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27.08.2010 | 09:41 | Brotgetreide  

Kapriolen am Getreidemarkt

Berlin/Bonn - Das Wetter schlug in diesem Jahr viele Kapriolen. Der Winter war sehr kalt und lang. Anfang Juli wurde es dann in weiten Teilen Europas sehr heiß.

Getreidemarkt
Die Hitzewelle und erste Hinweise auf massive Ertragseinbußen lösten auf den Getreidemärkten eine regelrechte „Rallye“ aus. Dann beeinträchtigten kurz vor der Ernte auch noch Starkregen und Unwetter die Arbeiten. Die gedrückten Ernteaussichten weltweit sowie ein schwacher US-Dollar beförderten Ende Juli den Weizenpreis über die Schwelle von 200 Euro/Tonne, der nach einem Exportstopp Russlands noch auf 233 Euro/Tonne anstieg. Kostentreiber für den Getreidepreis sind zudem die weltweit geringeren Ernteerträge sowie währungsbedingte Exporte - Getreide ist nach der Finanzkrise wieder zum Spekulationsobjekt geworden: „Aus der aktuellen Situation auf den Getreidemärkten kommt allein auf die deutschen Mühlen eine Kostenlawine in einer Größenordnung von 800 Millionen bis 1 Milliarde Euro zu. Dies ist mehr als die Hälfte unseres letztjährigen Jahresumsatzes“, sagte Hans-Christoph Erling, Vorstandsvorsitzender des Verbandes Deutscher Mühlen e. V. (VDM) auf einer Pressekonferenz zum Getreide-Wirtschaftsjahr am 26. August 2010 in Berlin.


Problematische Brotgetreide-Qualitäten zu erwarten

Die diesjährigen deutschen Erntemengen bei Getreide werden deutlich unter dem Schnitt der letzten fünf Jahre liegen. „Die Müller sind in diesem Jahr mit so extrem großen Schwankungen in der Qualität des Brotgetreides konfrontiert wie seit langem nicht mehr. In einigen Regionen sind die Qualitäten zwar in Ordnung, in anderen gibt es jedoch regelrechte Totalausfälle“, berichtete Erling. Obwohl die Getreidepreise sich fast verdoppelt haben, ist die Abgabebereitschaft der Landwirte noch sehr verhalten. Offenbar spekulieren einige darauf, dass der Preis weiter steigen wird. Die Mühlen benötigen aber gute Qualitäten an Brotgetreide rund ums Jahr und müssen daher in den kommenden Monaten ganz be¬sonders große Anstrengungen unternehmen, um die geeigneten Partien herauszufinden - und sich vielerorts auch überregional oder international versorgen. Dies verteuert aufgrund der Frachtkosten für die Mühlen zusätzlich den Rohstoffeinstand. Mit Blick auf den Verbraucher sagte Erling: „Unsere Mühlen werden alles daran setzen, auch in diesem Jahr durch ihr Können und Hightech Mahlerzeugnisse in den gewohnten Backeigenschaften und den spezifizierten Qualitäten zu produzieren, wie sie Haushalte, Backgewerbe und Lebensmittelwirtschaft benötigen.“


Brotgetreide vs. Energiepflanzen - Nutzungskonkurrenz  verschärft

Die Nutzungskonkurrenz zwischen Getreide für Nahrungsmittel auf der einen und Energieerzeugung auf der anderen Seite hat sich angesichts der Erntesituation wieder verschärft. Nach Angaben des Mühlenverbandes wird der Flächenbedarf für den Anbau von Getreide zu Energiezwecken zum Jahresende 2010 auf 15 Prozent der Ackerfläche geschätzt.

