Kein Wunder: Sie befindet sich im Innern einer preußischen Befestigungsanlage aus dem Jahr 1887 - umschlossen von dicken Steinmauern und geschützt von Eisentüren. Hier bauen Angestellte eines Start-ups Pilze, Sprossen und Salat an - mit Öko-Label und nach eigenen Angaben auf energiesparende Weise.
«Diesen Ort zu recyceln, die Idee finde ich superinteressant», sagt Raphaël Maret, 29 Jahre alt. Vorher habe das ehemalige Pulvermagazin jahrelang leergestanden. Mit der Bio-Farm kehre ein bisschen Leben in den etwas heruntergekommenen Stadtteil nahe des Bahnhofs zurück.
Tag für Tag pflegt Maret im Modergeruch die Pilze und Pflanzen in dem Gewölbe - und muss dabei eine Atemmaske tragen. Die braucht er wegen der vielen
Sporen, die die Pilze an die
Luft abgeben. Die Shitake- und Austern-Pilze wachsen hier aus plastikumhüllten Stroh-Blöcken. In langen Reihen stehen die Quader unter dem groben Mauerwerk. Die Pilze sprießen aus Löchern in der Folie und erinnern dabei ein wenig an blasse Geschwüre.
«Depressiv macht der Job nicht», sagt Maret. Aber wenn draußen die Sonne scheine, vergesse er schon manchmal die Begeisterung, die er eigentlich für das Projekt hege.
Seit vergangenem Jahr produziert der «Bunker comestible» (etwa «Essbarer Bunker») Nahrungsmittel. Maret und seine Kollegin Anne-Laure Labrune ernten nach eigenen Angaben schon mal 150 Kilogramm Pilze pro Woche, 80 Schälchen mit Sprossen und 150 Kilogramm Endivien. Bisher kämpfe man allerdings noch mit großen Produktionsschwankungen. Verkauft wird vor allem an Märkte, Kantinen und Großhändler.
Nur Pflanzen und Pilze, die mit den besonderen Bedingungen in dem alten Preußen-Bauwerk zurechtkommen, werden hier angebaut: Die Endivien brauchen gar kein Licht, die Pilze wenig, und die Sprossen werden mit pinkfarbenem LED-Licht bestrahlt. Ein paar verdorrte Keimlinge zeugen von gescheiterten Experimenten mit neuen Sorten, aber im Großen und Ganzen laufe die Produktion gut, betonen beide.
Ein Kilo Shiitake-Pilze aus dem Bunker kostet nach Angaben von Start-up-Gründer Théophile Champagnat um die 15 Euro, ein Schälchen Sprossen 3 Euro. Mit seiner Firma Cycloponics, zu der der «Bunker comestible» gehört, hat Champagnat noch ein ähnliches Projekt in einem ehemaligen Pariser Parkhaus ins Leben gerufen. Noch schreibe die Firma keine schwarzen Zahlen, sagt er. Die Bilanzen seien aber fast ausgeglichen. Geplant seien auf lange Sicht weitere unterirdische Farmen in anderen Städten. «Warum nicht auch in Deutschland?»
Der Bund Ökologische
Lebensmittelwirtschaft will den «Bunker» nicht grundsätzlich bewerten. Dazu müsse sie das Projekt besser kennen, sagt Sprecherin Joyce Moewius. Sie betont aber: «Bio plus regional plus saisonal, das ist auf jeden Fall erste Wahl.» Und zumindest die ersten beiden Grundsätze träfen zu.
Auch in anderen Städten haben Indoor-Farmen bereits Fuß gefasst: So betreibt ein Londoner Start-up
Gemüseanbau in einem Weltkriegsbunker. In Brüssel werden unterirdisch Pilze mit Hilfe von Bierbrauer-Resten gezogen.
Der Hunger auf regional produzierte Nahrung wächst Studien zufolge seit Jahren. Nach Angaben der Gesellschaft für Konsumforschung (
GfK) gab im Jahr 2016 die Hälfte aller deutschen
Konsumenten an,
Lebensmittel aus der Region kaufen zu wollen, auch wenn die Preise dafür höher sind. Sechs Jahre zuvor lag der Anteil noch sieben Prozentpunkte niedriger.
Ob Projekte wie das im Straßburger Bunker künftig einen Platz außerhalb der Nische finden können? Der Generalsekretär des Deutschen Bauernverbands, Bernhard Krüsken, ist da skeptisch. «Das Potenzial an Flächen, die dafür zu mobilisieren sind, ist überschaubar», sagt er. Auch mache eine solche Produktion nur dann Sinn, wenn die Energiebilanz tatsächlich gut sei. Grundsätzlich sei es aber sinnvoll, die
Landwirtschaft in die Städte zu bringen, sagt Krüsken - weil sich die Leute dann damit beschäftigten.