Vorsprung durch Wissen
Das Informationszentrum für die Landwirtschaft
22.03.2021 | 03:37

Heute ist Weltwassertag

Lebenselixier
NRW-Umweltministerin: Wasser schützen und wertschätzen. (c) proplanta

Emscher-Umbau fast abgeschlossen - «Köttelbecke» 2022 abwasserfrei



Faulige Gerüche durch offene Abwasserkanäle werden im Ruhrgebiet bald endgültig der Vergangenheit angehören: Ende 2021 soll kein Abwasser mehr in die Emscher eingeleitet werden. Die vollständige Renaturierung des geschundenen Flusses dauert aber noch Jahre.


Was rücksichtsloser Umgang mit der Natur bedeutet, lässt sich gut an der Emscher mitten im Ruhrgebiet studieren: Seit 170 Jahren wird das Gewässer als Abwasserfluss missbraucht. Doch damit ist bald Schluss. Ende 2021 werde kein Tropfen Schmutzwasser mehr in die Emscher eingeleitet, unterstreicht Uli Paetzel anlässlich des Weltwassertages an diesem Montag (22. März). Der 49-Jährige ist Vorstandschef des Wasserwirtschaftsverbandes Emschergenossenschaft.

Schon seit 30 Jahren baut der Verband das Emscher-Abwassersystem um - und ist jetzt auf der Zielgeraden, pünktlich trotz zwischenzeitlicher Corona-Verzögerungen: Die Abwässer von knapp 2,3 Millionen Menschen fließen ab 2022 komplett unterirdisch durch insgesamt rund 430 Kilometer Abwasserkanäle in die Kläranlagen.

Die geschundene Emscher darf anschließend wieder Fluss werden: Bis 2027 soll eine naturnahe Umgestaltung des Gewässers und seiner Nebenflüsse abgeschlossen sein. Der Oberlauf und die Nebenläufe in Dortmund sind bereits abwasserfrei und renaturiert. Seit 2012 baut die Emschergenossenschaft an einem Flussufer am Phoenix See in Dortmund sogar Wein an. Insgesamt sind schon 150 der zusammengenommen 340 Fluss-, Nebenlauf- und Bachkilometer der Natur zurückgegeben worden.

Die Emscher entspringt in Holzwickede bei Dortmund, durchquert das Ruhrgebiet von Ost nach West und mündet nach 85 Kilometern in Dinslaken in den Rhein. Doch wie kamen frühere Generationen darauf, ihre Abwässer einfach in den Fluss zu leiten? Vor allem wegen des Kohlebergbaus unter Tage. Unterirdische Abwasserkanäle waren in der Region nicht möglich, weil sie durch ständige bergbaubedingte Bodenabsenkungen beschädigt worden wären.

Also baute man natürliche Wasserläufe zu offenen Schmutzwasserkanälen mit Betonsohle um, in denen Waschlauge, Spülwasser und Schlimmeres ins Klärwerk schwammen. Erst als nur noch wenige Bergwerke übrig waren, begann 1992 der Umbau des Emschersystems mitsamt seinen 35 Nebenflüssen und -bächen.

Herzstück des Umbaus ist ein 51 Kilometer langer Abwassertunnel, der «Abwasserkanal Emscher» (AKE). Bis zu 40 Meter tief wurde er in den vergangenen Jahren entlang der Emscher verlegt. Damit das Abwasser über die gesamte Strecke mit ausreichend Gefälle fließen kann, muss die Brühe in drei riesigen Pumpwerken hochgepumpt werden.

Die Anlagen in Gelsenkirchen und Bottrop laufen schon. Im August soll die dritte Pumpstation in Oberhausen in Betrieb genommen werden. Laut Emschergenossenschaft handelt es sich um Deutschlands größtes Schmutzwasserpumpwerk. Womöglich auch um das teuerste: 60 Millionen Euro werden dort am Ende verbaut sein.

Das Gesamtprojekt kostet noch ein paar Milliönchen mehr: «Am Ende werden etwas über 5,5 Milliarden Euro rauskommen», sagt Paetzel und verweist darauf, dass man vor 30 Jahren bereits mit Baukosten von neun Milliarden Mark (4,6 Milliarden Euro) gerechnet habe. Trotz der Abweichung sieht der Chef der Emschergenossenschaft eine «gute finanzielle Entwicklung, auf die man bei solch einem Generationenprojekt auch stolz sein kann».

Naturschützer sind von dem Projekt begeistert. «Wir sind alle ganz gespannt darauf, wie sich die Natur entwickeln wird», sagt der Geobotaniker Peter Keil, Leiter der Biologischen Station Westliches Ruhrgebiet. Der Umbau sei ein echter Gewinn sowohl für die urbane Natur als auch für die Menschen in der Region.

Es entstehe ein «Biotopverbund» mitten im zentralen Ruhrgebiet, der wie ein Korridor ohne Barrieren in Ost-West-Richtung verlaufe. Dies erleichtere es Tieren und Pflanzen, sich auszubreiten. Keil rechnet damit, dass Artenreichtum zunimmt und verweist auf Erfahrungen mit Industriebrachen.

Auch für die Emschergenossenschaft ist Artenvielfalt ein wichtiges Thema. Wurden an den Gewässern Anfang der 1990er-Jahre rund 170 Arten gezählt, sind es mittlerweile rund 500, die in das Emscher-Gebiet zurückgekehrt sind. Eisvögel, Gebirgsstelzen und Blauflügelige Prachtlibellen fühlten sich an der Emscher wohl, heißt es von dem Verband. Sogar eine eigene Fischart hat der Fluss: die Emschergroppe.

In einem isolierten Abschnitt eines Nebenflusses ohne Einleitungen hat die mit der Rheingroppe verwandte Art die Zeit überdauert. Mittlerweile ist sie an mehreren renaturierten Stellen wieder erfolgreich angesiedelt worden.
dpa
zurück
Seite:12345
weiter
Kommentieren

Status:
Name / Pseudonym:
Kommentar:
Bitte Sicherheitsabfrage lösen:


  Weitere Artikel zum Thema

 Verbände warnen vor Ewigkeitschemikalien im Wasser

 Grundwasser in Bayern wird weniger

 Wasserwerke am Bodensee kämpfen gegen Quagga-Muschel

 Wasser für den Frieden

 Noch mehr Trinkwasser aus dem Rhein - Studie zeigt drei Möglichkeiten

  Kommentierte Artikel

 Was will die CDU in ihrem neuen Programm?

 LED-Lampen in Straßenlaternen sparen massiv Strom ein

 Zahl der Bäckereien weiter rückläufig

 Wundermittel und Jahrhundertgift PFAS: Derselbe Circus - andere Clowns

 Deutsche Verbraucher offen für abgelaufene Lebensmittel

 Brandenburger Dackel wohl von Wolf angegriffen

 Tag des Wolfes - Bauern machen Druck für vereinfachten Abschuss

 Erleichterungen bei GAP-Anträgen und Hanfanbau

 In der Corona-Pandemie wurden zu oft Antibiotika verschrieben

 Jäger sehen dringenden Handlungsbedarf bei Umgang mit Wölfen