Diese Flächen sind dann für mehrere Jahre zu Ernährungszwecken ungeeignet. Einerseits kann auch die ausgedehnte Nutzung der Energiepflanzen Lücken bei der Energieversorgung in Deutschland nicht schließen. Andererseits wird die Lücke immer größer, die sich bei der Ernährung der steigenden Weltbevölkerung bei begrenzten Ressourcen auftut. Die Diskussion „Teller oder Tank“ ist nicht nur mit Blick auf die ausreichende Ernährung der Weltbevölkerung zu führen. „Wir sollten uns in Deutschland darüber im Klaren sein, dass die starke Förderung des Anbaus von Energiepflanzen eine Konkurrenzsituation zur Nahrungsversorgung schafft“, gab Erling zu bedenken.


Sinkender Backwarenkonsum gefährdet Nährstoffbilanz

Im abgelaufenen Getreidewirtschaftjahr 2009/10 betrug der durchschnittliche Backwarenverbrauch 82,4 Kilogramm pro Kopf und Jahr. Mit dem leichten Rückgang von zwei Prozent (gegenüber dem Vorjahr: 84,2 kg) liegt dieser Wert erstmals seit den 1990er-Jahren unter dem langjährigen Mittel von 83,6 Kilogramm. „Diese Änderung der Konsumgewohnheiten ist ein Schritt in die falsche Richtung,“ erklärte der Ernährungswissenschaftler Dr. Heiko Zentgraf. Denn in einem gesunden Ernährungsplan sollen Kohlenhydrate die Hauptrolle spielen. Zu diesem Schluss kam jüngst die für Ernährung in der EU zuständige Expertengruppe, die Forschungsergebnisse von weltweit über 250 relevanten Studien gesichtet, kritisch geprüft und bewertet hat: Für den Hauptnährstoff Kohlenhydrate gelten danach durchschnittlich 52,5 Prozent Anteil an der Gesamtnährstoffmenge als gesundheitsförderliches Ziel – unter Berücksichtigung des individuellen Energiebedarfs und unterschiedlicher Verzehrgewohnheiten in den EU-Staaten. Fast überall in Europa liegt der Kohlenhydratanteil bislang zu niedrig, obwohl der Zuckerverbrauch meist unerwünscht hoch ist. Auch in Deutschland erreichen drei Viertel der Männer und die Hälfte der Frauen bei den Kohlenhydraten nicht einmal die 50-Prozent-Marke.


Stärkereiche Lebensmittel für „Gesundheit mit Geschmack“

In der täglichen Ernährungspraxis ist daher stärkereichen Lebensmitteln der Vorzug zu geben. „Damit werden Getreide, Mahlerzeugnisse und Backwaren zu Schlüsselprodukten für die Umsetzung der EU-Empfehlung“, erläuterte Dr. Zentgraf: „Mehr Brot, Kleingebäck und Getreideflocken sowie Pasta, Pizza und Polenta.“

Um mit den täglichen Konsumgewohnheiten in Richtung der Ernährungsempfehlungen umzusteuern, genügt bereits eine Steigerung des Kohlenhydratanteils aus Getreideprodukten um fünf Prozentpunkte - mit einem jährlichen Backwarenkonsum von durchschnittlich 90 Kilogramm als Ziel. Das kann in der Praxis als „Gesundheit mit Geschmack“ leicht umgesetzt werden, denn es bedeutet: Einfach täglich eine halbe Scheibe Brot mehr essen!


Vom Feld auf den Teller: Mühlen und Mehl sind zentraler Teil der Ernährungskette

600 deutsche Mühlen vermahlen Jahr für Jahr rund acht Millionen Tonnen Weizen und Roggen. Ihre Mahlerzeugnisse - Mehl, Schrot, Kleie, Vollkornprodukte - sind die Grundlage für die unerreichte Vielfalt von Brot und Backwaren in Deutschland. Mit rund 6.000 Beschäftigten erwirtschaften die Mühlen einen Jahresumsatz von nahezu zwei Milliarden Euro. Der Verband Deutscher Mühlen (VDM) mit Sitz in Bonn vertritt ihre Interessen. (VDM)
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