Die Kölner Rewe-Group und ihr
Discounter Penny wollen bis zum Sommer 2022 rund 95 % ihres konventionellen Sortiments an Schweinefrischfleisch auf deutsche Herkunft umstellen und darüber hinaus die garantierten Mindestpreise für die
Schweinehalter anheben.
Wie das Unternehmen am Montag voriger Woche (23.8.) mitteilte, sollen die Erzeuger damit mehr Planungssicherheit erhalten und in der Krise gestärkt werden. Das Bekenntnis der Rewe-Group zu „5D“ bei Schweinefleisch, das bedeute Geburt,
Aufzucht, Mast, Schlachtung und Zerlegung beziehungsweise Verarbeitung in Deutschland, sei ein wichtiges Zeichen zur Unterstützung der heimischen Landwirtschaft.
Bereits Ende 2020 hatte der Lebensmittelhändler den Schweinebauern zugesichert, auch weiterhin Beschaffungspreise bei
Schweinefleisch zu zahlen, die dem Marktniveau vor Ausbruch der Afrikanischen
Schweinepest (ASP) und dem damit zusammenhängenden völligen Zusammenbruch des Exportmarktes entsprechen. Ab September will das Unternehmen nach eigenen Angaben diese zusätzlichen Zahlungen nun noch einmal erhöhen.
Am Donnerstag (26.8.) verkündeten dann auch die Edeka Südwest sowie Nord Preisstützungsmaßnahmen für die Schweinebauern im Markenfleischprogramm „Gutfleisch“. Diese sollen ausgleichende Aufpreise erhalten, wenn die Notierung unter der Marke von 1,40 Euro/kg liegt. Darüber hinaus gelte weiterhin die zugesicherte Abnahmegarantie. Vom landwirtschaftlichen Berufsstand wurden die Ankündigungen der Handelskonzerne überwiegend positiv aufgenommen.
Zusagen bekräftigt
„Die akute Krise der deutschen Schweinebauern hält unvermindert an; die Lage am Markt ist dramatisch“, erklärte der Bereichsvorstand Einkauf der Rewe-Group, Hans-Jürgen Moog. Mit dem Bekenntnis zur deutschen Herkunft des Frischfleischsortiments im Bereich Schwein sowie der Erhöhung der laufenden Mindestpreiszahlungen würden einmal mehr die Zusagen des Unternehmens für eine langfristige und nachhaltige Stärkung der heimischen Landwirtschaft bekräftigt. „Wir stehen zu unserem Wort und geben unseren Partnern verlässliche und sichere Perspektiven, unter anderem bei Mengenabnahmen, bei der Vermarktung und bei den Preisen“, betonte Moog.
Preisaufschlag bei Edeka
Die Edeka Südwest hob hervor, dass sie aus der eigenen Zerlegung in Rheinstetten den Märkten im Südwesten bereits heute Schweinefleisch ausschließlich aus deutscher Herkunft liefere, das zudem den Vorgaben der Haltungsform-Stufe 2 oder höher entspreche. Für die Schweinebetriebe im Gutfleischprogramm sei bereits 2020 eine befristete Preisstützungsmaßnahme eingeführt worden.
„Da sich die Situation aktuell weiter anspannt und dadurch
Betriebe teils um ihre Existenz bangen müssen, ist unsere Preisstützungsmaßnahme wichtiger denn je“, erklärte der Geschäftsführer der Edeka Südwest, Andreas Pöschel. Es werde den Mästern ein Aufpreis garantiert, wenn die Notierung unter 1,40 Euro/kg liege, wobei diese einen Teil des Mehrerlöses an die
Ferkelerzeuger des Programms weitergäben.
Bei der Edeka Nord hieß es, dass aufgrund der schwierigen
Marktsituation und dem damit einhergehenden
Preisverfall für Mastschweine und Ferkel die befristete Preisstützungsmaßnahme für die teilnehmenden Gutfleisch-Landwirte erneut eingeführt werde. Diese beinhalte einen zusätzlichen Aufschlag zum ohnehin bestehenden Gutfleisch-Bonus. „Damit möchten wir unseren Beitrag für die faire Partnerschaft mit unseren landwirtschaftlichen Partnerbetrieben leisten“, betonte der Geschäftsführer des Fleischwerks von Edeka Nord, Stephan Weber.
Das aktuell anhaltende niedrige
Preisniveau gefährde die Existenz der familiär geprägten Gutfleisch-Betriebe in unserer Region. Gemeinsames Ziel müsse sein, die Erzeugerpreise auf ein höheres Niveau zurückzuführen.
Positives Zeichen gesetzt
Die Ankündigungen der Rewe-Group zur Unterstützung der Schweinehalter wertete der Veredlungspräsident des Deutschen Bauernverbandes (DBV), Hubertus Beringmeier, als ein „gutes Signal zur Stärkung der heimischen Landwirtschaft“ sowie einen wichtigen und „dringend notwendigen Schritt“. Nicht minder wichtig sei dabei die von
Rewe bereits für September vorgesehene Aufstockung der seit Ende 2020 eingeführten zusätzlichen Zahlungen für heimisches Schweinefleisch.
Soweit noch nicht geschehen, sollten die übrigen Lebensmitteleinzelhändler ebenso agieren, erklärte der Präsident des Westfälisch-Lippischen Landwirtschaftsverbandes (WLV). Besonderen Handlungsbedarf sieht Beringmeier aber nach wie vor im Bereich der Verarbeiter und Großverbraucher.
