Die schwerste
Flutkatastrophe in der Geschichte des verarmten Landes hat bislang mehr als 1.300 Menschen das Leben gekostet, ein Ende des Hochwassers ist nicht in Sicht. Und die Fluten sind längst nicht das einzige Problem der südasiatischen Atommacht, die international immer mehr Sorgen bereitet.
Die Zeitschrift «The Economist» fasste die Lage in ihrer Online-Ausgabe vor wenigen Tagen so zusammen: «Pakistan taumelt von Krise zu Krise, mit einer kraftlosen Wirtschaft, religiösem Extremismus und einer ungewissen politischen Situation.»
Bereits vor den Fluten, die Milliarden Euro Schäden anrichteten, wäre Pakistan ohne Unterstützung des Internationalen Währungsfonds und anderer ausländischer Geber längst bankrott gewesen. Grundnahrungsmittel wurden schon in den vergangenen Jahren immer teurer, nun hat das
Hochwasser auch noch große Teile der Ernte vernichtet: Die Preise explodieren.
Vor der jüngsten Katastrophe hatten Berichte über kollektive Selbstmorde verarmter Familien Pakistan aufgeschreckt. «Gibt es irgendetwas zu feiern in diesem Land?», fragt ein Wachmann namens Malik Sabir in Islamabad. «Haben wir die Unabhängigkeit von den Engländern bekommen, damit Menschen ihre Familien töten, weil sie ihnen kein Essen und keine Kleidung bieten können?» Sabir ist nicht allein mit seinem Frust.
In einer Ende vergangenen Monats veröffentlichten
Umfrage des amerikanischen «Pew Research Center» sagten 84 Prozent der Befragten, sie seien mit der Lage ihrer Nation nicht zufrieden. Zur Wirtschaft meinten 78 Prozent, diese sei in einem schlechten Zustand - der sich nach Ansicht der Hälfte der Interviewten in den nächsten zwölf Monaten weiter verschlechtern wird. Die Werte dürften inzwischen noch deutlich pessimistischer ausfallen.
Die Menschen wurden im Frühjahr befragt, als noch keiner etwas von der Flutkatastrophe ahnen konnte. Auch die Gewalt im Land bekommt die Regierung nicht in den Griff. Trotz Militäroffensiven gegen die pakistanischen Taliban bedrohen die radikalen Islamisten weiter die Stabilität der Atommacht.
Seit dem Jahr 2007 kosteten allein Anschläge von Selbstmordattentätern nach Angaben aus den Behörden mehr als 3.500 Pakistaner das Leben. Zugleich bleibt der Verdacht, dass der Terror im benachbarten Afghanistan aus Pakistan heraus geschürt wird. Die Taliban und ihre Gesinnungsgenossen sind nicht die einzigen, die für Gewalt verantwortlich sind. Zwischen Sunniten und Schiiten kommt es regelmäßig zu tödlichen Zusammenstößen.
In der südwestlichen Provinz Baluchistan proben Stämme einen blutigen Aufstand, die sich von Pakistan lösen wollen. Mitten in der Millionenmetropole Karachi bekriegten sich erst vor kurzem über mehrere Tage hinweg Angehörige verschiedener ethnischer Gruppierungen, Dutzende Menschen starben. Kaum verwunderlich also, dass die Pakistaner schon vor der Flut mit ihrem Präsidenten Asif Ali Zardari hochgradig unzufrieden waren.
Nach dem Sturz von Militärmachthaber Pervez Musharraf im Jahr 2008 war der Witwer von Ex-Premierministerin Benazir Bhutto von den Menschen noch als Hoffnungsträger gefeiert worden. Internationale Beobachter hatten allerdings schon damals wenig Zuversicht, dass der wegen Korruptionsvorwürfen als «Mister Ten Percent» verspottete Zardari die Probleme des Landes lösen kann.
Bei einer Umfrage des «Pew Research Center» verbuchte Zardari vor zwei Jahren noch stolze 64 Prozent Zustimmung. Bei der jüngsten Befragung äußerte sich gerade mal noch jeder fünfte Pakistaner positiv über den Präsidenten. Dass Zardari sich trotz der Flut standhaft weigerte, seine Europa-Reise abzubrechen, dürfte selbst diesen miserablen Wert noch weiter abstürzen lassen. Zardaris fadenscheinig wirkende Begründung, er habe im Ausland eifrig für Katastrophenhilfe geworben, nimmt ihm im Volk kaum jemand ab. (dpa)