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31.10.2015 | 09:53 | Grillkunst 

Fleischkonsum: Argentinier trotzen dem Krebsrisiko

Buenos Aires - Sie sitzen wie eh und je im Restaurant in Buenos Aires, mit knapp einem halben Kilogramm Rindersteak auf dem Teller.

Fleischkonsum in Argentinien
Im Fleischland Argentinien gehört ein Grill zum Zubehör eines jeden Haushalts. Der Bericht der WHO-Forscher, zu viel Fleisch könne Darmkrebs fördern, wird beim Konsum von Riesen-Steaks belächelt. (c) proplanta
Die vier Freunde unterhalten sich über die Präsidentschaftswahlen vom Sonntag in Argentinien - und über die Warnungen von Forschern der Weltgesundheitsorganisation (WHO), dass der hohe Konsum roten Fleisches krebserregend sein könnte. Sie lachen und essen weiter. Hier nehmen sie lieber das Risiko in Kauf, als auf Fleisch zu verzichten.

Die Studie einer WHO-Behörde, der Internationalen Krebsforschungsagentur (IARC), kommt zu dem Ergebnis, dass vor allem der regelmäßige Verzehr von Wurst, Schinken und anderem verarbeiteten Fleisch das Krebsrisiko erhöht. Demnach gehen pro Jahr 34.000 Krebstodesfälle darauf und möglicherweise 50.000 auf rotes Fleisch zurück. Darmkrebs ist in Argentinien nach Lungenkrebs heute die zweithäufigste Todesursache unter den Krebserkrankungen.

«Es sterben täglich 18 Argentinier an Darmkrebs», erklärte mit Blick auf die Studie der Gastroenterologie-Chef des Hospitals Fundación Favaloro, Fabio Nachman, der Zeitung «Clarín». Die Ernährung der Argentinier sollte weniger auf Fleisch und stärker auf Obst, Gemüse und Fisch basieren. Viele sind trotz der Studie skeptisch.

«Wenn das so wäre, müsste die Hälfte der Argentinier dran gestorben sein», meint Ekkehart, ein 90-jähriger Einwanderer aus Deutschland, der die Grillkunst in den 50er Jahren von einem argentinischen Gärtner gelernt hat. Jahrelang hat er jedes Wochenende seine Nachbarn zum selbstgegrillten «Asado» eingeladen. «Das ist ein Ritual, mir hat es immer Spaß gemacht», sagt er. Jetzt, da er nicht mehr selbst am Feuer stehen kann, geht er mit seiner Frau jeden Samstag ins Grillrestaurant. Was sie dort an Fleisch nicht schaffen, nehmen sie nach Hause mit, so braucht am Sonntag nicht gekocht werden.

Tomás, ein 29-jähriger Tontechniker, sieht im «Asado» (Grillfleisch) vor allem ein unentbehrliches soziales Ereignis. «Mit der zunehmenden Anzahl von Vegetariern wird auch Käse und Gemüse gegrillt», betont er. Seine Frau ist Köchin und Vegetarierin, aber mindestens einmal in der Woche zündet er das Feuer zum Grill-Essen mit Freunden auf seiner Terrasse. Dazu gehört ein Glas Wein bei der Zubereitung, die nicht immer willkommenen Ratschläge der Freunde zur Grillkunst und nach dem Essen die Lieder zur Gitarre oder ein Kartenspiel.

Seit 1958 ist der Rindfleischkonsum pro Kopf in Argentinien von 98,4 auf 59,8 Kilogramm im Jahr geschrumpft. Vor allem die ansteigende Preisentwicklung, aber auch zunehmende Internationalität in Küche und Restaurants sowie auch etwas mehr Gesundheitsbewusstsein haben dazu geführt. Hinzu kommen 14 Kilogramm pro Jahr an unbearbeitetem Schweinefleisch und 9 Kilogramm an Würsten und Schinken.

Die Grillbetreiber scheinen die statistische Rindfleisch-Abnahme kaum zu spüren. In Buenos Aires gibt es 555 zugelassene Grillrestaurants und noch viele mehr, die improvisiert an einer Straßenecke oder vor dem Fußballstadion Fleisch und Würste über dem Holzkohlefeuer grillen. «Asado ist immer noch gesünder als die Würstchen bei uns, bei denen man nicht weiß, was da zusammengepanscht worden ist», meint Matthias (29), bildender Künstler aus Leipzig, der momentan eine Ausstellung in einem Kunstraum in Buenos Aires vorbereitet.

Jeder der meist 350 Tagesgäste des Grillrestaurants «Dandy» verzehrt im Schnitt zwischen 400 und 600 Gramm Fleisch, erklärt Germán (52) an der Theke. «Der Konsum hat in den letzten Jahrzehnten bei uns nicht abgenommen, nur gibt es jetzt eine stärkere Nachfrage nach magereren Fleischschnitten, auch was Schweinefleisch betrifft», sagt der Manager der Grillschmiede in der Nähe des River-Plate-Stadions. An einem Fußballsonntag lande gut 250 Kilo Fleisch auf dem Grill.

Lange Zeit ernährten sich die Gauchos, die argentinischen Viehhirten, deren Name heute oft für die Argentinier insgesamt steht, fast nur von Fleisch. Man sagt, dass sie sich unbewusst vor Darmerkrankungen mit ihrem Hang zum Mate-Tee schützten - neben dem Fleisch als Nationalessen ist Mate so etwas wie das Nationalgetränk.
dpa
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