„Es kann nicht sein, dass seit Jahren fast ausschließlich nur über Frischfleisch gesprochen wird und sich die gesamte Fleischwarenindustrie wegduckt“, so der DBV-Veredlungspräsident. Von der Schlachtwirtschaft fordert er ein Ende des Preisdrucks. Die deutsche
Fleischwirtschaft solle vielmehr ihre Leistungsstärke durch Entwicklung neuer, werthaltiger Vermarktungswege zeigen.
Verstärkte Absatzmaßnahmen notwendig
Laut der
Interessengemeinschaft der Schweinehalter Deutschlands (ISN) hat die Rewe-Group mit ihrer Ankündigung ein Ausrufezeichen gesetzt, das nachahmenswert sei. „Weil hier endlich auch einmal die deutsche
Ferkelerzeugung berücksichtigt wird, kann man durchaus von einem echten Meilenstein sprechen“, erklärte ISN-Geschäftsführer Dr. Torsten Staack. Da könne sich so mancher Wettbewerber eine Scheibe von abschneiden, oder etwas drauflegen.
Um die in der Krise befindliche heimische Schweinehaltung zu stützen, müssen laut Staack nun andere Handelsketten - aber auch deren Konzerntöchter im Großhandel - dem Beispiel mit 5D folgen und auf den Einkauf niedrigpreisiger Auslandware mit anderen Haltungsstandards verzichten. Zudem sollte auch „die verarbeitete Ware natürlich schnell hinterherkommen“.
Um den Mästern in der schwierigen Marktsituation rasch zu helfen, wären aus Sicht des ISN-Geschäftsführers „massiv absatzfördernde Aktionen für deutsches Schweinefleisch“, wie bereits zu Jahresbeginn, nötig. Daran müssten sich Einzelhandel, Großhandel und der Außer-Haus-Bereich beteiligen und „deutschem Schweinefleisch Vorfahrt geben“.
Angesichts der hohen Verluste in den Schweinebetrieben, die auch durch den immer noch fehlenden Fleischabsatz im Bereich Foodservice und Großveranstaltungen in Corona-Zeiten verursacht würden, forderte die
ISN die Politik dazu auf, dass Schweinehalter auch weiter Corona-Überbrückungshilfen beantragen können.
Ausländische Dumpingangebote zurückfahren
Auch die Vereinigung der
Erzeugergemeinschaften für
Vieh und Fleisch (VEZG) begrüßte die Mitteilung der Rewe-Group. Angesichts der ökonomischen Krise in der deutschen Schweinehaltung sei die Entscheidung ein ermutigendes Signal an die vielen Familienbetriebe, so der Erste Vorsitzende der VEZG, Matthias Frieß. Die Rewe-Group setze mit ihrem Bekenntnis zu mehr Tierschutz in der Produktionskette, die ausdrücklich auch die Ferkelerzeugung mit beinhalte, Maßstäbe für die gesamte Lebensmittelbranche.
Der Import von Fleischprodukten aus dem Ausland, die zu wesentlich geringeren Umwelt-, Tierschutz- und Sozialstandards erzeugt und gleichzeitig vom
Lebensmitteleinzelhandel zu Dumpingpreisen verramscht würden, müsse endlich aufhören, forderte Frieß. Die von der Rewe-Group garantierte 5D-Strategie in Kombination mit einem Mindestpreis sei wegweisend.
Man könne in Deutschland nicht den Landwirten hohe Produktionsauflagen zumuten, diese aber nicht marktgerecht honorieren. Die VEZG erwartet nun laut ihrem Ersten Vorsitzenden, dass weitere Handelshäuser sich dieser beispielgebenden Aktion in der Breite anschließen.
Nur Tropfen auf den heißen Stein
Für den Bundesvorsitzenden der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL), Martin Schulz, löst das Rewe-Vorhaben die Problematik im Billigpreissystem jedoch nicht und ist „allenfalls ein Tropfen auf dem heißen Stein“. Trotz bisheriger Mindestpreiszusagen der Handelskette seien die
Schweinepreise nämlich auf einem extrem niedrigen und existenzbedrohenden Niveau.
Die angekündigte Umstellung auf Schweinefrischfleisch aus deutscher Herkunft möge gut gemeint sein, lenke aber von der Überschussproblematik ab. „Um dem Preisverfall grundlegend etwas entgegenzusetzen, müssen wir uns als Branche von dem Paradigma `immer mehr und immer billiger produzieren` verabschieden“, betonte Schulz. Ihm zufolge bieten hingegen die Vorschläge der Borchert-Kommission eine wirtschaftliche Perspektive für eine Systemumkehr.
Es liege ein konkretes Finanzierungskonzept vor, das im Gegensatz zu den Vorstößen im
Lebensmittelhandel den Umbau der gesamten Tierhaltung in Deutschland vorsehe. Die Borchert-Vorschläge zeichneten sich durch eine breite landwirtschaftliche, gesellschaftliche, politische und wissenschaftliche Unterstützung aus. Die AbL forderte deshalb die Parteien auf, konkret Farbe zum Borchert-Plan zu bekennen. Die tierhaltenden Betriebe bräuchten jetzt dringend eine Perspektive.