Wie der Zentralverband der Deutschen
Geflügelwirtschaft (ZDG) am Montag (26.9.) mitteilte, droht ein Seuchenzug von bislang nicht gekanntem Ausmaß. „Es ist nicht abzusehen, welchen Verlauf der Seuchenzug noch nehmen wird, wenn junge Wildvögel diesen Herbst zu uns kommen“, erklärte ZDG-Präsident Friedrich-Otto Ripke.
Das typische saisonale Auftreten der Geflügelpest scheine es so nicht mehr zu geben. „Wir müssen von einer Endemie sprechen. Das ist eine massive Bedrohung für Nutztiere und Wildvogelbestände“, warnte Ripke. Helfen könnte laut
ZDG eine schützende Impfung gegen die Aviäre Influenza, die aber aktuell in Europa nicht zur Verfügung stehe. Die
EU-Kommission habe jedoch den Ernst der Lage erkannt und wolle Impfungen gegen die Geflügelpest ermöglichen. Dafür überarbeite sie gerade die Tierseuchengesetzgebung.
„Die veränderte endemische Lage zeigt, dass wir zusätzlich schnellstmöglich eine Impfung brauchen. Das gebietet auch der Tierschutz, weil sonst tausende Tiere zwangsweise getötet werden müssen“, betonte Ripke. Bei all den Anstrengungen, der Geflügelpest mit wirksamen Maßnahmen zu begegnen, dürfe nicht vergessen werden, dass es am Ende auch um den Erhalt der Versorgungssicherheit der deutschen Bevölkerung mit
Lebensmitteln wie Eiern und Geflügelfleisch gehe, machte der ZDG-Präsident klar.
„Wenn infolge einer Mangellage die Importe von Eiern und Geflügelfleisch aus Ländern mit deutlich niedrigen Tierwohl- und Nachhaltigkeitsstandards zunehmen, kann das nicht im gemeinsamen Interesse von Verbrauchern, Politik und Geflügelwirtschaft sein“, betonte Ripke.
Impfstoffimporte prüfenUm die
Wettbewerbsfähigkeit der deutschen und europäischen Nutzgeflügelwirtschaft gegenüber anderen Regionen zu wahren, die die Impfung bereits einsetzten, sollte darüber hinaus die Möglichkeit des Imports von Impfstoffen geprüft werden, schlug der ZDG vor. Relevant sei der Einsatz der Impfung gegen die Aviäre Influenza auch für den Erhalt der ebenso von Seuchenausbrüchen betroffenen Hobby-und Rassegeflügelzucht mit ihrer kulturhistorischen Bedeutung.
Zudem sei es wichtig, die Eintrags- und Verbreitungswege des Virus besser zu verstehen, wofür die bundesweite Gensequenzierung ein sehr wertvolles Instrument sei. Dem Referenzlabor am Friedrich-Loeffler-Institut (FLI) müssten dafür die notwendigen Mittel und Kapazitäten zur Verfügung gestellt werden.
Das hessische
Landwirtschaftsministerium rief unterdessen die
Geflügelhalter im Land erneut dazu auf, die geltenden Biosicherheitsmaßnahmen zum Schutz vor einem Ausbruch strikt einzuhalten und gegebenenfalls zu optimieren. Die Infektionsgefahr sei hoch, da es bereits zahlreiche Viruseinträge in Geflügelhaltungen in anderen Bundesländern und an den Küsten Deutschlands und Europas bei koloniebrütenden Seevögeln gegeben habe.
Sorgen in FrankreichIn Frankreich hat das für die Geflügelpest zuständige nationale Referenzlabor des Amtes für
Gesundheitsschutz in
Ernährung, Umwelt und Arbeit (ANSES) vor einer neuen Welle der HPAI gewarnt und Vorbereitungsmaßnahmen gefordert. Eine breite und umfassende Mobilisierung sei notwendig, um dem großen Risiko zu begegnen, mahnten die Fachleute.
Sie empfehlen, die anlassbezogene veterinärmedizinische
Überwachung zu verstärken, in der gesamten Geflügelproduktionskette die Biosicherheitsmaßnahmen strikt einzuhalten und auch die
Jäger einzubeziehen. Das Risiko für neue Ausbrüche in Nutzgeflügelhaltungen werde in den kommenden Wochen stark ansteigen, und zwar sowohl hinsichtlich des Viruseintrags durch Wildvögel als auch bezüglich der Verbreitung von
Betrieb zu Betrieb, so das Referenzlabor.
Den Fachleuten zufolge macht sich der Vogelzug bereits durch einen steigenden Seuchendruck bemerkbar. Neben den im Sommer zirkulierenden Genotypen des HPAI-Virus, die überwiegend Wildvögel an den Küsten des Atlantiks und des Ärmelkanals befallen hätten, seien seit Ende August an zwei unterschiedlichen Zugrouten neue Varianten auf dem französischen Festland nachgewiesen worden, was auf eine Neueinschleppung hindeute.
Ein besonderes Problem stellen nach Einschätzung der Fachleute möglicherweise Wildentenpopulationen dar. Es gebe deutliche Hinweise darauf, dass die Infektion dort nicht zu einer nennenswerten Übersterblichkeit führe, so dass das Ausmaß der Verbreitung der
Seuche unterschätzt werden könne.
Niedersachsen stark betroffenIn Deutschland hat es im September bis einschließlich vergangenem Donnerstag laut dem
FLI 14 Ausbrüche der HPAI in Nutzgeflügelhaltungen gegeben. Davon waren zwei Haltungen in Schleswig-Holstein und zwölf in Niedersachsen betroffen. Von dort wurden auch die jüngsten Fälle gemeldet.
In der Gemeinde Surwold im niedersächsischen Landkreis Emsland wurde das Virus von Typ
H5N1 am vergangenen Donnerstag auf einem Betrieb mit etwa 700 Gänsen, 750 Enten und 600
Masthähnchen offiziell bestätigt. Zwei Tage zuvor mussten 8.700 Puten bei einem Halter in Lastrup im Kreis Cloppenburg nach einem Virusnachweis gekeult werden.
Auch in den benachbarten Niederlanden gab es vergangene Woche erneut drei Geflügelpestfälle, bei denen zusammen fast 250.000 Stück Geflügel aus Gründen der Tierseuchenprävention getötet wurden. Die Veterinärbehörden in Polen und Italien meldeten ebenfalls neue Ausbrüche in Nutzgeflügelhaltungen. Im Vereinigten Königreich geht die leitende Veterinärbeamtin Dr. Christine Middlemiss davon aus, dass die Zahl der Vogelgrippefälle in den nächsten Monaten mit der Rückkehr von Zugvögeln ansteigen werde und sich das Ausbreitungsrisiko erhöhe.
Bereits jetzt gebe es landesweit zunehmende Geflügelpestfälle in landwirtschaftlichen Betrieben und in Privathaltungen. Daher seien bereits Maßnahmen ergriffen und regionale Präventionszonen in den am stärksten betroffenen Gebieten eingerichtet worden.