Deutschlands Fischer sehen sich zunehmend im bürokratischen Netz der EU gefangen. Zum Deutschen Fischereitag forderte die Branche am Dienstag in Dresden, die für 2013 geplante Reform der europäischen Fischereipolitik mit Augenmaß und praxisnah zu betreiben. Bisher vorgeschlagene Maßnahmen würden mehr Bürokratie, mehr Kosten und am Ende einen Verlust von Fischereibetrieben zur Folge haben, sagte der Präsident des Deutschen Fischerei-Verbandes, Holger Ortel. «Wir sehen zunehmend das Bestreben Europas, eigene Kompetenzen auszuweiten», fügte Generalsekretär Peter Breckling hinzu. Brüssel wolle nun auch auf die Binnenfischerei mehr Einfluss nehmen.
Ein Kernpunkt der Kritik betrifft die sogenannte Discard- Problematik - wenn unerwünschter Beifang zurück ins Wasser geworfen wird. Wer eine Fangquote auf Seelachse besitzt und ungewollt auch Kabeljau im Netz hat, muss den nach bisheriger Regelung wieder im Meer verklappen - in der Regel tot. «Wir haben marktfähige Fische bisher über Bord schmeißen müssen - auf Verlangen Brüssels, obwohl wir das nicht gern getan haben», sagte Ortel. Nun wolle die griechische EU-Kommissarin Maria Damanaki das zwar ändern. «Das aber sollte praxisnah geschehen. Und Brüssel kann ein bisschen schlecht beurteilen, was die Praxis kann und was die Praxis macht.»
Ein vollständiges Discard-Verbot hält der Verband für kontraproduktiv. So gebe es in der Nordseekrabbenfischerei zum Beispiel beträchtliche Überlebensraten für junge Schollen und Seezungen, die in den Krabbennetzen landen. Nach dem jetzigen Vorstellungen Brüssels dürften die aber nicht wieder zurückgesetzt werden. «In allen Diskussionen auch mit Brüsseler Beamten ist die Frage offen geblieben, was ein Fischereibetrieb machen soll, wenn er unbeabsichtigt einzelne Individuen quotierter Arten fängt, für die er keine Quote hat. Zurückwerfen darf er nicht mehr, anlanden aber auch nicht», schilderte Ortel das Dilemma.
Ein Handel mit Fangquoten könne das Problem lösen. Die geplante Kameraüberwachung an Bord zur Kontrolle des Discard-Verbotes lehnt der Fischerei-Verband als pauschale Kriminalisierung von Fischern ab. Der Verband sei strikt dafür, Regeln mit angemessenen Mitteln zu kontrollieren. Allerdings müsse es hier eine Wettbewerbsgleichheit geben. Derzeit würden Verstöße von den Ländern unterschiedlich geahndet. «Bei einem einheitlichen Fischereirecht brauchen wir auch ein einheitliches Sanktionsrecht», betonte Ortel. Er sprach sich dafür aus, mehr in «selektive Netze» und Fischereiforschung zu investieren. Deutschland habe die Mittel hierfür stark gekürzt.
Positiv schätzte der Verband die Entwicklung der Populationen in Nord- und Ostsee ein. Der Bestand an Schollen in der Nordsee sei seit Beginn der wissenschaftlichen Begleitung 1953 noch nie so groß gewesen wie heute. Die Fänge seien zeitweise zu groß für den Markt und müssten zu Fischmehl verarbeitet werden. Auch Nordsee-Hering, Seelachs, Schellfisch und Seezunge befänden sich in guter Verfassung. Dennoch halte sich der «Mythos von den leergefischten Meeren». Ortel geht davon aus, dass die Fangquoten für Kabeljau und Schellfisch erhöht werden. (dpa)