für PhDs und Postdocs aus, die mit einer selbstständigen Tätigkeit liebäugeln, etwa ein Spin-off gründen wollen? «Wenn man eine gute Idee hat, kriegt man immer noch Geld», zeigte sich Manuel Aschwanden vom ETH Spin-off Optotune überzeugt. Er selbst hatte das Thema seiner Doktorarbeit allerdings strategisch gewählt und empfiehlt dies auch anderen. «Es hilft, Forschung zu betreiben, die nah an der Praxis ist.»


Von der Wirtschaft zurück in die Wissenschaft

Gegen Ende der Podiumsveranstaltung nutzte das Publikum die Gelegenheit, Fragen zu stellen. Ob es denn möglich sei, in die Wissenschaft zurückzukehren, wenn man ihr einmal den Rücken gekehrt habe, wollte Zuhörer etwa wissen. Eichler beschied ihm: «Man muss zuerst ein ‹Champ› in seinem Gebiet in der Industrie werden. Dann hat man durchaus Chancen.» Er berufe immer wieder Professoren aus der Industrie an die ETH. Schwab ergänzte, dass die Stelle in der Industrie müsse viel Forschung beinhalten oder wenigstens viel Kreativität erfordern; schliesslich gehe es um einen hervorragenden Leistungsausweis.


Es braucht nicht nur Spitzenforscher

Ein weiteres Mitglied des Mittelbaus fragte besorgt, welche Chancen bei all den Rufen nach Exzellenz in Wissenschaft und Industrie noch diejenigen ETH-Absolventinnen und -Absolventen haben, deren Forschungsarbeit gut, aber nicht hervorragend ist. Schwab antwortete, es gebe sehr viele Jobbereiche, die auch solchen ETH-Abgängerinnen und -abgängern eine gute Lebensqualität ermöglichten, zum Beispiel Marketing, Patentwesen, Biotech-Firmen, Vertrieb und klinische Forschung. Berater Leibundgut hakte philosophisch ein: «Wenn man bereit ist zu akzeptieren, dass einen andere überholen, kann man die Karriere auch langsamer angehen und etwas anderes machen im Leben. Der Notenmassstab ist nicht das einzige, das letztendlich zählt.» (ETH-Zürich / Autor: Iwona Eberle)
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