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28.08.2015 | 11:04 | Energieversorger 

Türkei soll Gasgeschäft von EWE stärken

Oldenburg - Als der Energieversorger EWE sich 2007 entschied, ins Türkei-Geschäft einzusteigen, runzelten viele in der Branche die Stirn. Auch Kunden und Kommunen schüttelten den Kopf.

Energieversorger
Während in Deutschland der Gasverbrauch stagniert, brummt das Geschäft in der Türkei. Das merkt auch der Versorger EWE. Dessen Engagement am Bosporus zahlt sich aus. Schon visiert der Konzern dort den Strommarkt an. (c) proplanta
«Ihr sollt uns in der Region mit Strom und Gas versorgen und nicht im Ausland experimentieren», lauteten einige Kommentaren, an die man sich in der EWE-Zentrale in Oldenburg noch gut erinnert.

Nach zwei schwierigen Anfangsjahren zahlt sich der Einstieg ins Gasgeschäft aber mehr und mehr aus. Das Türkei-Geschäft steuert heute mehr als 10 Prozent zum Umsatz des fünftgrößten deutschen Energieversorgers bei - Tendenz steigend. Und auch die Gewinne stimmen.

Wenn der Geschäftsführer der EWE Turkey Holding über die Kundenentwicklung spricht, huscht ihm ein Lächeln übers Gesicht. «900.000 sind es inzwischen», sagt Frank Quante, der seit 2012 von Istanbul aus das Geschäft leitet. Damit hat EWE in der Türkei mehr Gaskunden als in Deutschland mit knapp unter 800.000.

Das riesige Gaskraftwerk in Bursa gehört auch zu den Kunden, vor allem aber sind es private Haushalte, die Gas zum Kochen und Heizen nutzen. Der Gasmarkt ist in der Türkei nicht liberalisiert. Die Kunden haben also beim Anbieter noch kein Wahlrecht.

«Wir sind sehr glücklich, dass wir den Schritt in die Türkei so frühzeitig gemacht haben und dann in die richtigen Bereiche», sagt Quante. Über seine Holding hält EWE 80 Prozent am regionalen Gasversorger Bursagaz in der mit über 2,5 Millionen Einwohnern viertgrößten türkischen Stadt Bursa. Zum selben Prozentsatz ist EWE am Versorger Kayserigaz in der Millionen-Stadt Kayseri rund 300 Kilometer südöstlich von Ankara beteiligt.

500 Millionen Euro war den Oldenburgern damals der Einstieg in die beiden Unternehmen als «strategischer Aufschlag» wert. Insgesamt dürften die Investitionen bei rund 650 Millionen Euro liegen. Doch das Geschäft läuft. Inzwischen steuert die EWE Turkey mit mehr als 800 Millionen Euro jährlich mehr als zehn Prozent zum Konzernumsatz (2014: 8,1 Milliarden Euro) bei.

Auch wenn das Wirtschaftswachstum zuletzt abflaute und in diesem Jahr das Bruttoinlandsprodukt in der Türkei um etwa 3,0 Prozent zulegen dürfte - die Stromnachfrage wird nach Prognosen des türkischen Energieministeriums von 2014 bis 2023 im Durchschnitt um 5,6 Prozent steigen. «Die Türkei gehört zu den am schnellsten wachsenden Strommärkten», beobachtet die deutsche Außenhandelsgesellschaft GTAI.

Das wissen auch die deutschen Energie-Riesen. Eon ist seit 2012 zu 50 Prozent an dem türkischen Versorger Enerjisa beteiligt, die andere Hälfte hält der Sabanci-Konzern. Enerjisa hat gleich zehnmal mehr Kunden als EWE, nämlich neun Millionen. Das Geschäft laufe gut, heißt es bei Eon in Düsseldorf. EnBW betreibt in einem Joint Venture Windparks und RWE ist seit 2008 mit RWE Turkey am Bosporus am Start.

Auch die Oldenburger wollen von dem prognostizierten Wachstum profitieren. «Im Strommarkt sollen die Kunden in der Türkei Ende 2016 ihre Anbieter frei wählen können», sagt Quante. Dann will EWE vorbereitet sein und sich seinen 900.000 Gaskunden auch als Stromanbieter empfehlen.

EWE hat seinen Sprung in die Türkei nicht bereut. «Deutschland hat hier eine enorme Reputation, steht für Zuverlässigkeit und Verlässlichkeit. Die Türken lieben Deutschland», sagt Mustafa Sancar, Leiter der Abteilung Ausland bei der EWE AG. Viele Kunden seien bereit, 5 bis 15 Prozent mehr zu zahlen, wenn hinter dem Produkt oder der Dienstleistung das unverwüstlich scheinende Markenzeichen «Made in Germany» steht.

Bei der türkischen Regierung rangiert der Aus- und Umbau der Energielandschaft ganz oben auf der Agenda. «Zur Deckung des steigenden Bedarfs müssen die Kraftwerkskapazitäten von zurzeit 70.000 Megawatt bis 2023 auf rund 100.000 Megawatt erhöht werden. Der Investitionsbedarf dafür beläuft sich auf insgesamt 130 Milliarden US-Dollar», schätzt die GTAI.

Daneben soll der Markt weiter geöffnet, die Versorgung stabilisiert, der Anteil an erneuerbarer Energie erhöht und die Netzqualität verbessert werden. EWE- Geschäftsführer Quante spricht von einem großen Wandel: «Das ist mindestens eine so große Herausforderung wie die Energiewende in Deutschland.» (dpa)
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