Mit einer Größe von 377.000 Quadratkilometern sei er der größte, der seit 2005 auf dem Binnenmeer gesichtet wurde, sagte der Leiter des WWF-Ostseebüros, Jochen Lamp, am Mittwoch in Stralsund. Der Algenteppich zieht sich nach WWF-Angaben von Finnland bis zur Pommerschen Bucht vor Rügen. Er hat nach Angaben von Behörden aber noch nicht die deutschen Badestrände erreicht.
Ursachen für die explosionsartige Ausbreitung seien die Hitze, wenig Wind und der hohe Nährstoffgehalt der Ostsee. Nach Angaben Lamps verschärft sich das Sauerstoffproblem in der Ostsee nun noch. Für Badegäste in Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern besteht nach Angaben der Behörden kein Grund zur Besorgnis.
«Auch die Badestrände im östlichen Teil vor Rügen, Usedom, Stralsund und Greifswald sind aktuellen Messungen zufolge frei von Blaualgen», sagte die Sprecherin des Landesamtes für Gesundheit und Soziales, Anja Neutzling. Auf der Haffseite der Insel Usedom waren am Wochenende an vier Badestellen Warnschilder aufgestellt worden.
Nach Angaben des Instituts für Ostseeforschung in Rostock- Warnemünde (IOW) sind von den Blaualgen derzeit vor allem die nördliche und zentrale Ostsee betroffen - also Gebiete vor Finnland, Schweden, Russland und den baltischen Staaten bis nach Bornholm. Die Angaben des WWF zur Größe des Teppichs konnte das Institut nicht bestätigen. «Die Satellitenbilder werden derzeit ausgewertet», sagte der Mikrobiologe Klaus Jürgens.
«Blaualgen breiten sich seit Jahrzehnten jeden Sommer in der Ostsee aus.» Grund sei die starke Belastung der Ostsee mit Phosphaten, vor allem durch die Landwirtschaft, erläuterte Jürgens. Bei der derzeit ruhigen See seien die Blaualgen besonders gut zu sehen. Ob es aber mehr Algen als in den Vorjahren sind, sei nicht erwiesen. Bei Sturm könnten die Teppiche schnell verschwinden, trotzdem seien die Algen dann immer noch da. Dass sich der Algenfilm vor allem in der Mitte der Ostsee bilde, hänge mit der dort stabilen thermischen Schichtung der Wassersäule zusammen, erklärte Jürgens. Das Landesamt für Umwelt, Natur und Geologie in Mecklenburg-Vorpommern will an diesem Donnerstag ein Beobachtungsschiff vor die deutsche Küste schicken, um Wasserproben zu nehmen. Ergebnisse sollen am Freitag vorliegen.
Ersten Informationen zufolge handelt es sich um für die Ostsee typische Arten der Gattungen Anabaena und Nodularia. «Diese Arten sind potenziell toxisch und können bei Kontakt Hautreizungen hervorrufen», sagte die Leiterin der Abteilung Umweltanalytik, Katrin Stein. Zudem könne es beim Verschlucken größerer Mengen zu Magen-Darm-Problemen kommen. «Wirklich gefährdet sind dabei vor allem Tiere, die belastetes Wasser trinken.» Trotzdem empfehlen die Behörden, bei sichtbaren Blaualgenbefall nicht zu baden.
Der WWF warf den Ostseeanrainer-Staaten angesichts der Algenexplosion Halbherzigkeit im Umweltschutz vor. Zum einen beschlössen die Staaten ehrgeizige Ziele zum Stopp des Nährstoffeintrags, heizten die Überdüngung aber weiter an. So sei in Schweden die Düngemittelsteuer abgeschafft worden. In Mecklenburg- Vorpommern wurde das Landeswassergesetz geändert. Statt bis auf sieben Meter Abstand dürfe jetzt bis auf einen Meter an Gräben und Bäche heran gedüngt und gespritzt werden, sagte Lamp. Über diese Gewässer gelangten die Nährstoffe ins Meer. (dpa)
Hintergrund:
Blaualgen - uralt und manchmal giftig
Blaualgen sind uralte Lebewesen und wahrscheinlich schon seit 3,5 Milliarden Jahren auf der Erde. Es gibt rund 1500 verschiedene Arten, manche davon produzieren Gifte. Die Mikroorganismen finden sich weltweit fast überall: In heißen Quellen, unter dem Eis der Arktis, im Süßwasser und im Boden. Sie bilden schleimige schwarzblaue Krusten auf Gestein oder meterlange Büschel im Wasser, aber auch rote, blaue oder grüne Wasserblüten.
Einige Arten produzieren Nerven- oder Lebergifte, die schon Fische und Vieh töteten. Auch bei Menschen kann es zu Hautreizungen und Vergiftungen kommen. Die Gattung Spirulina wurde andererseits schon von den Azteken gegessen. Heute wird sie in Deutschland als Nahrungsergänzungsmittel verkauft.
Streng biologisch zählen die Blaualgen zu den Bakterien und heißen Cyanobakterien. Sie vermehren sich durch Teilung. Sind ideale Bedingungen wie Wärme und Nährstoffe vorhanden, kann das sehr rasch geschehen. Dabei bilden sie nicht nur eklig aussehende Teppiche auf dem Wasser, sondern manchmal auch Gifte. Beim Abbau verbrauchen sie viel Sauerstoff.
Manche Cyanobakterien scheiden Geosmin aus und verleihen dann zum Beispiel dem Trinkwasser in Talsperren einen erdigen Geschmack. Cyanobakterien sind essenziell für das Leben, wie wir es kennen. Sie hatten schon vor mehr als zwei Milliarden Jahren so große Sauerstoffmengen produziert, dass sich um die Erde herum eine schützende Ozonschicht bildete, die aus Sauerstoffatomen besteht. Damit wurde das Leben an Land erst möglich.
Zugleich stehen sie am Ursprung aller grünen Pflanzen. Nach einer Theorie sind sie einmal in Urpflanzen eingewandert und bildeten sich dann zu den grünen Kraftwerken in den Blättern um, die Sauerstoff produzieren.