„Mit der Entwicklung des Lebensstandards in Schwellenländern normalisieren sich auch die dortigen Ernährungsgewohnheiten – und damit der Konsum von tierischen Produkten“, sagt Wilhelm F. Thywissen, Vorsitzender von OVID – Verband der ölsaatenverarbeitenden Industrie in Deutschland.
Es ist somit ein Trugschluss, den bestehenden und wachsenden Fleischkonsum per se zu verteufeln und im nächsten Schritt daraus die Folgerung abzuleiten, die Importe von Soja(bohnen) in die EU wären Kern des vermeintlichen Problems und der Hebel für eine Lösung. Zum einen: Mit dem Verzicht auf Sojaimporte würde sich nicht der Fleischkonsum und folglich die Fleischproduktion reduzieren. Vielmehr würde allein die Wertschöpfung der Produktion in Länder wie Südamerika verlagert und das Fleisch von dort importiert – ohne die europäischen Qualitätsstandards sicher stellen zu können. Zum anderen: Es geht nicht allein um den Fleischkonsum: Proteinfuttermittel sind ein wesentlicher Bestandteil der Tierernährung – und damit ebenso essenziell für die Produktion von Milch, Milchprodukten und Eiern.
Deutschland und Europa können nicht auf Sojaimporte als hochwertige Proteinquelle verzichten. Deutschland verfügt nicht über die klimatischen Bedingungen, um ausreichend Proteinfuttermittel zu produzieren; eine intensive politische Förderung heimischer Leguminosen hat daran nichts geändert. Selbst der im letzten Jahrzehnt gestiegene
Rapsanbau und das daraus gewonnene Rapsschrot reichen bei weitem nicht aus.
Zudem ist der weltweite Bedarf an Sojaöl nicht zu vernachlässigen. Weltweit ist Sojaöl neben Palmöl das bedeutendste Pflanzenöl, 2010 wurden rund 40 Mio. Tonnen produziert. Sojaöl wird besonders in den asiatischen Märkten nachgefragt und ist ein wichtiger Bestandteil der Ernährung in den ärmsten Entwicklungsländern. Aus Sojabohnen werden rund 20 % Öl und 80 % Sojaschrot gewonnen, d. h. bei der Produktion von 1 Tonne Sojaöl fallen rund 4 Tonnen Sojaschrot an. Es geht beim Anbau von Soja also letztlich nicht allein um den Fleischkonsum in den Industriestaaten, sondern auch um die Versorgung von Schwellenund Entwicklungsländern mit gesundem Sojaöl und einem höheren Anteil an tierischen Produkten. Die Verarbeitung von Sojabohnen in der EU zu Sojaöl und Sojaschrot als Futtermittel ist daher nicht Teil des Problems. Vielmehr leistet sie einen Beitrag zur weltweiten Versorgung.
Eine bewusste Ernährung ist erstrebenswert und Informationen zur richtigen Zusammensetzung sind wichtig. Die Entscheidung, welches und wie viel Fleisch oder Milchprodukte man essen möchte, liegt jedoch bei jedem Einzelnen. Vielmehr ist erforderlich, dass Soja wie auch andere
Agrarprodukte nachhaltig angebaut werden, d. h. ohne Schutzgebiete zu zerstören. Der
WWF hat mit dem RTRS (Round Table on Responsible Soy) selbst eine solche Initiative zu nachhaltigem Sojaanbau gestartet. (ovid)