Ekel-Schlagzeilen: Wie schlimm steht es um die Lebensmittel-Branche?Pferde- statt Rindfleisch in der Lasagne, Mogeleier, Schimmelpilze im Futtermittel: Die Nahrungsmittelbranche sorgt in immer schnellerer Folge für Schlagzeilen und verunsichert damit die Verbraucher. Im Agrarstaat Niedersachsen bieten sie dem neuen grünen Landwirtschaftsminister Christian Meyer eine politische Steilvorlage bei der Durchsetzung seiner Ziele. Er hatte schon im Wahlkampf strengere Kontrollen und eine stärkere Regulierung der Agroindustrie sowie eine Förderung des regionalen Anbaus angekündigt.
Warum häufen sich sogenannte Lebensmittelskandale in letzter Zeit?In einer globalisierten Wirtschaft mit vielen Zulieferern aus dem In- und Ausland gibt es eine Vielzahl von Kontrollen, Grenzwerten und Warnschwellen. Sie sollen eine Gefährdung des Verbrauchers vermeiden helfen, führen aber zugleich auch zu dessen erhöhter Aufmerksamkeit, glauben Branchenbeobachter. Das Überschreiten von Warnschwellen lässt aufhorchen - gerade, wenn Behörden vorsorglich Sperren verhängen. Sie wollen sich nicht des Vorwurfs aussetzen, zu spät reagiert zu haben und dadurch die Gesundheit der Verbraucher zu riskieren.
Ist die Branche nur von Profitgier getrieben?Gewinninteressen spielen eine Rolle. Weltweit knappe Erntemengen und spekulationsanfällige Märkte lassen
Lebensmittelpreise steigen. Auch der Konflikt zwischen Ernährungs- und Energieproduktion gehört in diese Gemengelage. Wenn Bauern Raps oder Mais zur Herstellung von Biosprit anbauen, verknappt das die verfügbare Nahrungsmittel-Menge weiter. Konsumenten entscheiden zudem gerade in wirtschaftlich schlechten Zeiten oft mit dem Portemonnaie, klagt die Branche. Um Nahrungsmittel bezahlbar zu halten gibt sie den Kostendruck daher oft weiter an die Lieferanten - und kauft da, wo es am günstigsten ist.
Gibt es Alternativen?Man kann zum Beispiel beim Bauern seines Vertrauens im Dorf einkaufen. In der Qualitätsdebatte ragen die Demeter-Höfe heraus. Der älteste Bio-Verband mit den strengsten Richtlinien sieht Autarkie als Idealbild und verfolgt dabei einen radikal-konsequenten Ansatz. Demeter-Landwirte sehen ihre Höfe als Organismus und kontrollieren den kompletten Produktionskreislauf. Ihre Tiere erhalten nur Futter, das Demeter-Bauern selbst angebaut haben oder von Bio-Kollegen mit gleicher Einstellung zukaufen. Sie unterwerfen sich zudem strengen, nicht angemeldeten Kontrollen. Das Problem: Für eine Massenproduktion sind derartige Höfe eher ungeeignet. Bundesweit sind gerade mal 1.400 Demeter-Bauern auf Höfen mit insgesamt 60.000 Hektar Fläche tätig. Hohe Preise machen sie in Supermarktketten zudem zur Mangelware.
Wie geht es jetzt weiter?Die Politik fordert Konsequenzen - vor allem durch verstärkte Kontrollen. Die aber kosten Geld, das in den Staats- und Länderkassen knapp ist. Mit Forderungen nach einer stärkeren Einbindung der Branche probt Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse
Aigner (CSU) daher mit Niedersachsens grünem Agrarminister Christian Meyer den Schulterschluss. Ähnlich wie Autofahrer beim TüV sollen die Unternehmen selbst für ihre Kontrollen zahlen. Die Industrie ist nicht begeistert und weist - wie etwa Europas zweitgrößter Futtermittelkonzern
Agravis - auf ein freiwilliges «funktionierendes und frühzeitig greifendes Risikomanagement» hin.
Wer hat strafrechtliche Folgen zu befürchten und wer hat den Schaden?Der Importeur aus Hamburg. Die dortige Staatsanwaltschaft hat am Montag Ermittlungen angekündigt, nachdem die Verbraucherbehörde Anzeige gestellt hat. Dabei geht es aber nur um den möglichen strafrechtlichen Aspekt. Noch unklar ist, wer für den möglichen Schaden der Milchbauern aufkommt, die zunächst auf ihrer Milch sitzen blieben, bis ihr Untersuchungen die Unbedenklichkeit bescheinigten. (dpa)