Der Scheitel der Flut erreichte am Dienstag Nowa Sol vor Grünberg und floss weiter durch Niederschlesien in Richtung der deutschen Grenze. In Brandenburg werde voraussichtlich am Wochenende die höchste Hochwasser-Alarmstufe 4 ausgerufen, sagte der Präsident des Landesumweltamtes, Matthias Freude.
Der Katastrophenstab des Landes nahm seine Arbeit auf. An einigen Stellen sollen die Deiche schwach sein. Für Polen naht derweil das Ende der schlimmen Tage: In der Nacht zum Mittwoch werde der Hochwasserscheitel auf der Weichsel die Ostsee erreichen, sagte Lukasz Legutko vom Hydrometeorologischen Institut IMGW am Dienstag in Warschau. Am Nachmittag floss die Welle durch Tczew in Pommern etwa 30 Kilometer vor der Danziger Bucht.
Die Zahl der Todesopfer stieg auf 16: In Pulawy fiel ein 13-jähriges Mädchen von einer Brücke in die Weichsel und ertrank. In Deutschland werde das
Hochwasser nicht das Ausmaß der
Jahrhundertflut von 1997 erreichen, sagte Behördenchef Freude. «Wir haben 1997 sechs Wochen Höchstwasserstände gehabt. So lange wird es dieses Mal bestimmt nicht dauern.» In Frankfurt (Oder) wurden aber Ausgabestellen für Sandsäcke eingerichtet. Pro Haushalt gebe es 100 Säcke, sagte Bürgermeister Martin Wilke. Außerdem werde an einem Stegsystem gearbeitet.
Am Dienstag lag die Alarmstufe in Ratzdorf, Eisenhüttenstadt und Stützkow zunächst noch bei 1. Bis Mittwoch sollte «mit größter Wahrscheinlichkeit» Stufe 3 gelten. Vor allem zwei je fünf Kilometer lange Deichabschnitte in der Neuzeller Niederung sowie zwischen Gartz und Friedrichsthal sind «Wackelkandidaten». «Wir werden uns um diese Schwachstellen kümmern», kündigte Innenminister Rainer Speer (
SPD) an. Die beiden Bereiche wurden noch nicht saniert. Sie sind baulich im Zustand von 1950/60. Bei einem Deichbruch dort würde allerdings lediglich eine Siedlung mit Wochenendhäusern überflutet.
An der Oder in Polen galt am Nachmittag der Ort Dobrzejewice zwischen Glogow und Nowa Sol als Schwachstelle. Der Deich sei nicht vollständig und könne den Fluss nicht in seinem Bett halten, sagte ein Gemeindevertreter. Die Stelle wurde mit 150.000 Sandsäcken verstärkt. In Slubice an der Grenze zu Deutschland wurde vorsichtshalber ein Krankenhaus evakuiert. Bei Plock nordwestlich von Warschau ging der Kampf gegen die Wassermassen der Weichsel weiter, die nach einem Deichbruch am Sonntag 23 Ortschaften überflutet hatten. Das Wasser gehe zurück, die Lage bleibe aber sehr ernst, sagte der Chef des zentralpolnischen Verwaltungsbezirkes Mazowsze, Jacek Kozlowski. Die Weichsel hat dort ein Gebiet von 8.000 Hektar verwüstet, 2.400 Menschen mussten in Sicherheit gebracht werden.
Polens Regierung kam am Dienstag zusammen, um Finanzhilfen für die Flutopfer zu beschließen. Wie Ministerpräsident Donald Tusk vor der Kabinettssitzung mitteilte, sollen dafür zwei Milliarden Zloty (0,5 Milliarden Euro) zur Verfügung gestellt werden. Derzeit sind im Land noch zehntausende Helfer im Einsatz, tausende Menschen sind von der Flut betroffen. Im Süden Polens begann sich die Lage aber langsam zu normalisieren. Die Fiat-Fabrik in Tychy habe die Produktion wieder aufgenommen, berichtete PAP. Auch die Glashütte in Sandomierz produzierte wieder. Auch in Warschau ging der Pegel des Flusses stetig zurück, die Deiche waren aber weiter durchweicht. Daher blieben Schulen und Kindergärten in einigen Stadtteilen geschlossen. (dpa)